Adrenoleukodystrophie
Synonyme: X-chromosomale Adrenoleukodystrophie, X-ALD, Addison-Schilder-Syndrom
Englisch: adrenoleukodystrophy, ALD
Definition
Bei der Adrenoleukodystrophie, kurz ALD, handelt es sich um eine peroxisomale Stoffwechselerkrankung. Sie führt vor allem zu neurologischen und endokrinologischen Symptomen.
Epidemiologie
Die Erkrankung tritt mit einer Häufigkeit von 1 zu 20.000 bis 1 zu 50.000 auf.
Ätiopathogenese
Die Adrenoleukodystrophie wird X-chromosomal-rezessiv vererbt und beruht auf einem gestörten Abbau überlangkettiger Fettsäuren. Männliche Hemizygote zeigen eine vollständige Penetranz.
Die Betroffenen weisen Mutationen in dem ABCD1-Gen auf, das auf dem X-Chromosom an Genlokus Xq28 lokalisiert ist. Das Gen kodiert für das Transportprotein ALDP, das in der Membran der Peroxisomen lokalisiert ist. Es ist dafür verantwortlich, Fettsäuren mit sehr langer Kohlenwasserstoffkette in die Peroxisomen zu transportieren, wo sie anschließend abgebaut werden. Ist dieser Transport gestört, akkumulieren die überlangkettigen Fettsäuren, destabilisieren die Myelinschicht und setzen so die axonale Funktionsfähigkeit herab.
Einteilung
Man unterscheidet verschiedene Phänotypen der Adrenoleukodystrophie:
- X-chromosomal zerebrale Adrenoleukodystrophie (X-CALD)
- kindliche Form
- jugendliche Form
- erwachsene Form
- Adrenomyeloneuropathie (AMN)
- mit zerebraler Beteiligung
- ohne zerebrale Beteiligung
- Addison-only (Nebennierenrindeninsuffizienz ohne neurologische Symptome)
- Asymptomatische Verläufe
- Formen der ALD bei Heterozygoten (Frauen):
- Asymptomatische ALD
- Milde Myelopathie
- Mäßige bis schwere Myeloneuropathie
- Zerebrale Beteiligung (in Einzelfällen)
- Nebennierenrindeninsuffizienz (sehr selten)
Klinik
Die Symptome können von schnell progredienten, lebenszeitreduzierenden Formen, die im Kindesalter beginnen, bis hin zu milderen adulten Formen variieren. Aufgrund der großen Varianz sind Vorhersagen über den Verlauf der Erkrankung nicht möglich.
Im Allgemeinen findet man bedingt durch die entzündliche Demyelinisierungen vor allem neurologische Symptome (z.B. Ataxie, Paresen, Krampfanfälle, kognitive Störungen, Seh-, Hör- und Sprachstörungen). Etwa 70 % der männlichen Betroffenen entwickeln im Laufe der Zeit eine Nebennierenrindeninsuffizienz. Diese äußert sich zum Beispiel durch Müdigkeit, Übelkeit, Gewichtsverlust, Hypotonie und Hypoglykämie mit Hyperpigmentierung. Auch eine akute Nebenniereninsuffizienz kann auftreten.
Bei den X-CALDs, also mit zerebraler Beteiligung, handelt es sich um die schwersten Verlaufsformen der Adrenoleukodystrophien. Bei der kindlichen Form kommt es im Alter von 4 bis etwa 8 Jahren zu ersten Symptomen. Beginnend findet man mäßige kognitive Defizite sowie Hör- und Sehstörungen. Innerhalb weniger Jahre findet ein dementiver Abbau mit letalem Verlauf statt. Die jugendliche Form beginnt im Alter zwischen 11 und 21 Jahren und verläuft meist ähnlich. Die erwachsene Form ist eher selten und wird oft fälschlicherweise für eine psychiatrische Störung wie Schizophrenie gehalten.
Die adulte Adrenomyeloneuropathie äußert sich durch das Vorhandensein spinaler Symptome, z.B. einer spastischen Paraparese, distal symmetrischen Sensibilitätsstörungen und Blasenstörungen. Bei männlichen Patienten kann eine periphere Nebenniereninsuffizienz hinzukommen. Die Symptomatik ist langsam progredient. Meist kommt im Verlauf eine zerebrale Beteiligung dazu.
Heterozygote Frauen können asymptomatisch sein aber auch Symptome entwickeln, die allerdings milder als bei männlichen Betroffenen ausfallen.
Eine Sonderform ist die neonatale ALD. Sie imponiert durch eine Muskelhypotonie und eine psychomotorische Entwicklungsstörung. Weiterhin werden eine Nebennierenrindeninsuffizienz, eine Retinitis pigmentosa und eine Schwerhörigkeit beobachtet. Sie betrifft sowohl Mädchen als auch Jungen und folgt einem autosomal-rezessiven Vererbungsmuster.
Diagnostik
Im Magnetresonanztomogramm des Schädels sieht man atrophische und demyelinisierte Hirnareale. Im Blutplasma und in den Fibroblasten lassen sich überlangkettige Fettsäuren nachweisen. Der Nachweis ist pathognomonisch.
Therapie
Möglicherweise führt die Aufnahme von ungesättigten Fettsäuren zur Besserung der Symptome. In sehr frühen Stadien kann eine hämatopoetische Stammzelltransplantation erfolgreich sein.
Zur Zeit (2023) wird in klinischen Studien geprüft, ob der experimentelle Arzneistoff Leriglitazon ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann.[1] Dabei handelt es sich um einen PPAR-γ-Agonisten.
Die Nebennierenrindeninsuffizienz wird mit Glukokortikoiden behandelt.
Prognose
Die Prognose ist variabel und nicht vorherzusehen. Sie ist bei Formen mit zerebraler Beteiligung generell schlechter. Eine X-CALD führt in der Regel innerhalb weniger Jahre zum Tod. Die AMN hingegen verläuft meist unkompliziert und schränkt die Lebenserwartung nicht ein.
Quellen
- ALD info, aufgerufen am 01.06.2023
- Hufschmidt et al., Neurologie compact, Thieme Verlag, 8. Auflage. 2020
- Myelin Projekt – Neonatale ALD, aufgerufen ab 01.06.2023