Carbamazepin
Handelsnamen: Tegretal®, Timonil®, Sirtal® u.a.
Englisch: carbamazepine
Definition
Carbamazepin, kurz CBZ, ist ein Arzneimittel aus der Klasse der Antikonvulsiva, das vor allem in der Behandlung von Epilepsien und der Trigeminusneuralgie eingesetzt wird.
Chemie
Carbamazepin ist eine trizyklisches Dibenzazepin-Derivat. Die Summenformel ist C15H12N2O. Der chemische Name ist:
- Benzo[b][1]benzazepin-11-carboxamid (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 236,27 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 2,1. Die CAS-Nummer lautet 298-46-4. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als als weißes, kristallines Pulver vor, das in Wasser sehr schwer löslich ist.
Wirkmechanismus
Die Wirkung von Carbamazepin beruht auf der Hemmung von spannungsabhängigen Natriumkanälen der Nervenzellen. Carbamazepin stabilisiert die Natriumkanäle im inaktiven Zustand und verringert so die Erregbarkeit der Nervenzelle. Zudem vermutet man eine Verstärkung von Auswärtsströmen an spannungsabhängigen Kaliumkanälen sowie eine Inhibition der Glutamatfreisetzung.
Pharmakokinetik
Carbamazepin wird nach oraler Verabreichung relativ langsam und fast vollständig resorbiert. Die Resorptionshalbwertszeit liegt durchschnittlich bei 8,5 h und zeigt große intra- und interindividuelle Unterschiede (ca. 1,72 bis 12 h). Die maximale Plasmakonzentration wird nach etwa 4 bis 16 h erzielt, bei Verabreichung einer Suspension schneller als z.B. bei Gabe von Tabletten oder Retardtabletten.
Der Steady state wird nach 2 bis 8 Tagen erreicht. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt 10 bis 25 Stunden. Die Plasmaproteinbindung von Carbamazepin liegt zwischen 70 und 80 %.
Indikationen
Carbamazepin wird unter anderem bei folgenden Erkrankungen eingesetzt:
- Epilepsien:
- Einfache partielle Anfälle (fokale Anfälle)
- Komplexe partielle Anfälle (psychomotorische Anfälle)
- Sekundär generalisierte epileptische Anfälle
- Familiäre nächtliche Frontallappenepilepsie
- gemischte Epilepsieformen
- Trigeminusneuralgie
- Genuine Glossopharyngeus-Neuralgie
- Schmerzhafte diabetische Neuropathie
- Nicht-epileptische Anfälle bei Multipler Sklerose
- Prophylaxe manisch-depressiver Phasen, wenn eine Lithium-Gabe nicht in Frage kommt
- Anfallsverhütung bei Alkoholentzugssyndrom (unter stationären Bedingungen)
Dosierung
Die Behandlung mit Carbamazepin wird einschleichend, mit einer niedrigen Initialdosis, je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes, individuell begonnen, danach wird die Dosis langsam bis zur wirksamen Erhaltungsdosis erhöht.
Die Tagesdosis wird in der Regel in 1 bis 2 Einzelgaben verabreicht. Der allgemeine Tagesdosisbereich liegt zwischen 400 und 1.200 mg Carbamazepin. Eine Gesamttagesdosis von 1.600 mg Carbamazepin sollte in der Regel nicht überschritten werden, da bei höherer Dosierung vermehrt Nebenwirkungen auftreten. Bei Erwachsenen kann teils eine höhere Tagesdosis erforderlich sein.
Die Festlegung der therapeutischen Dosis sollte, insbesondere bei Kombinationstherapie, über die Bestimmung der Plasmaspiegel und in Abhängigkeit von der Wirksamkeit erfolgen.
Eine Dosisreduktion ist bei Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei Leber- und Nierenleiden sowie bei älteren Patienten angezeigt.
Epilepsie
Folgendes allgemeines Dosierschema wird bei Erwachsenen zur Behandlung von epileptischen Anfallsleiden empfohlen:
- Anfangsdosis: 200 mg abends
- Dosissteigerung: Dosis alle 3 bis 5 Tage um 150–200 mg erhöhen, bis zur individuell maximal verträglichen und wirksamen Dosis.
