Arachnoiditis
Synonyme: adhäsive Arachnoiditis, chronische Arachnoiditis, Arachnoiditis spinalis, Arachnoiditis ossificans, Arachnopathie, Post-Arachnoiditis-Arachnopathie
Englisch: arachnoiditis, chronic spinal meningitis, meningitis serosa circumscripta spinalis
Definition
Arachnoiditis, kurz ARC, bezeichnet eine chronische Entzündung der Arachnoidea mater sowie des Subarachnoidalraumes, die oft zu Adhäsionen und Verwachsungen der Nervenwurzeln führt.
Terminologie
Die Arachnoiditis ist in der Regel im Spinalkanal lokalisiert. Intrakranielle Arachnoiditiden sind selten. Mit Arachnoiditis ist in der Regel die chronische Entzündung gemeint, während akute Verläufe allgemein als akute Leptomeningitis bezeichnet werden.
Epidemiologie
Obwohl die Arachnoiditis als seltene Erkrankung gilt, lassen sich keine genauen Angaben bezüglich der Prävalenz machen. Das ist dadurch begründet, dass wenige Berichte über die Krankheit in der Literatur zu finden sind, die subklinischen Fälle wahrscheinlich undiagnostiziert bleiben und es keine einheitliche Namensgebung für die Erkrankung gibt.
Ätiopathogenese
Grundsätzlich führt jede Verletzung oder Reizung der Leptomeningen (z.B. durch Kontrastmittel oder intrathekale Medikamentengabe) zu einer lokalen Entzündungsreaktion. Auch eigentlich extradurale Prozesse wie z.B. eine Bandscheibenherniation können eine begleitende Entzündungsreaktion der Arachnoidea auslösen. Eine übermäßige Bildung von Narbengewebe wird aber normalerweise durch die Fibrinolyse begrenzt. Je häufiger und schwerer die Affektion des Subarachnoidalraums ist, desto höher ist das Risiko, dass die Fibrinolyse unvollständig bleibt und Fibrinauflagerungen auf Nervenwurzeln oder Leptomeningen zu Verklebungen führen. Dabei scheinen individuelle Faktoren eine Rolle zu spielen.
Die Ursachen der Arachnoiditis können somit mechanisch, chemisch oder infektiös sein. Hiervon sind die häufigsten:
- Wirbelsäulenoperationen (60 %): erhöhtes Risiko bei multiplen Eingriffen, Duraverletzung oder Sekundärinfektion. 1-Jahres-Prävalenz nach extradualer Operation ca. 4,6 %. Die Arachnoiditis ist mit 15 bis 20 % eine häufige Ursache für chronische Beschwerden nach einer Wirbelsäulenoperation (»failed back surgery«).
- intrathekale Injektion von Kontrastmitteln oder Medikamenten: insbesondere bei den nicht mehr verwendeten öligen Kontrastmitteln wie Lipiodol.
- Wirbelsäulenverletzungen
- häufige Lumbalpunktionen
- Meningitis
- spinale Subarachnoidalblutung
- selten nach epiduraler Injektion von Anästhetika oder anderen Medikamenten
- Spinalkanalstenose oder Durakompression durch Bandscheibenherniationen
Die Arachnoiditis kann lokal begrenzt sein (meist asymptomatisch) oder generalisiert und manchmal auch chronisch-progredient verlaufen. Selten kommt es an den Verklebungen zu Verkalkungen (Arachnoiditis ossificans). Durch die Adhäsionen kann es zu Rückflussstörung des Liquor cerebrospinalis kommen, wodurch der intrathekale Druck ansteigt.
Klinik
Die Symptomatik der Arachnoiditis ist sehr variabel. Sie kann asymptomatisch verlaufen. Möglich sind chronische Lumbalgien, pseudoradikuläre oder radikuläre Beschwerden. Die Symptomatik kann einer Spinalkanalstenose oder einer Polyneuropathie ähneln. In schweren Fällen kommt es zu Paraparese oder Blasen- und Mastdarmstörungen.
