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Syndrom reaktionsloser Wachheit

(Weitergeleitet von Wachkoma)

Synonyme: Wachkoma, apallisches Syndrom (AS), Coma vigile, persistierender vegetativer Status (PVS)
Englisch: vegetative state, persistent vegetative state, post-coma unresponsiveness, lucid stupor, unresponsive wakefulness syndrome (UWS)

1. Definition

Das Syndrom reaktionsloser Wachheit, kurz SRW, beschreibt eine neurologische Störung, die auf einer schweren Schädigung der Großhirnrinde beruht. Die betroffenen Patienten sind bewusstlos, zeigen jedoch im Gegensatz zum Koma eine intermittierende Öffnung der Augen.

2. Hintergrund

Eine schwere Bewusstseinsstörung nach akuter Hirnschädigung äußert sich typischerweise zunächst als Koma; einem Zustand, in dem die Patienten weder in der Lage sind, die Augen zu öffnen noch Kontakt aufzubauen, selbst auf stärksten Reiz.

Das Koma kann in einen Status übergehen, in dem die Augen des Patienten intermittierend geöffnet sind (Wachheit). Eine Kontaktfähigkeit bzw. Hinweise, die auf ein Bewusstsein hinweisen, sind jedoch auch hier nicht erkennbar. Ein solcher Zustand wird als Syndrom reaktionsloser Wachheit bezeichnet. Dieser Zustand geht bei gewissen Verhaltensweisen, die auf eine bewusste Wahrnehmung der Umwelt hindeuten, in die das Syndrom des minimalen Bewusstseins (SMB) über. Hier ist eine Blickfixation und das Befolgen einfacher Aufforderungen möglich.

3. Nomenklatur

Die Terminolgie für diesen Zustand befindet sich in einem ständigen Wandel. Zunächst wurde er als apallisches Syndrom (Kretschmer, 1940) bezeichnet, gefolgt von dem nach Calbet und Coll 1959 geprägten Begriff Coma Vigile. 1972 wurde daraufhin von Jennett und Plum die Bezeichnung persistierender vegetativer Zustand eingeführt. Im Jahr 2010 wurde schließlich der aktuell gebräuchliche Begriff Syndrom reaktionsloser Wachheit etabliert. Umgangssprachlich wird der Zustand auch Wachkoma genannt. Diese Bezeichnung ist jedoch widersprüchlich, da ein Koma den Ausfall von Bewusstsein und Wachheit impliziert.

4. Epidemiologie

In Deutschland wird die Zahl der Betroffenen auf 1.500 bis 5.000 geschätzt.

5. Ätiologie

Das Syndrom reaktionsloser Wachheit basiert auf einer schweren Hirnschädigung. Diese kann verschiedene Ursachen haben:

6. Pathophysiologie

Durch eine ausgeprägte strukturelle Schädigung und/oder durch indirekten Ausfall der Hirnrinde durch Schädigung der aktivierenden thalamokortikalen Bahnen (Teil des Aktivierungssystems der Formatio reticularis (ARAS)) kommt es zum Verlust des Bewusstseins.

Die Hirnstammfunktion ist beim SRW hingegen intakt, weshalb Kreislauf und Atemfunktion nicht beeinträchtigt sind. Die zeitweilige Wachheit bzw. Erweckbarkeit aus dem Schlaf und die Schlaf-Wach-Phasen können durch die weitestgehend erhaltene Funktion des ARAS des Hirnstamms erklärt werden.

Des Weiteren sind Patienten entgegen früherer Annahmen nicht komplett apallisch, weisen also keinen kompletten Ausfall der Hirnrinde auf. Mittels PET und fMRT konnte gezeigt werden, dass Anteile der motorischen und sensorischen Großhirnrinde aktiviert werden können.

7. Symptome

Der Patient weist einen vollständigen Verlust des Bewusstseins auf. Die Augen sind intermittierend geöffnet mit einem starren Blick im Wechsel mit Phasen geschlossener Augen und ruhiger Atmung. Der Patient hat einen erhaltenen, aber gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. Auf verbale Reize zeigt der Patient keine Reaktion, auf Schmerzreize kann er ggf. erwachen bzw. vegetative Reaktionen (Beschleunigung von Puls und Atmung) zeigen.

Der Patient ist weiterhin weder imstande, sprachliche Äußerungen zu tätigen, noch gezielt auf äußere visuelle, akustische, taktile Reize zu reagieren. Es sind jedoch kurze Augen- und Kopfbewegungen ohne Zielrichtung möglich. Arme und Beine sind in einer fixierten Beuge-Streck-Stellung. Der Muskeltonus ist erhöht. Darüber hinaus kann der Betroffene motorische Automatismen mit Kaubewegungen und Gähnen zeigen sowie ggf. Primitivreflexe. Hirnnervenfunktionen (Pupillenreaktion, Okulozephaler Reflex, Kornealreflex, VOR, Würgereflex) und spinale Reflexe sind in unterschiedlichem Ausmaß erhalten.

Die vegetative Funktion ist erhalten. Dabei können Phasen von Tachykardie, Hyperpnoe und vermehrten Schwitzen vorkommen. Der Patient zeigt eine Blasen- und Stuhlinkontinenz.

8. Diagnose

Folgende Zusatzuntersuchungen stehen zur Verfügung:

Die Diagnosenstellung erfolgt klinisch anhand der Zustände von Wachheit im Wechsel mit Schlaf bei fehlendem Bewusstsein. Hierbei sind zwingend wiederholte Untersuchungen unter gleichen Bedingungen erforderlich, z.B. mit Hilfe der revidierten Coma Recovery Scale (CRS-R). Klinische Zusatzuntersuchungen können darüber hinaus den Verdacht bekräftigen.

9. Differenzialdiagnosen

10. Therapie

Die Therapie umfasst die medikamentöse Therapie mit L-Dopa, Dopaminagonisten, Amantadin und Modafinil. Ein relevanter Effekt ist jedoch bisher (2023) noch nicht bewiesen. Darüber hinaus kommen rehabilitative Verfahren mit basaler Stimulation, Kontrakturprophylaxe und Haltungswechsel zum Einsatz.

11. Prognose

Die Chancen, dass sich ein Patient aus dem SRW erholt, wurde mit 12 Monaten nach einem traumatischen und 6 Monate nach einem nicht-traumatischen Hirnschaden als äußerst gering eingestuft. Entgegen einer zuvor gültigen Vorstellung konnte jedoch gezeigt werden, dass auch nach mehr als einem Jahr (12-24 Monate) noch signifikante Verbesserungen möglich sind. Die günstigste Prognose haben jüngere Patienten nach Schädel-Hirn-Trauma.

12. Literatur

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