Aortendissektion
Synonym: Aneurysma dissecans aortae
Englisch: aortic dissection
Definition
Die Aortendissektion ist eine Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta, wobei Blut durch einen Riss oder ein penetrierendes Ulkus in der Intima in die mittlere Schicht der Aortenwand (Media) eindringt. Dort dehnt es sich in Längsrichtung aus und bildet ein zweites, blutgefülltes, "falsches" Lumen.
- ICD10-Code: I71.0-
Hintergrund
Die akute Aortendissektion (AAD) ist die häufigste Ursache eines akuten Aortensyndroms (AAS). Erweitert sich der Gefäßdurchmesser, spricht man auch von einem Aneurysma dissecans. In der Regel ist die thorakale Aorta betroffen.
Terminologie
Mit der Beschreibung von Varianten der Aortendissektion etabliert sich klinisch zunehmend der Begriff des akuten Aortensyndroms. Dazu zählen auch Intimaeinriss mit diskreter Aussackung, das penetrierende Aortenulkus (PAU) und das intramurale Hämatom der Aorta (IMH).
Einteilung
...nach Morphologie
- kommunizierend: das falsche Lumen kommuniziert mit dem wahren Lumen (klassische Aortendissektion)
- antegrade Ausdehnung
- retrograde Ausdehnung
- nicht-kommunizierend: kein oder kaum nachweisbares Entry und fehlendes Reentry (eigentlich intramurales Hämatom)
...nach zeitlichem Verlauf
Nach zeitlichem Verlauf wird die Aortendissektion willkürlich eingeteilt in:
- akut: innerhalb von 14 Tagen nach Auftreten der ersten Symptome
- subakut: 14 Tage bis 3 Monate
- chronisch: über 3 Monate
Teilweise wird eine Aortendissektion bereits ab zwei Wochen als chronisch bezeichnet.
...nach DeBakey
Nach DeBakey werden drei Typen unterschieden:
- Typ I: Einriss der Intima im Bereich der Aorta ascendens, Ausbreitung nach distal unter Einbezug der Aorta descendens.
- Typ II: Einriss der Intima im Bereich der Aorta ascendens, Wiedereintritt der Wühlblutung in das Hauptlumen im Bereich der Aorta ascendens.
- Typ III: Einriss der Intima im Bereich der Aorta descendens, d.h. nach Abgang der linken Arteria subclavia.
...nach Stanford
Im klinischen Alltag hat sich die Stanford-Klassifikation zunehmend durchgesetzt. Sie unterteilt die Aortendissektionen nach der am weitesten proximalen Beteiligung unabhängig von der Lokalisation des Intimarisses:
- Typ A: jeder Abschnitt der Aorta proximal des Ursprungs der linken Arteria subclavia
- Typ B: distal des Ursprungs der linken Arteria subclavia
Europäische Konsensusdefinition
Unklar ist die Zuordnung von Dissektionen, die den Aortenbogen und nicht die Aorta ascendens betreffen. Die europäische Konsensusdefinition 2018 unterscheidet zwischen drei Typen:[1]
- Typ A: proximale Ausdehnung in die Aorta ascendens
- Non-A-non-B-Dissektion: retrograde Ausdehnung oder proximaler Riss im Aortenbogen zwischen Truncus brachiocephalicus und linker Arteria subclavia
- Typ B: proximale Ausdehnung in der Aorta descendens distal der linken Arteria subclavia
Amerikanische Konsensusdefinition
Die amerikanische Konsensusdefinition 2020 unterscheidet Stanford-A und -B je nach Lage des Intimarisses:[2]
- Typ A: Dissektion mit Riss in der Aorta ascendens einschließlich des Abschnitts mit dem Abgang des Truncus brachiocephalicus
- Typ B: Dissektionen mit proximalem Intimariss distal des Abgangs des Truncus brachiocephalicus
SVS-Modifikation
Gemäß der Society for Vascular Sugery (SVS) wird die Einteilung der amerikanischen Konsensusdefinition weiter spezifiziert, indem die distale und ggf. die proximale Ausdehnung als Indexzahl angegeben wird. Dabei werden die Aorta und ihre Aufzweigungen anhand der Ishimaru-Klassifikation in 12 Abschnitte unterteilt.[3]
- Typ A: distale Ausdehnung (0 bis 12)
- Typ B: proximale Ausdehnung (0 bis 12) und distale Ausdehnung (0 bis 12)
- Typ I: Entry nicht eindeutig identifizierbar, distale Ausdehnung (0 bis 12)
Eine Aortendissektion Typ B09 bezeichnet somit eine Dissektion mit Entry distal des Abgangs des Truncus brachiocephalicus mit proximaler Ausdehnung in die Aorta ascendens und distaler Ausdehnung bis in die infrarenale Aorta.
