Carmustin
Synonyme: BCNU, 1,3-bis-(2-chlorethyl)-l-nitroso-urea (IUPAC)
Englisch: carmustine
Definition
Carmustin ist ein Nitrosoharnstoffderivat, das als alkylierendes Zytostatikum bei der antineoplastischen Therapie von verschiedenen malignen Tumoren eingesetzt wird.
Chemie
Die Summenformel von Carmustin lautet C5H9Cl2N3O2.
Der Schmelzpunkt der bei Raumtemperatur als hellgelbes Pulver vorliegenden Substanz beträgt 31°C. Carmustin ist lipophil und gut löslich in Ethanol. In wässriger Lösung ist der Stoff instabil und zerfällt in reaktive Zwischenprodukte.
Wirkmechanismus
Die reaktiven Zwischenprodukte des Carmustins weisen alkylierende Eigenschaften auf. Alkylantien haben insbesondere auf schnell wachsende Zellen einen zytotoxischen Effekt, indem sie Quervernetzungen zwischen den DNA-Strängen herstellen. Dadurch werden die Replikation und Transkription gestört.
Carmustin wird zudem eine carbamoylierende Aktivität zugeschrieben. Es ist bislang (2023) nicht abschließend geklärt, ob diese ebenfalls primär für die antineoplastische Aktivität oder v.a. für die Toxizität der Substanz ursächlich ist.
Indikationen
Der Wirkstoff wird allein oder im Rahmen von Kombinationstherapien zur Behandlung der folgenden Krebsarten bei Erwachsenen eingesetzt:
- Hirntumoren, darunter Glioblastom, Hirnstammgliom, Medulloblastom, Astrozytom, Ependymom und Hirnmetastasen
- Multiples Myelom (in Kombination mit Glukokortikoiden)
- Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin-Lymphome in der Zweittherapie (z.B. im Rahmen der Konditionierungstherapie vor einer autologen Stammzelltransplantation)
- fortgeschrittene gastrointestinale Tumore nach Versagen anderer antitumoraler Arzneimittel
Darreichungsformen
Carmustin liegt als Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung vor und wird parenteral verabreicht.
Carmustin wird außerdem zur lokalen Chemotherapie in Form von intrakraniellen Implantaten (Carmustin-Wafer) zur Behandlung von Glioblastomen eingesetzt.
Dosierung
Für die intravenöse Applikation wird initial eine Dosierung von 150 bis 200 mg/m2 Körperoberfläche in einem Intervall von 6 Wochen empfohlen. Die Gabe erfolgt entweder als Einzeldosis oder aufgeteilt an zwei aufeinanderfolgenden Tagen (2 x 75 bis 100 mg/m2).
In bestimmten Fällen – z.B. bei Kombination mit anderen myelosuppressiven Substanzen oder bei erschöpfter Knochenmarkreserve des Patienten – muss individuell eine Dosisanpassung erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Carmustin ist stark zytotoxisch und verfügt daher über ausgeprägte Nebenwirkungen. Dazu zählen beispielsweise:
- Myelosuppression mit Anämie, Leukozytopenie und Thrombozytopenie
- Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Diarrhoe
- Augentoxizität mit Bindehautrötung und retinalen Blutungen
- Ataxie, Schwindel, Kopfschmerzen
- Pulmotoxizität (Lungenfibrose, Pneumonitis)
- Venenentzündung
- reversible Hepatotoxizität
- Hypotonie (aufgrund des Alkoholgehalts des Lösungsmittels)
Wechselwirkungen
Es kann zu Interaktionen mit den folgenden Arzneimitteln kommen:
- Antiepileptika wie Phenytoin und Dexamethason sind ggf. in ihrer Aktivität gemindert.
- Cimetidin hemmt den Stoffwechsel von Carmustin, daher führt die gleichzeitige Anwendung zu einer verzögerten und verstärkten toxischen Wirkung.
- Die Resorption von Digoxin ist bei gleichzeitiger Anwendung vermindert, sodass dessen Wirkung verzögert und vermindert ist.
- Eine gleichzeitige Anwendung mit Melphalan führt zu einem erhöhten Risiko für pulmonale Toxizität.
Kontraindikationen
Eine Anwendung von Carmustin ist in den folgenden Fällen kontraindiziert:
- Überempfindlichkeit
- Schwere Myelosuppression
- Schwere Nierenfunktionsstörung
Bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden darf der Wirkstoff nicht angewendet werden.
Literatur
- Gelbe Liste: Carmustin abgerufen am 18.01.2023
- PubChem: Carmustine abgerufen am 18.01.2023
- Fachinformation Carmustin-ratiopharm 100 mg, abgerufen am 18.01.2023
- Fachinformation Carmustin Obvius 100 mg, abgerufen am 18.01.2023