Nicht-invasive Beatmung
Synonym: Noninvasive Ventilation
Englisch: noninvasive ventilation, NIV
Definition
Unter der nicht-invasiven Beatmung, kurz NIV, versteht man die Atemunterstützung oder Beatmung ohne Verwendung eines invasiven Beatmungszugangs (Endotrachealtubus oder Trachealkanüle). Sie steht damit im Gegensatz zur konventionellen Beatmung, die auf einer Intubation basiert. Die Patienten werden über eine Atemmaske bzw. einen Atemhelm mit ausreichend Sauerstoff und dem nötigen Beatmungsdruck versorgt.
Verfahren
Die NIV kann durch das Erzeugen eines Unterdrucks (NINPV) oder Überdrucks (NIPPV) verwendet werden:
- NINPV: noninvasive negative pressure ventilation (z.B. sog. eiserne Lunge)
- NIPPV: noninvasive positive pressure ventilation
Heute (2025) werden fast ausschließlich Überdruckverfahren angewendet. Die NINPV wird nur noch selten und meist in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt.
Typisches Einsatzgebiet der NIV ist die (präklinische) Notfallmedizin und die Intensivmedizin. Ziele sind u.a., eine Intubation zu vermeiden, die Zeit bis zur Intubation zu überbrücken oder Patienten nach einer Extubation zu unterstützen. Die Beatmung kann dabei vollständig durch das Beatmungsgerät gesteuert werden (kontrollierte Beatmung) oder gezielt die Atembemühungen des Patienten unterstützen (assistierte Beatmung). Einige Geräte können beide Beatmungsmodi kombinieren.
Am häufigsten wird ein kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck (CPAP) in Kombination mit einer inspiratorischen Druckunterstützung (Pressure Support Ventilation, PSV) genutzt. Die Einstellungen müssen individuell angepasst werden. Meist wird initial ein CPAP mit einem PEEP von 5 mbar angewendet, sowie eine Druckunterstützung von 5 bis 10 mbar.
Indikationen
- Oxygenierungsstörungen
- Akut exazerbierte COPD (meist PEEP mit PSV)
- Weaning (z.B. bei Patienten mit COPD)
- Akute respiratorische Insuffizienz - hyperkapnisch oder hypoxämisch
- Akute respiratorische Insuffizienz bei kardialem Lungenödem (z.T. PEEP alleine ausreichend, Druckunterstützung bei Bedarf)
- Milde respiratorische Azidose (pH < 7,35)
- Kohlenmonoxidintoxikation
Vorteile
Zu den Vorteilen der nicht-invasiven Beatmung zählen:
- geringe Invasivität
- keine tiefe Analgosedierung notwendig
- einfacheres Weaning
- geringeres Infektionsrisiko
- Kommunikation bleibt erhalten
- Kurze Unterbrechungen zur Nahrungsaufnahme und Mobilisierung sind möglich
Nachteile
Zu den Nachteilen der nicht-invasiven Beatmung zählen:
- Kein sicherer Aspirationsschutz: Es bestehen Aspirationsgefahr und Aerophagie, die mittels Magensonde und Unterstützungsdrücken < 25 mbar weitgehend vermieden werden können.
- Kein sicherer Atemweg: Dislokationen der Maske möglich
- Höherer pflegerischer Aufwand
- unangenehm für den Patienten (häufig ist eine leichte Sedierung z.B. mit Morphin hilfreich)
- Konjunktivitis, verursacht durch ausströmende Luft bei Leckage der Maske im Bereich der Nasenwurzel
- Dekubitalulzera im Gesicht durch den Druck der Atemmaske
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen
Liegt eine der folgenden absoluten Kontraindikationen vor, muss die NIV sofort abgebrochen werden und die sofortige Intubation erfolgen:
- fehlende Spontanatmung, Schnappatmung
- fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege
- gastrointestinale Blutung oder Ileus
- Schädelfrakturen
- nicht hyperkapnisch bedingtes Koma
Relative Kontraindikationen
Bei den relativen Kontraindikationen muss der behandelnde Arzt entscheiden, ob die Vorteile der NIV das erhöhte Risiko für den Patienten ausgleichen. Dabei gilt es vor allem auf ein gut geschultes Team zurückgreifen zu können, das mit der Situation vertraut ist und das Fehlschlagen einer NIV frühzeitig erkennt. Eine Möglichkeit zur sofortigen Intubation muss sichergestellt sein.
- hyperkapnisch bedingtes Koma
- massive Agitation
- massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie
- schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH <7,1)
- hämodynamische Instabilität (kardiogener Schock, Myokardinfarkt)
- anatomische und/oder subjektive Interface-Inkompatibilität
- z.N. OP im oberen Gastrointestinaltrakt
Erfolgskriterien
| Kriterium | Erfolgskriterien der NIV |
|---|---|
| Dyspnoe | Abnahme |
| Vigilanz | zunehmende Verbesserung |
| Atemfrequenz | Abnahme |
| Ventilation | paCO2 -Abnahme |
| pH | Anstieg |
| Oxygenierung | Zunahme von SaO2 ≥
85% |
| Herzfrequenz | Abnahme |
Abbruchkriterien
Die NIV sollte abgebrochen werden, wenn es nicht möglich ist, den Patienten innerhalb kurzer Zeit (ca. 1 bis 2 Stunden) zu stabilisieren (siehe Erfolgskriterien) oder sich dessen Zustand verschlechtert. Weitere Abbruchkriterien sind u.a.:
- anhaltende Leckageprobleme
- deutliche Zeichen der Gegenwehr des Patienten oder massive Agitation (Lösungsversuch: Maske durch einen Beatmungshelm ersetzen)
- Aspiration
Literatur
- Westhoff et al.: S2k-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 2021, zuletzt abgerufen am 15.08.2025
- Wilhelm W., Sakka S.: Praxis der Intensivmedizin, 3. Auflage, 2023. Springer Verlag, Berlin
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung