Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom
Synonym: ICANS
Englisch: immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome
Definition
Das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom, kurz ICANS, beschreibt einen Komplex heterogener neurologischer Symptome mit unterschiedlich starker Ausprägung, der typischerweise nach der Applikation von CAR-T-Zell-Therapien auftritt.[1]
Symptome
Das klinische Erscheinungsbild von ICANS ist sehr unterschiedlich und reicht von leichten Verlaufsformen bis hin zu einem rasch progredienten therapierefraktären fatalen Hirnödem. Mögliche Symptome sind:[1]
- Myoklonien
- Tremor
- Kopfschmerzen
- Halluzinationen
- Veränderungen des Schriftbildes
- Ataxie, Dysmetrie
- Sprachstörungen (Aphasie, Dysarthrie)
- Veränderungen des Gemütszustandes hirnorganisches Psychosyndrom
- kognitive Defizite, Denkstörungen
- Agitation, Delirium
- Vigilanzminderung
- sensomotorische Defizite
- Inkontinenz
- Epileptische Anfälle
- Hirnödem
Cave: Das Hirnödem ist zwar eine seltene Komplikation, es kann aber rapide verlaufen und innerhalb von 24 h zum Tod führen.
Pathophysiologie
Aktuell (09/2021) ist die Pathophysiologie des ICANS noch nicht vollständig verstanden. Dem Syndrom scheinen ähnliche Pathomechanismen zugrunde zu liegen wie dem Zytokin-Freisetzungssyndrom. Ursächlich ist eine Interleukin-6-vermittelte überschießende Freisetzung von Zytokinen, die zu einer endothelialen Dysfunktion führt und eine Störung der Blut-Hirn-Schranke verursacht. Dies löst eine Diffusion von Zytokinen (z.B. Interleukin-1, Interleukin-6, Interleukin-15) sowie eine verstärkte Migration von Entzündungszellen (v.a. myeloische Zellen und CAR-T-Zellen) ins ZNS aus.[1]
Erste präklinische Daten zeigen, dass die Interleukin-1-Ausschüttung myeloischer Zellen das Auftreten einer Neurotoxizität stark beeinflusst. Eine Interleukin-1-Rezeptorblockade könnte deshalb zukünftig einen therapeutischen Angriffspunkt zur Behandlung von ICANS bieten. Weiterhin zeigen RNASeq-Daten, dass zerebrale Perizyten geringe Mengen CD19 exprimieren. Dies könnte die Neurotoxizität von Anti-CD19-Therapien erklären.[1]
Diagnostik
ICANS ist eine Ausschlussdiagnose, weshalb eine ausführliche Diagnostik ratsam ist. Diese umfasst:[1]
Darüber hinaus ist der Immuneffektor-Zell-assoziierte Enzephalopathie-Score (ICE-Score) ein wichtiger Bestandteil der Diagnose des ICANS. Vor Beginn einer CAR-T-Zell-Therapie sollte deshalb ein Ausgangswert bestimmt werden, dessen Verlauf nach Applikation kontrolliert wird. Die Frequenz ist abhängig vom jeweiligen Patienten, empfohlen werden Kontrollen alle 12 h oder häufiger.[1]
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad des ICANS sowie dem jeweiligen ICE-Score. Initial werden Glukokortikoide eingesetzt. In der Zweitlinie kommen Anakinra und Siltuximab, in refraktären Fällen auch eine intrathekale Chemotherapie zum Einsatz.
Prophylaxe
Zur Vorbeugung des ICANS wird bei Hochrisikopatienten Levetiracetam eingesetzt.
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