...nach DISSECT
Ein weiteres Klassifizierungssystem mit dem Akronym DISSECT basiert auf:[4]
- duration (Dauer)
- intimal tear (Intimariss)
- size of the dissected aorta (Größe der dissezierten Aorta)
- segmental extent of involvement (segmentales Ausmaß der Beteiligung)
- clinical complications (klinische Komplikationen)
- thrombosis of the false lumen (Thrombose des falschen Lumens)
...nach TEM
Die TEM-Klassifikation beschreibt Aortendissektionen nach folgendem Schema:[5]
- Typ: A, B, Non-A-Non-B
- Entry: Zone 0 bis 3 nach Ishimaru
- Malperfusion:
- M0: keine Malperfusion
- M1: koronare Malperfusion
- M2: supraaortale Malperfusion
- M3: spinale, viszerale oder iliakale Malperfusion
- (-) keine Symptome
- (+) Symptome
Epidemiologie
75 % der Aortendissektionen betreffen Patienten zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr mit dem Gipfel zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr. Männer sind dreimal häufiger betroffen.
Ätiopathogenese
Die meisten Dissektionen entstehen bei älteren Patienten mit langjähriger arterieller Hypertonie. In wenigen Fällen liegt eine hereditäre Bindegewebserkrankung (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom, Loeys-Dietz-Syndrom) als Ursache vor. Die pathogenetische Grundlage der Aortendissektion ist sowohl beim Bluthochdruck als auch bei den hereditären Bindegewebserkrankungen die Mediadegeneration.
Weitere Ursachen sind:
- Atherosklerose: neben der Mediadegeneration kann ein penetrierender Ulkus vorliegen
- Vaskulitis: inflammatorische Veränderungen der Gefäßwand
- bikuspide Aortenklappe
- Aortenisthmusstenose
- Turner-Syndrom
- Schwangerschaft: unklare Pathogenese
- iatrogen: vorherige Interventionen des Herzens oder der Aorta, intraaortale Ballonpumpe
- Ciprofloxacin und möglicherweise weitere Fluorchinolone: scheinen den Verlust der Integrität der Extrazellularmatrix zu fördern
- Sprung aus großer Höhe mit Riss des Ligamentum arteriosum
Pathophysiologie
Durch eine als "entry" bezeichnete Öffnung der Intima wird Blut zwischen Intima und Adventitia gespült, wo es sich in Längsrichtung des Gefäßes in der Media weiter ausdehnt und ein falsches Lumen schafft. Die Ausdehnung der Dissektion hängt einerseits vom Blutdruck und andererseits von der Widerstandsfähigkeit der Media ab. Sie kann von wenigen Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern betragen. Im Extremfall ist die gesamte Länge der Aorta betroffen, wobei die direkt abzweigenden Arterien einbezogen sein können. Aufgrund des reduzierten distalen Abflusses weist das falsche Lumen einen höheren, weniger pulsierenden Druck auf. Durch die Kompression ist das echte Lumen häufig kleiner als das falsche.
5 bis 10 % der Aortendissektionen entstehen ohne Intimariss. In diesem Fall scheint eine Ruptur der Vasa vasorum ursächlich zu sein, wobei ein intramurales Hämatom entsteht. Als Entry kann weiterhin ein PAU dienen.
Komplikationen sind:
- Dissektion und Okklusion von Gefäßästen:
- Ischämie von abdominellen Organen wie Niere, Darm, Milz: am häufigsten ist die linke Niere betroffen
- Ischämien der Extremitäten
- Ischämischer Schlaganfall
- Spinale Ischämie
- Distale Thrombembolien: z.B. embolischer Schlaganfall
- Aneurysmatische Dilatation (Aneurysma dissecans)
- Aortenruptur
Bei Stanford-A-Dissektionen sind weitere Komplikationen möglich:
- Okklusion der Koronararterien: insbesondere der rechten Koronararterie (RCA)
- Aortenklappeninsuffizienz
- Perikardruptur mit Hämoperikard und Perikardtamponade
Bei Stanford-B-Dissektionen kann das falsche Lumen sich auflösen, teilweise oder vollständig thrombosieren, stabil bleiben oder in kaudokranialer Richtung fortschreiten.