Seltene Symptome der Arachnoiditis sind:
- Chronisch-neurogene Schmerzen
- Tinnitus
- Hyporeflexie
- gestörte Thermozeption und Propriozeption
- Dysästhesien
- Muskelschwäche
- Allodynie
- Hyperpathie
Durch den Anstieg des intrathekalen Drucks kann es außerdem zu lageabhängigen Kopfschmerzen und Rückenschmerzen kommen. Auch eine Syringohydromyelie, das Cauda-Equina-Syndrom, Pseudomeningozelen und intrathekale Zysten (z.B. Tarlov-Zysten) haben einen negativen Einfluss auf den Verlauf einer Arachnoiditis.
Lokalisation
Die Arachnoiditis betrifft am häufigsten die Lendenwirbelsäule um die Kaudafasern.
Diagnostik
Die Diagnose einer Arachnoiditis erfolgt anhand der Anamnese (zurückliegender Eingriff) und des klinischen Bildes. Weiterhin werden bildgebende Verfahren eingesetzt.
Radiologie
Myelographie
In der Myelographie oder im Post-Myelographie-CT zeigt sich eine fehlende Füllung von Wurzeltaschen, eine irreguläre Darstellung des Dursalsacks oder ein "leerer" Duralsack, da die Nervenwurzeln an der Innenseite des Sacks verklebt sind.
Computertomographie
Die Computertomographie (CT) weist nur eine geringe Sensitivität bei der Arachnoiditis auf. In einigen Fällen zeigen sich intraspinale Zysten und Septierungen, selten Verkalkungen an den Nervenwurzeln.
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist die Methode der Wahl. In T2w-Sequenzen zeigen sich folgende Befunde:
- verdickter Duralsack
- Septierungen im Subarachnoidalraum
- Verklebung der Nervenwurzeln:
- Typ I: Nervenwurzeln verklumpt und verformt
- Typ II: Nervenwurzeln an Innenseite des Duralsacks angeheftet (Bild des "leeren Duralsacks").
- Typ III: Nervenwurzeln und Duralsack zu einer einzigen Masse zentral im Spinalkanal verklebt
- selten: gekammerte Zysten im Subarachnoidalraum, sekundäre Syringohydromyelie
Selten finden sich fokale oder lineare Verkalkungen, die meist T1w- und T2w-hypointens sind. Findet sich Fettmark in den Verkalkungen, ist das T1w- und T2w-Signal hoch. Nach Gabe von Kontrastmittel zeigen die Nervenwurzeln manchmal ein geringes Enhancement, das nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert. Die Kontrastmittelgabe ist daher optional.
Differentialdiagnostik
Typische Differentialdiagnosen sind:
- Meningeosis carcinomatosa: Bekannter Primärtumor. Kann auch zu Verklebungen von Nervenwurzeln führen. Stärkeres, meist lineares und noduläres Enhancement.
- Hämatogene Metastasen (z.B. Mammakarzinom, Lymphom)
- Direkte Aussaat von primären ZNS-Tumoren (z.B. Glioblastom, Medulloblastom, Ependymom, Plexuskarzinom)
- intraspinale Abszesse und Hämatome
- Postlaminektomiesyndrom
Therapie
Zur Behandlung der Entzündungsreaktion kann – bevorzugt in frühen Stadien der Erkrankung – hochdosiertes Methylprednisolon verwendet werden. Im Falle einer adhäsiven Arachnoiditis existiert keine kausale Therapie. Eine Linderung der neuropathischen Schmerzen wird meist durch die multimodale Behandlung mit Analgetika (NSAR, Opioide), Antidepressiva und Antikonvulsiva erreicht. Zudem ist regelmäßige moderate Bewegung sowie Physiotherapie empfehlenswert, um Adhäsionen vorzubeugen.
Prognose
Die Arachnoiditis ist nicht heilbar und durch eine stetige Symptomatik gekennzeichnet. Operation und Injektionen an der Wirbelsäule können zu einer weiteren Verschlechterung führen.
Quellen
- Orpha.net, Arachnoiditis, abgerufen am 06.01.23
- Peng und Conermann StatPearls, Arachnoiditis, abgerufen am 06.01.23
- Breitenseher, Der MR-Trainer Wirbelsäule, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Thieme, 2018