Hypothermie
von altgriechisch: ὑπό ("hypo") - unter; θερμός ("termos") - warm
Synonym: Unterkühlung
Englisch: hypothermia
Definition
Hintergrund
Physikalische Grundlage einer Hypothermie ist, dass die Wärmeproduktion über eine längere Zeitperiode geringer ist als die Wärmeabgabe.
Eine lokale Hypothermie als Folge einer umgrenzten Kälteeinwirkung, zum Beispiel auf exponierte Köperareale wie Hände oder Füße, kann Erfrierungen verursachen. Eine generelle Unterkühlung des gesamten Körpers kann schwere Gesundheitsschäden verursachen und auch zum Tod durch Erfrieren führen.
Symptome
Allgemein spricht man von einer Hypothermie, wenn die Körperkerntemperatur (KKT) unter 36 °C sinkt. Typische Symptome sind kalte, blasse und zyanotische Haut und im fortgeschrittenen Stadium Müdigkeit und die paradoxe Reaktion des Gefühls von innerer Wärme. Darüber hinaus werden abhängig von der Körperkerntemperatur und den Symptomen 4 Stadien der Hypothermie unterschieden.
1. Grad: Exzitation (Abwehrstadium)
- bei 35 bis 32 °C
- Patient bei Bewusstsein
- Unruhe, starkes Muskelzittern
- Hyperventilation, Hypertonie und Tachykardie
- Passagere Hyperglykämie durch Aktivierung der Glukosequellen
- Sauerstoffverbrauch erhöht sich auf das 6-fache
- Vasokonstriktion (schmerzende Akren)
2. Grad: Adynamie (Erschöpfungsstadium)
- bei 32 bis 30 °C
- Patient wird teilnahmslos und verwirrt, teilweise paradoxes Entkleiden
- es entwickeln sich eine arrhythmische und flache Bradypnoe, Bradykardie und Hypotonie, teils Vorhofflimmern
- Muskeln und Gelenke werden zunehmend starr
- Hypoglykämie
3. Grad: Paralyse
- bei 30 bis 28 °C
- Patient wird bewusstlos
- Mydriasis
- weiterhin Bradypnoe
- extreme Bradyarrythmie und Hypotonie bei verringertem Sympathikotonus
- Kältediurese
- hämorrhagische Diathese
4. Grad: Vita reducta
- unter 28 °C
- tiefe Bewusstlosigkeit mit geweiteten lichtstarren Pupillen
- evtl. Apnoe
- EKG: Kammerflimmern oder Asystolie
Diagnostik
Die Diagnosestellung geschieht per Temperaturmessung. Es ist zu beachten, dass Infrarotthermometer im Hypothermiebereich teilweise unpräzise messen. Hier sind elektronische Temperatursonden vorteilhaft (z.B. im Blasenkatheter oder in ösophagealen Sonden, insbesondere beim intubierten Patienten). Sie erlauben zudem eine kontinuierliche Temperaturüberwachung.[1]
Im Labor zeigt sich häufig eine Hypokaliämie durch eine Umverteilung nach intrazellulär, allerdings ist bei ausgeprägter Gewebsnekrose oder bei Azidose auch eine Hyperkaliämie möglich. Bei Durchführung einer Blutgasanalyse (BGA) sind die temperaturabhängigen Abweichungen der Blutgase zu beachten. Ob und in welcher Art eine Temperaturkorrektur der BGA erfolgen soll, ist umstritten.[2]
Im EKG finden sich häufig Herzrhythmusstörungen (s.o.). Unterhalb von 30 bis 31 °C werden sogenannte J-Zacken (Osborn-Wellen) beobachtet. Hierbei handelt es sich um Potenzialausschläge am Übergang von Kammerkomplex zu ST-Strecke (J-Punkt), die linkspräkordial positiv und rechtspräkordial negativ ausfallen.[1]
Therapie
Die Therapie ist abhängig vom Grad der Unterkühlung, sollte aber in jedem Fall einen i.v.-Zugang und eine Atemwegssicherung umfassen. Der Patient sollte so schnell wie möglich in eine Klinik mit Möglichkeit der extrakorporalen Zirkulation transportiert werden. Bei Bedarf muss aktiv beatmet werden, bei Asystolie ist zusätzlich eine Herzdruckmassage notwendig. Dabei gilt der Leitsatz: "Nobody is dead until they are warm and dead."
Bei einer KKT unter 30 °C werden vorerst maximal drei Defibrillationsversuche unternommen. Weitere Defibrillationsversuche sind erst ab einer KKT über 30 °C sinnvoll.
Die Wiedererwärmung muss behutsam erfolgen, da es bei zu rascher Erwärmung zu einem Wiedererwärmungskollaps kommen kann. Auch sollen unnötige Extremitätenbewegungen vermieden werden, um einen sogenannten Afterdrop zu vermeiden. Dabei fließt durch passive Extremitätenbewegung kaltes Blut aus der Peripherie in Richtung Körpermitte und die Temperatur sinkt erneut. In der Wiedererwärmungsphase ist zudem eine ausreichende Volumentherapie wichtig. Katecholamine sollten erst ab einer Körpertemperatur von über 30 °C eingesetzt werden.
Therapeutische Hypothermie
Milde Hypothermien werden in der Notfall- und Intensivmedizin eingesetzt. Hierbei wird in bestimmten Fällen die Körpertemperatur gezielt auf 32 bis 34 °C abgesenkt und für eine gewisse Zeit beibehalten. Der Körper hat dadurch eine erhöhte Hypoxietoleranz.
siehe auch: therapeutische Hypothermie, Kältetod
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Leuwer, Marx, Trappe, Zuzan (Hrsg.), Checkliste Intensivmedizin. 4. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2014.
- ↑ Chaney, Emmady, Blood Gas Temperature Correction. StatPearls, National Library of Medicine, 2023.