Klinik
Die akute Aortendissektion wird bei Einriss der Intima symptomatisch. Typisch sind plötzlich auftretende, reißende Brustschmerzen. Schmerzen im vorderen Brustkorb, Hals oder Kiefer weisen auf eine Beteiligung der Aorta ascendens hin, während Schmerzen im Rücken und im Bauch eine Beteiligung der Aorta descendens vermuten lassen.
Die meisten Patienten sind hypertensiv. Bei Beteiligung der Aortenwurzel oder Aorta ascendens kann es auch zu Hypotonie, Tachykardie, Herzinsuffizienz und Schock kommen. Je nach Lokalisation der Aortendissektion kann bei der klinischen Untersuchung eine Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen von > 20 mmHg auffallen.
Durch ein Beteiligung der Gefäßabgänge kann in der Folge eine Ischämie betroffener Gebiete auftreten. In bis zu 20 % der Fälle finden sich neurologische Ausfälle. Möglich sind unter anderem:
- Schlaganfall (Abscherung der Arteria carotis communis)
- Anurie und akutes Nierenversagen (Abscherung der Arteria renalis)
- Querschnittslähmung (Abscherung der Arteria radicularis magna)
- Ischämie der Extremitäten
Bei proximalen Formen mit Beteiligung der Aortenklappe kann eine Aortenklappeninsuffizienz vorkommen. Dabei fällt ggf. ein neu auftretendes Diastolikum auf. Des Weiteren können die Koronararterien betroffen sein. Dies zeigt sich unter anderem durch EKG-Veränderungen ähnlich wie bei einem STEMI.
In einigen Fällen führt die Aortendissektion zu einer Aortenruptur, die oft tödlich endet. Reicht die Ruptur in den Perikardraum, kommt es zu einem Hämatoperikard bis hin zur Perikardtamponade. Dies setzt einen Einbezug der Aorta ascendens bis maximal zur Höhe des Truncus brachiocephalicus voraus. Unbehandelt resultiert die akute Aortendissektion in etwa der Hälfte der Fälle im Tod binnen 48 Stunden.
Eine chronische Aortendissektion kann asymptomatisch sein, sodass eine abwartende Haltung unter Umständen gerechtfertigt ist.
Diagnostik
Risikostratifizierung
Der Aortic Dissection Detection Risk Score (ADD-RS) dient der Risikostratifizierung einer akuten Aortendissektion.[6] Zusammen mit negativen D-Dimeren kann der ADD-RS helfen, unnötige Untersuchungen zu vermeiden.[7] Als möglicher biochemischer Marker eignen sich erhöhte Blutwerte von MYH11.[8]
Bildgebung
Die Aortendissektion wird durch bildgebende Verfahren diagnostiziert. Die Computertomographie (CT) mit CT-Angiographie (CTA) ist die Methode der Wahl.
Computertomographie
Die CT mit CTA dient der Diagnose und Klassifikation einer Aortendissektion sowie der Feststellung von Komplikationen. Sie weist eine Sensitivität und Spezifität von nahezu 100 % auf. Da sich eine thorakale Aortendissektion distal in die Aorta abdominalis und in die Beckenarterien ausdehnen kann, wird in der Regel nicht nur der Thorax, sondern auch das Abdomen und die Beckenregion erfasst. Weiterhin ist meist ein Mehrphasen-CT indiziert, idealerweise mit EKG-getriggertem kardialem Gating zur Eliminierung von Pulsationsartefakten (siehe: akutes Aortensyndrom).
In der nativen CT sind häufig ein akuter intramuraler oder periaortaler Thrombus mit hoher Dichte sowie nach intraluminal verlagerte atherosklerotische Intima-Verkalkungen erkennbar. Befunde in der CTA sind:
- Intimaflap (eigentlich "intimomedialer Flap")
- Doppeltes Lumen
- Dilatation der Aorta durch Aorteninsuffizienz
- Mercedes-Benz-Zeichen: drei Intimaflaps mit zwei falschen Lumina (dreiflügelige Aortendissektion). Ursächlich ist vermutlich eine sekundäre Dissektion in der Wand des falschen Lumens.
