Multizentrische Retikulohistiozytose
Synonyme: Lipoiddermatoarthritis, benigne Retikulohistiozytose, Histiocytosis gigantocellularis, Lipoid-Rheumatismus, multiple Retikulohistiozytome, Reticulohistiocytosis disseminata, multiple Retikulohistiozytome, Riesenzellhistiozytose
Englisch: multicentric reticulohistiocytosis, lipoid dermatoarthritis
Definition
Die multizentrische Retikulohistiozytose, kurz MRH, ist eine seltene Systemerkrankung unklarer Ursache, die v.a. die Haut und die Synovialis von Gelenken betrifft. Sie zählt zur Xanthogranulom-Familie der Nicht-Langerhanszell-Histiozytosen (NLZH).
Ätiologie
Die Ursache der multizentrische Retikulohistiozytose ist derzeit (2021) unklar. Bei 20 % der Patienten findet sich ein Malignom (z.B. Kolon-, Mamma-, Zervixkarzinom). Eine Assoziation mit Autoimmunerkrankungen und Hyperlipidämien ist beschrieben.
Epidemiologie
Die multizentrische Retikulohistiozytose ist eine seltene Erkrankung. In der Literatur sind ca. 200 Fälle beschrieben. Sie manifestiert sich meist im mittleren Lebensalter. Frauen sind dreimal häufiger betroffen.
Klinik
Die multizentrische Retikulohistiozytose ist gekennzeichnet durch:
- granulomatöse Hautläsionen
- destruktive Arthritis
- ggf. Befall von Muskulatur, Herz, Lungen
Haut
Hautveränderungen finden sich insbesondere periartikulär an den Händen und im Gesicht (v.a. Nase, Lippen, Ohren). Bei über 50 % der Patienten sind auch die orale oder nasale Schleimhaut betroffen. Bei 25 % der Patienten finden sich Xanthelasmen.
Die Effloreszenzen sind wie folgt gekennzeichnet:
- symmetrisch verteilte, multiple, stecknadelkopf- bis erbsengroße, meist derbe, bräunlich-gelbliche Papeln und Knoten
- teils langsam wachsend, teils auch eruptiv exanthematisch aufschießend
- einzelnd stehend, z.T. auch konfluierend
- meist glatte Oberfläche
- in der Regel kein Juckreiz
- in > 50 % d.F. perlschnurartige periunguale Papeln (Korallenperlen- oder Korallenkettenzeichen)
Gelenke
Ungefähr 60 % der Patienten leiden an einer symmetrischen, destruktiven Polyarthritis mit klar begrenzten Erosionen. In 45 % verläuft sie als Arthritis mutilans mit Teleskopfingern. Betroffen sind v.a. die Interphalangealgelenke (IP), seltener die Metakarpophalangealgelenke (MCP), Handgelenke, Schulter-, Hüft- und Kniegelenke. Weiterhin finden sich Akroosteolysen.
Die Arthropathie kann den Hautveränderungen vorausgehen, aber auch später oder parallel zu den Hautherden auftreten. Rheumafaktoren finden sich nicht.
Pathohistologie
Pathohistologisch ist die multizentrische Retikulohistiozytose nicht von einem Retikulohistiozytom zu unterscheiden. Es finden sich viele, sehr große, runde oder ovale Makrophagen mit homogenem oder milchglasartigem Zytoplasma (onkozytäre Makrophagen) und einem oder mehreren, unregelmäßig verteilten Zellkernen (Riesenzellen mit Milchglascharakter).
Differenzialdiagnosen
- Granuloma anulare
- rheumatoide Arthritis mit Rheumaknoten: keine Akroosteolysen, Erosionen weniger scharf begrenzt, MCP > IP
- Psoriasisarthritis: Akroosteolysen und ähnliche Erosionen der IP. Keine Noduli sondern Wurstfinger
- Arthrose mit Heberden- oder Bouchard-Knoten
- Gicht mit Gichttophi
- Sarkoidose
- Dermatomyositis
- Lepra
- Lichen planus
- Disseminierte Lipogranulomatose (Morbus Faber)
- Nekrobiotisches Xanthogranulom
- Rosai-Dorfman-Erkrankung
Therapie
Die Erkrankung verläuft häufig selbstlimitierend (Abheilung durchschnittlich nach 8 Jahren). Ein chronischer Verlauf ist jedoch ebenfalls beschrieben. Therapeutisch kommen NSAR, Glukokortikoide und Chloroquin in Frage, wenn auch mit nur mäßigem Erfolg. In schweren Fällen mit destruktiver Arthritis werden Cyclophosphamid, Methotrexat oder Chlorambucil eingesetzt. Auch TNF-Hemmer und Bisphosphonate können versucht werden. Einzelne Läsionen können exzidiert oder mit Injektion von Glukokortikoiden behandelt werden.
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