Herpes neonatorum
Synonym: Neugeborenen-Herpes
Definition
Herpes neonatorum ist eine akute Primärinfektion des Neugeborenen mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV).
Epidemiologie
Die Inzidenz des Herpes neonatorum beträgt etwa 1/3.000-20.000 Lebendgeburten.
Ätiologie
Ursächlich für den Herpes ist in 50-70 % d.F. HSV-2, in 30-50 % HSV-1. Die Virusübertragung erfolgt i.d.R. perinatal durch Kontakt mit infektiösen Genitalsekreten unter der Geburt oder seltener aszendierend nach Blasensprung. Kongenitale Infektionen sind auch möglich, wobei eine diaplazentare Transmission vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) in bis zu 25 % d.F. zum Abort führt und eine Transmission nach der 20. SSW sehr selten ist. Weiterhin kann ein Herpes neonatorum durch postnatalen Kontakt mit Familienangehörigen mit orolabialer HSV-1-Infektion entstehen. Zuletzt sind auch nosokomiale Übertragungen beschrieben.
Die höchste Erkrankungswahrscheinlichkeit besteht für Neugeborene, wenn deren Mütter erst kurz vor der Geburt eine HSV-Primärinfektion erworben haben. Ein primärer Herpes genitalis im 3. Trimenon führt häufig zur Dissemination des Erregers in innere Organe des Fetus, was eine hohe fetale und mütterliche Mortalität zur Folge hat.
Symptome
Neugeborene sind am häufigsten von HSV-Infektionen der inneren Organe und/oder des zentralen Nervensystems (ZNS) betroffen. Herpetische Hautläsionen entwickeln sich, wenn überhaupt, oft erst im späteren Verlauf. Entsprechend unterscheidet man zwischen drei klinischen Verlaufsformen:
- Bei der mildesten und häufigsten Form (50 % d.F.) sind lediglich Haut, Augen und Mundschleimhaut betroffen
- Ein Drittel der Neugeborenen weist eine Herpes-Enzephalitis auf, die sich mit Lethargie und Krämpfen präsentiert. Irreversible Spätschäden treten häufig auf.
- Ungefähr 20 % der infizierten Kinder weisen eine virale Dissemination mit Hepatitis, Pneumonie, disseminierter intravasaler Gerinnung bis hin zum Schock auf. In diesem Fall ist die Mortalität sehr hoch.
Diagnose
Bei Verdacht auf Herpes neonatorum sollten Abstriche von Konjunktiven, Oropharynx und Rektum im Alter von 24-48 Stunden abgenommen werden. Bei einer Enzephalitis kann eine Liquorpunktion durchgeführt werden. Der Nachweis von HSV-Antigen erfolgt mittels ELISA, von HSV-DNA mittels PCR. Des Weiteren ist die Anlage einer Viruskultur möglich.
Differenzialdiagnosen
- Impetigo contagiosa
- Follikulitis
- superfizielle Candidiasis
- Erythema toxicum neonatorum
- neonatale Sepsis durch andere Erreger (z.B. B-Streptokokken, Escherichia coli oder Staphylokokken)
Therapie
Bei einem Herpes neonatorum erhält das Neugeborene Aciclovir i.v. (3 x 10-20 mg/kgKG für 14-21 Tage). Für Frühgeburten existieren spezielle Empfehlungen. Häufig folgt eine Erhaltungstherapie mit Aciclovir p.o. für 3-12 Monate.
Begleitend kann zur lokalen Schmerzstillung ein lidocainhaltiges Gel verabreicht werden. Weiterhin kommen chlorhexidinhaltige Lösungen, Kamillentee oder andere antiseptische Substanzen zum Einsatz.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Die Letalität beträgt unbehandelt 65 %, unter adäquater Therapie 15 %. Zwei Drittel der Neugeborenen mit zentralnervöser Infektion weisen irreversible Spätschäden (geistige Retardierung, epileptische Anfälle, Amaurosis) auf.
Prävention
Pflegepersonal und Ärzte mit HSV-Erkrankung dürfen nicht im Kreißsaal oder auf Neugeborenenstationen arbeiten.
Eine Schnittentbindung ist nicht bei allen Frauen mit rezidivierendem Herpes genitalis indiziert, muss aber erwogen werden, wenn die Frau zum Zeitpunkt der Entbindung das Virus ausscheidet. Serologische oder virologische Untersuchungen der Mutter vor dem Geburtstermin sind nicht hilfreich. Indikationen zur Schnittentbindung sind:
- Läsionen der Zervix oder des äußeren Genitales am Entbindungstermin
- Virusnachweis durch Abstrich der Genitalschleimhaut und PCR zum Geburtszeitpunkt
- HSV-Primärinfektion im letzten Trimenon
Frauen ohne bekannten Herpes genitalis wird dazu geraten, während des 3. Trimenons auf den vaginalen Geschlechtsverkehr zu verzichten, wenn bei ihrem Partner ein Herpes genitalis bekannt ist. Frauen mit primärem Herpes genitalis in der Spätschwangerschaft erhalten ab der 36. SSW Aciclovir (3 x 400 mg/d) oder Valaciclovir (2 x 500-1.000 mg/d) für 7-10 Tage. Anschließend wird häufig eine vaginale Geburt durchgeführt. Virostatika können entsprechend die Häufigkeit einer Schnittentbindung reduzieren. Ob sie auch das Übertragungsrisiko auf das Neugeborene vermindern, ist jedoch umstritten.