- Windsack-Zeichen bei Typ A ("windsock sign"): vollständige Dissektion der Intima mit zirkumferentiellem Intimaflap führt zu intimointimaler Intussuszeption zwischen echtem und falschem Lumen. Die wechselnde Kontrastierung zwischen den sich nach distal verjüngenden Dissektionslumina ähnelt einem Windsack.
- aortales intramurales Hämatom als Variante (siehe Abschnitt Terminologie)
Chronische Dissektionsmembranen sind meist dicker und gerader als bei akuten Dissektionen.
Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen wahrem und falschem Lumen. Hilfreich ist die Fortsetzung des wahren Lumens in eine normalen Arterie. Weitere Merkmale des echten Lumens sind:
- oft kleiner als das falsche Lumen (Ausnahme: seltene frühe Thrombose des falschen Lumens)
- Verkalkungen in der Außenwand
- oft angrenzend an die Aortenwurzel
- Truncus coeliacus, Arteria mesenterica superior (AMS) und die rechte Arteria renalis entspringen meist dem wahren Lumen
Das falsche Lumen ist oft größer und weist aufgrund der verzögerten Kontrastierung eine geringere Dichte auf. Typische Lokalisationen sind:
- rechts anterolateral der Aorta ascendens
- links posterolateral der Aorta descendens
Weitere Merkmale des falschen Lumens sind:
- Schnabel-Zeichen ("beak sign"): Im axialen Bild zeigt sich ein spitzer Winkel am Rand des falschen Lumens, gebildet von den Grenzen der äußeren Aortenwand und dem Intimalappen. Durch Thrombosierung kann der Winkel abstumpfen.
- Spinnweben-Zeichen ("cobweb sign"): das falsche Lumen durchquerende, dünne fadenförmige Füllungsdefekte aufgrund von residuellen Bänder der Media, die während des Dissektionsprozesses unvollständig abgeschert wurden.
- meist Ursprung der linken Nierenarterie
- umschließt das echte Lumen bei Stanford Typ A
- kann insbesondere bei chronischem Verlauf thrombosieren und nur als murale Dichteminderung erkennbar sein.
Bei Aortenruptur durch die Adventitia in das umgebende Mediastinum oder Abdomen zeigt sich ein Hämatom (40 bis 75 HU) neben der pathologischen Aortenläsion. Liegt eine Kontrastmittelextravasation in das Hämatom vor, ist eine sofortige Therapie notwendig. Weiterhin kann die Aorta in den Perikard- oder Pleuraraum rupturieren.
Der radiologische Befund sollte folgende Aspekte umfassen:
- proximale und distale Ausdehnung der Dissektion
- Lage des Intimarisses
- assoziierte andere Formen eines akuten Aortensyndroms
- Größe der Aorta (größte orthogonale Messung)
- Beteiligung der Aortenäste und Versorgung vom echten oder falschen Lumen
- Vorhandensein einer Thrombose im falschen Lumen
- Zeichen einer Organischämie oder eines Gefäßverschlusses
Konventionelles Röntgen
In 25 % der Fällen ist ein Röntgen-Thorax unauffällig. Suggestive, jedoch unspezifische Befunde sind:
- Mediastinalverbreiterung (> 8,0 bis 8,8 cm auf Höhe des Aortenknopfs in ap-Aufnahme)
- doppelte oder irregulär Kontur der Aorta
- Verkalkungen > 5 mm bis 1 cm vom Aortenrand entfernt ("ring sign")
- Zeichen eines periaortalen oder mediastinalen Hämatoms:
- Verschattung des Aortenknopfs (66 %)
- Veschattung des aortopulmonalen Fensters
- Mediastinalverlagerung: Trachea nach rechts, linker Hauptbronchus nach inferior
- Verbreiterung der paratrachealen Streifen
- Verschattung der linken Pleurakuppe ("apical cap")
Transösophageale Echokardiographie
Die transösophageale Echokardiographie (TEE) hat eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität für die Beurteilung einer akuten Aortendissektion, ist jedoch weitgehend durch die CTA ersetzt.
