Intrakranielle Dermoidzyste
Synonym: intrakranielles Dermoid
Englisch: intracranial dermoid cyst
Definition
Intrakranielle Dermoidzysten sind benigne, angeborene Tumoren ektodermaler Herkunft.
Epidemiologie
Dermoidzysten machen ca. 0,5 % aller primären intrakraniellen Raumforderungen aus. In der Regel manifestieren sie sich im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt.
Ätiologie
Dermoidzysten sind wie Epidermoidzysten vermutlich eine Entwicklungsanomalie, bei der embryonales Ektoderm zwischen der dritten und fünften Schwangerschaftswoche im Neuralrohr eingeschlossen wird.
Intrakranielle Dermoidzysten entstehen meist sporadisch. Eine Assoziation mit dem Goldenhar-Syndrom (okuloaurikulo-vertebrale Dysplasie) und mit dem Klippel-Feil-Syndrom ist beschrieben.
Klinik
Intrakranielle Dermoidzysten sind häufig asymptomatisch und ein radiologischer Zufallsbefund. Mögliche Symptome wie Kopfschmerzen entstehen durch den raumfordernden Effekt. Die häufigste Erstmanifestation entsteht jedoch durch die spontane, traumatische oder iatrogene Ruptur der Dermoidzyste. Dabei tritt Talg in den Subarachnoidalraum aus und führt zu einer aseptischen Meningitis. Symptome sind z.B. Krampfanfälle, zerebrale Vasospasmen und Hirninfarkte.
Lokalisation
Intrakranielle Dermoidzysten sind in der Regel solitäre Läsionen, die extraaxial und in der Mittellinie auftreten. Am häufigsten ist die Cisterna chiasmatica betroffen, gefolgt von der hinteren Schädelgrube und frontonasalen Regionen.
Diagnostik
Radiologie
Dermoidzysten zeigen sich radiologisch als gut abgrenzbare, rundliche, fetthaltige Raumforderung.
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) erscheinen Dermoidzysten als gut abgrenzbare, hypodense bzw. Fett-isodense, lobulierte Raumforderungen. Verkalkungen der Wand kommen in etwa 20 % der Fälle vor. Eine Kontrastmittelanreicherung ist selten und stellt sich höchstens als dünner peripher Randsaum dar.
Sehr selten sind Dermoidzysten hyperdens, vermutlich durch Saponifikation, Mikroverkalkungen und Blutprodukte. Bei Ruptur einer Dermoidzyste finden sich fetthaltige Tröpfchen im Subarachnoidalraum oder intraventrikuläre Fett-Flüssigkeits-Spiegel.
Kinder mit frontaler Dermoidzyste können eine zweigeteilte Crista galli mit großem Foramen caecum und Sinustrakt aufweisen.
Magnetresonanztomographie
Das Signalverhalten von Dermoidzysten in der Magnetresonanztomographie (MRT) ist abhängig vom Fettgehalt. Die meisten Zysten sind heterogen hyperintens in der T1w-Sequenz. Fettgesättigte Sequenzen sind hilfreich, um das Vorhandensein der Lipide zu bestätigen.
Die verlängerte Repetitionszeit in PDw- und T2w-Sequenzen führt zu einem deutlichen Chemical-Shift-Artefakt in Frequenzkodierrichtung. In T2w-Sequenzen ist Fett sehr hypointens, in FSE- bzw. TSE-T2w-Sequenzen jedoch hyperintens. Haare führen zu linearen bzw. gestreiften Lamellen.
In der FLAIR-Sequenz sind unkomplizierte Dermoidzysten heterogen hyperintens. In der DWI-Sequenz sind Dermoidzysten hyperintens, in der ADC-Map isointens zum Hirnparenchym.
Eine Ruptur führt zu subtilen sulcalen FLAIR-Signalanhebungen, Blooming-Artefakten in der T2*-Sequenz und T1w-hyperintensen Tröpfchen in den Subarachnoidalräumen. Im Falle einer Meningitis fällt eine leptomeningeale Kontrastmittelaufnahme auf. Die Dermoidzysten selbst zeigen in der Regel kein Enhancement. Die subarachnoidalen Fetttröpfchen können jahrelang persistieren.
MR-Spektroskopie
In der MR-Spektroskopie können Dermoidzysten einen erhöhten Lipidpeak bei 0,9 bis 1,3 ppm aufweisen.
Pathologie
Makroskopie
Dermoidzysten sind dickwandig begrenzt und enthalten eingedicktes, fettiges Material, Keratinabschilferungen und Hautanhangsgebilde wie Haarfollikel. Fett-Protein-Spiegel können vorkommen.
Mikroskopie
Dermoidzysten sind ebenso wie Epidermoidzysten von mehrschichtigem Plattenepithel ausgekleidet. Im Gegensatz zu Epidermoidzysten enthalten sie jedoch auch Hautanhangsgebilde wie Haarfollikel, Schweißdrüsen und Talgdrüsen. Durch die Produktion von Haaren und Talg wachsen die Zysten langsam. Dermoidzysten enthalten kein Fettgewebe.
Eine maligne Entartung in ein Plattenepithelkarzinom ist extrem selten.
Differenzialdiagnosen
- intrakranielle Epidermoidzyste: Dichte bzw. Signal ähnlich wie Liquor. Rupturiert seltener. Meist in der Cisterna pontocerebellaris.
- intrakranielles Lipom: homogen Fett-isodens bzw. Fett-isointens. Kann mit anderen kongenitalen Malformationen wie Dysgenesie des Corpus callosum assoziiert sein.
- intrakranielles Teratom: meist in der Pinealisregion und deutlich heterogeneres Signal.
- Kraniopharyngeom: oft multizystisch mit Ausdehnung in die Sella. Verkalkungen und Kontrastmittelaufnahme.
- (Para-)selläre Raumforderungen mit hohem T1w-Signal ("Hotspots"): z.B. durch proteinreiche Rathke-Zyste, verkalktes Chordom oder eingeblutetes Makroadenom der Hypophyse
Therapie
Symptomatische Dermoizysten werden chirurgisch entfernt. Um das Risiko von postoperativen Komplikationen zu verringern, werden häufig residuelle Zystenanteile um neurovaskuläre Strukturen belassen. Die Rezidivrate nach Resektion ist sehr gering.
Literatur
- McArdle DJ, Karia SJ. Ruptured intracranial dermoid cyst. Pract Neurol. 2016
- Jin H et al. Intracranial dermoid cyst rupture-related brain ischemia: Case report and hemodynamic study. Medicine (Baltimore). 2017