- Erhaltungsdosis: 600 bis 1.200 mg/d, Verteilung auf 2 Einzelgaben bei Retard-Präparaten (z.B. morgens 200–600 mg, abends 400–600 mg) bzw. 3 Einzelgaben bei unretardierten Präparaten.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Als Nebenwirkungen einer Therapie mit Carbamazepin können unter anderem auftreten:
- Nervensystem
- Gastrointestinaltrakt
- Haut
- Allergische Hautreaktion mit und ohne Fieber
- Stevens-Johnson-Syndrom (SJS): Auftreten v.a. in den ersten Behandlungswochen
- Toxisch epidermale Nekrolyse (TEN): Auftreten v.a. in den ersten Behandlungswochen
- Blutbildveränderungen
- Leukopenie: meist nur leichtgradig
- Thrombozytopenie
- Eosinophilie
- Knochen- und Mineralstoffwechsel
- Antiepileptika-induzierte Osteopathie (nach Langzeittherapie)
- Hyponatriämie
- Veränderungen von Leberfunktionswerten
Das Allel HLA-A*3101 ist bei Personen mit europäischer Abstammung sowie bei Japanern mit einem erhöhten Risiko von Carbamazepin-induzierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Haut assoziiert.
Anmerkung: Die Häufigkeit von Nebenwirkungen lässt sich durch eine langsame Aufdosierung verringern.
Kontrollen
Es wird empfohlen, Blutbild, Serumnatrium und Leberwerte zunächst vor der Behandlung mit Carbamazepin, dann in wöchentlichen Abständen im ersten Monat der Behandlung, später in monatlichen Abständen zu kontrollieren. Nach einer 6-monatigen Behandlung reichen teilweise 2-4 Kontrollen im Jahr aus.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Carbamazepin oder einen der sonstigen Bestandteile sowie strukturell verwandte Medikamente (z.B. trizyklische Antidepressiva)
- Vorliegen einer Knochenmarkschädigung oder Knochenmarkdepression in der Vorgeschichte
- AV-Block
- Hepatische Porphyrie
- Gleichzeitige Behandlung mit einem Monoaminoxidasehemmer
- Gleichzeitige Behandlung mit Voriconazol
Wechselwirkungen
Carbamazepin beeinflusst das Cytochrom P450-System der Leber, insbesondere durch Induktion des Isoenzyms CYP3A4. Aus diesem Grund kann eine Therapie mit Carbamazepin zu zahlreichen Arzneimittelinteraktionen führen. Unter anderem kann die Plasmakonzentration von Substanzen, die über das Cytochrom-P-450-System abgebaut werden, verringert werden. Die Dosis dieser Substanzen ist folglich den klinischen Erfordernissen anzupassen.
Dies gilt beispielsweise für andere Antikonvulsiva, Benzodiazepine, typische und atypische Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, Tetrazykline, Antimykotika vom Azol-Typ, Kortikosteroide, Ciclosporin, Tacrolimus, blutgerinnungshemmende Arzneimittel (wie Warfarin, Phenprocoumon, Dicoumarol) und hormonale Kontrazeptiva.
Therapeutisches Drug Monitoring
Material
Für die Bestimmung des Carbamazepinspiegels werden 1 ml Serum benötigt. Die Blutentnahme sollte im Steady State (2 bis 8 Tage nach Therapiebeginn) und kurz vor der nächsten Einnahme erfolgen.[1][2]
Referenzbereich
Bewertung | Plasmaspiegel |
---|---|
Therapeutischer Bereich |
|
Toxischer Bereich | > 12 µg/ml - leicht bis moderat > 20 µg/ml - komatös-letal |
Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.
Quellen
- ↑ Brandt C et al. "Therapeutic drug monitoring" in Epileptologie und Psychiatrie. Nervenarzt. 2008
- ↑ Hefner G et al. Konsensus-Leitlinien für therapeutisches Drug-Monitoring in der Neuropsychopharmakologie: Update 2017.Psychopharmakotherapie 2018
Weblinks
- Drugs.com - Carbamazepine. Abgerufen am 20.06.2023
- Drugbank - Carbamazepine. Abgerufen am 20.06.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Carbamazepin. Abgerufen am 20.06.2023
- PharmaWiki - Carbamazepin. Abgerufen am 20.06.2023
- PubChem: 2554
- MeSH: 68002220