Ventrikuläre Extrasystole (Hund)
Synonym: VES
Englisch: ventricular extrasystole
Definition
Als ventrikuläre Extrasystolen des Hundes, kurz VES, bezeichnet man häufig auftretende Herzrhythmusstörungen. Die Arrhythmie ist durch irreguläre und zwischen den Sinusrhythmus einfallende Kontraktionen der Ventrikel (Herzkammern) gekennzeichnet.
Physiologie
Vereinzelte ventrikuläre Extrasystolen kommen auch beim gesunden Hund vor. Hierbei gilt die Faustregel, dass bis zu 50 VES/Tag als physiologisch angesehen werden können und daher keinen Krankheitswert besitzen. Werden jedoch Extrasystolen detektiert, muss stets eine diagnostische Aufarbeitung durchgeführt werden, um eine Risikoabschätzung vornehmen zu können.
Vorkommen
Ventrikuläre Extrasystolen stellen die häufigsten Rhythmusstörungen beim Hund dar. Spezielle Dispositionen sind jedoch bislang (2022) nicht bekannt. Bei Hunden mit dilatativer Kardiomyopathie (DCM) treten in der okkulten Krankheitsphase jedoch häufig ventrikuläre Extrasystolen auf.
Beim Dalmatiner ist die Torsade-de-Pointes-Tachykardie als kongenitaler Defekt beschrieben.
Risikobewertung
Durch verschieden lokalisierte ektopische Erregungsbildung im Myokard kommt es zu polymorph erscheinenden und verbreiterten Komplexen, die wiederum einen erhöhten Risikofaktor darstellen. Gekoppelte Komplexe sind daher stets als pathologisch anzusehen.
In der Humanmedizin hat sich die Lown-Klassifikation zur Risikostratifizierung von ventrikulären Extrasystolen bewährt. Diese hierarchische Einteilung wird durch die Art und Häufigkeit der Extrasystolen bestimmt. Die Lown-Klassifizierung kann in der Tiermedizin jedoch nur als grober Richtwert angesehen werden, weshalb zur endgültigen Risikobeurteilung stets die Anamnese und die Klinik mit berücksichtigt werden muss.
Lown-Klasse | Befunde |
---|---|
Klasse 0 | keine Arrhythmie |
Klasse I | isolierte unifokale VES; < 1 VES/min; < 30 VES/h |
Klasse II | isolierte unifokale VES; > 30 VES/h |
Klasse IIIA | polytope VES |
Klasse IIIB | Bigeminus |
Klasse IVA | gekoppelte VES, Doublette |
Klasse IVB | Salven von VES; mehr als 3 hintereinander und VT |
Klasse V | R-auf-T-Phänomen |
Ätiologie
Ventrikuläre Extrasystolen können aufgrund unterschiedlicher Ursachen ausgelöst werden. Anhand der Lokalisation der Erkrankung unterscheidet man zwischen
- nicht-kardialen und
- kardialen Ursachen.
nicht-kardial | kardial |
---|---|
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Pathogenese
Als Auslöser für ventrikuläre Extrasystolen gelten vorzeitige Impulsbildungen in ektopen Schrittmacherzentren im Myokard. Die Weiterleitung des gebildeten elektrischen Impulses verläuft dann über die Arbeitsmuskulatur. Da dieser Vorgang eine langsame Depolarisation beinhaltet, entstehen breite und bizarr geformte Komplexe.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bereits während der Auskultation unter gleichzeitiger Palpationskontrolle im Rahmen der klinischen Untersuchung. Fehlende Pulswellen (Pulsdefizit) nach hörbaren Herztönen sind hinweisend für ventrikuläre Extrasystolen.
Die Diagnose wird dann mittels EKG bestätigt. Mithilfe des Langzeit-EKG kann die Gesamtzahl der Rhythmusstörungen über den Tag verteilt bestimmt werden.
Therapie
Ob eine Therapie notwendig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Vereinzelte und ungekoppelte VES benötigen in der Regel keine Behandlung, da sie hämodynamisch irrelevant sind. Kommt es jedoch zu Kopplungen, Multiformitäten oder einem R-auf-T-Phänomen, ist eine Therapie indiziert. Ventrikuläre Tachykardien sind Ausdruck einer schweren Herzerkrankung und müssen ebenfalls sofort behandelt werden.
Herzrhythmusstörungen werden in erster Linie mit Antiarrhythmika der Klasse I (Na-Kanal-Blocker) behandelt:
- Lidocain (2 mg/kgKG als Bolus i.v., bei Bedarf 3-malige Wiederholung im 10-15 minütigen Abstand, anschließend 25-80 µg/kgKG/min als DTI)
- Flecainid
- Mexiletin
- Propafenon
Zusätzlich können folgende Wirkstoffe aus der Gruppe der β-Blocker eingesetzt werden:
- β-Blocker der Klasse II: Atenolol, Metoprolol, Esmolol i.v.
- β-Blocker der Klasse III: Sotalol, Amiodaron
Parallel dazu ist initial immer Magnesium (10-30 mg/kgKG i.v.) zu verabreichen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Die Prognose hängt von der Ursache ab.
Literatur
- Kresken J-G, Wendt RT, Modler P. 2019. Praxis der Kardiologie Hund und Katze. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-242994-9
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