Magnetresonanztomographie
Die MRT mit MR-Angiographie (MRA) wird insbesondere für Verlaufskontrollen verwendet. In der Akutdiagnostik kommen insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion schnelle kontrastfreie Sequenzen (z.B. TrueFISP, FIESTA) zum Einsatz.
Digitale Subtraktionsangiographie
Die konventionelle digitale Subtraktionsangiographie (DSA) kommt vor endoluminalen Therapien zum Einsatz. Dabei muss das Risiko einer Katheterisierung des falschen Lumens und einer Aortenruptur berücksichtigt werden.
Prognostische Faktoren
Ein schlitzförmiger oder C-förmiger Kollaps des echten Lumens geht mit einer sehr schlechten Prognose aufgrund von konsekutiven Ischämien einher.
Folgende Faktoren sprechen für eine im Verlauf zunehmende Dilatation der Aorta:
- > 10 mm großer Intimariss in der Aorta descendens
- Aorta descendens > 35 mm
- falsches Lumen > 22 mm in der proximalen Aorta descendens
- falsches Lumen > 2/3 der gesamten Aorta descendens
- partiell thromobosiertes distales falsches Lumen
Volumetrische Veränderungen von 10 % sprechen für ein Remodeling. Prognostisch günstig ist eine > 10%ige Abnahme des falschen Lumens oder eine > 10%ige Zunahme des wahren Lumendurchmessers. Als ungünstiges Remodeling gelten umgekehrt eine Vergrößerung des falschen und eine Verkleinerung des echten Lumens. Ursächlich sind:[9]
- ahaltender Fluss des falschen Lumens
- nach Operation von Typ A: persistierender Intimariss im Aortenbogen, Leak der distalen Graft-Anastomose, Füllung über dissektierte Äste des Aortenbogens
- nach TEVAR: unvollständige Abdichtung der proximalen Landezone durch geschlängelte Aorta, Aortenbogenstumpf, supraaortaler Chimney-Graft
Differenzialdiagnosen
Klinisch ähnelt eine akute Aortendissektion einem akuten Koronarsyndrom (ACS) und einer Lungenarterienembolie (LAE). Auch eine Pneumonie sowie Morbus Bornholm müssen erwogen werden.
In der CT können bestimmte Entitäten eine Dissektion imitieren:
- Pseudodissektion durch Pulsationsartefakte, insbesondere im Bereich der linken anterioren und rechten posterioren Aorta ascendens
- Pseudodissektion durch Aufhärtungsartefakte durch das Kontrastmittel
- subsegmentale Atelektase: eine an die Aortenwand angrenzende Atelektase kann mit einem falschem Lumen verwechselt werden.
- intraluminaler bzw. muraler Thrombus bei Atherosklerose oder Aneurysma: an der luminalen Seite der verkalkten Intima
- intramurales Hämatom: Blutung innerhalb der Wand ohne Nachweis eines Intimarisses, eines Intimaflaps oder eines falschen Lumens.
- penetrierendes atherosklerotisches Ulkus: Perforation der Aortenwand im Bereich einer ulzerierten atherosklerotischen Plaque. Meist im Bereich der Aorta descendens. Kann zu einer Dissektion fortschreiten.
- minimale Aortenverletzung (MAI): im Rahmen eines Traumas
Therapie
Die medikamentöse Basistherapie umfasst die aggressive Blutdruckeinstellung mittels Betablocker sowie eine Schmerztherapie.
...bei Typ A
Bei akuten Aortendissektionen vom Typ A erfolgt eine notfallmäßige operative Therapie. Wenn nur die Aorta ascendens betroffen ist, kommen ein suprakoronarer Ersatz der Aorta ascendens, eine Intimaresektion sowie eine Reparatur bzw. ein Ersatz der Aortenklappe zum Einsatz. Bei Beteiligung des Aortenbogens werden ein antegrade TEVAR, ein Elephant-Trunk, ein Frozen-Elephant-Trunk oder ein Multibranched Arch Graft verwendet. Bei Dissektion der Klappensegel sowie bei Patienten mit Marfan-Syndrom und vorbestehendem Aneurysma der Aortenwurzel wird eine Bentall-Operation durchgeführt.
Eine chronische Aortendissektion vom Typ Stanford A kann unter Monitoring überwacht und nach einiger Zeit unter geplanten Bedingungen operiert werden. Eine TEVAR kann in folgenden Fällen erwogen werden:
- Aorta descendens > 5,5 cm
- Wachstum > 5 mm in 6 Monaten
- therapierefraktäre Schmerzen
- drohende Aortenruptur
...bei Typ B
Stanfort-B-Dissektionen können insbesondere bei fehlender hämodynamischer Symptomatik und chronischem Verlauf konservativ behandelt werden. Operationsindikationen sind:
- mesenteriale, renale oder Extremitäten-Ischämie
- Ruptur, aneurysmatische Vergrößerung des falschen Lumens oder > 6 cm messende Aorta descendens
- hämodynamische Instabilität, Pseudo-Koarktationssyndrom, distale Embolien
Perkutane Therapieoptionen bei komplizierten, nicht-operablen Typ-B-Dissektionen sind ein Aortenstentgraft sowie eine Fenestration des Intimaflaps. Indikationen sind:
- gestörte viszerale Perfusion
- erweiterter Aortenbogen oder proximale Aorta descendens (≥ 4,5 cm)
- drohende Ruptur
Prognose
21 % der Patienten mit akuter Aortendissektion sterben vor der Hospitalisierung. Ohne Behandlung versterben 33 % innerhalb von 24 Stunden und 50 % innerhalb von 48 Stunden. Die 1-Jahres-Überlebensrate von unbehandelten Patienten mit Typ-A-Dissektion beträgt < 10 %.
Die Mortalitätsrate bei Typ-A-Dissektion beträgt 60 % bei medikamentöser Therapie und 30 % bei chirurgischer Therapie. Bei Typ-B-Dissektion liegt die Mortalität bei 10 % (medikamentös) bzw. 30 % (chirurgisch).
Literatur
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- McMahon MA, Squirrel CA Multidetector CT of Aortic Dissection: A Pictorial Review, Radiographics. 2010;30(2):445-460
- Bortone AS et al. Endovascular treatment of thoracic aortic disease: four years of experience, Circulation. 2004;110(11 Suppl 1):II262-II267
- Batra P et al. Pitfalls in the diagnosis of thoracic aortic dissection at CT angiography, Radiographics. 2000;20(2):309-320
Quellen
- ↑ > Czerny M et al. Editor's Choice - Current Options and Recommendations for the Treatment of Thoracic Aortic Pathologies Involving the Aortic Arch: An Expert Consensus Document of the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) & the European Society for Vascular Surgery (ESVS), Eur J Vasc Endovasc Surg. 2019;57(2):165-198, abgerufen am 23.10.2022
- ↑ Lombardi JV et al. Society for Vascular Surgery (SVS) and Society of Thoracic Surgeons (STS) Reporting Standards for Type B Aortic Dissections, Ann Thorac Surg. 2020;109(3):959-981, abgerufen am 23.10.2022
- ↑ Lombardi JV et al. Society for Vascular Surgery (SVS) and Society of Thoracic Surgeons (STS) Reporting Standards for Type B Aortic Dissections. Ann Thorac Surg. 2020
- ↑ Dake MD et al. DISSECT: a new mnemonic-based approach to the categorization of aortic dissection, Eur J Vasc Endovasc Surg. 2013;46(2):175-190, abgerufen am 23.10.2022
- ↑ Sievers HH et al. Aortic dissection reconsidered: type, entry site, malperfusion classification adding clarity and enabling outcome prediction. Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2020
- ↑ Rogers AM et al. Sensitivity of the aortic dissection detection risk score, a novel guideline-based tool for identification of acute aortic dissection at initial presentation: results from the international registry of acute aortic dissection, Circulation. 2011;123(20):2213-2218
- ↑ Nazerian P et al. Diagnostic Accuracy of the Aortic Dissection Detection Risk Score Plus D-Dimer for Acute Aortic Syndromes: The ADvISED Prospective Multicenter Study, Circulation. 2018;137(3):250-258
- ↑ Suzuki T et al. Diagnostic implications of elevated levels of smooth-muscle myosin heavy-chain protein in acute aortic dissection. The smooth muscle myosin heavy chain study, Ann Intern Med. 2000;133(7):537-541, abgerufen am 23.10.2022
- ↑ Saremi F et al. Image Predictors of Treatment Outcome after Thoracic Aortic Dissection Repair, Radiographics. 2018;38(7):1949-1972, abgerufen am 23.10.2022
Peer-Review durch Bijan Fink |