Tuberkulose (Geflügel)
Synonyme: Aviäre Tuberkulose, Vogeltuberkulose, Geflügeltuberkulose, Fallsucht
Englisch: avian tuberculosis
Definition
Die Tuberkulose des Geflügels ist eine chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die aufgrund zunehmender Freilandhaltung immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt.
Ätiologie
Mycobacterium avium ist ein Bakterium aus dem Mycobacterium-avium-Komplex (MAC), das der Familie Mycobacteriaceae untergeordnet wird. Von den 28 bekannten Serotypen werden 11 dem Mycobacterium avium zugeordnet.
Mykobakterien sind 1 bis 6 µm große, schlanke, grampositive, unbewegliche und säurefeste Stäbchenbakterien, die sich in Ketten anordnen. Sie sind äußerst widerstandsfähig, sodass die Infektiosität über mehrere Jahre erhalten bleibt. Im Erdboden bleiben die Bakterien bis zu 4 Jahre, in Tierkadavern hingegen bis zu 27 Monate überlebensfähig. Handelsübliche Desinfektionsmittel führen nicht zu einer effektiven Inaktivierung der Erreger.
Epidemiologie
Mykobakterien sind weltweit verbreitet, jedoch in der intensiven Nutzgeflügelhaltung fast bedeutungslos. Obwohl die Erkrankung in Rassegeflügelbeständen nur noch lokal auftritt, spielt sie bei Zier-, Zoo- und Wildvögeln eine sehr große Rolle. Durch die zunehmende Freilandhaltung werden aber in den letzten Jahren auch vermehrt Infektionen bei Nutzgeflügelbeständen beobachtet.
Obwohl die Gefügeltuberkulose bei allen Vogelarten vorkommt, hat die Erkrankung bei Hühnervögeln die größte Bedeutung. Fasane scheinen besonders empfänglich gegenüber einer Infektion zu sein.
Pathogenese
Vögel infizieren sich durch die orale Aufnahme der Bakterien. Als Infektionsquellen gelten die Ausscheidungen von latent infizierten Tieren, kontaminiertes Futter und kontaminierte Einstreu. Der Eintrag der Erreger in einen Bestand erfolgt hauptsächlich über latent infizierte Wildvögel (Sperling, Star, Taube) sowie die Einstallung latent infizierter Artgenossen. Vertikale Übertragungen via Bruteiern hingegen sind selten, da an generalisierter Tuberkulose erkrankte Tiere so gut wie keine Eier mehr legen.
Nachdem empfängliche Wirte die Erreger aufgenommen haben, kommt es initial zu einer Besiedlung des Darms mit anschließender Generalisierung. Die Bakterien befallen dabei vorrangig die Leber, die Milz, das Knochenmark und das Herz.
Klinik
Die Inkubationszeit beträgt mehrere Wochen bis Monate.
Die Klinik ist recht unspezifisch. Trotz uneingeschränktem Appetit magern die Tiere ab, sind apathisch und weisen ein struppiges Gefieder auf. Sie leiden an intermittierenden Lahmheiten, reduzierter Legeleistung und sich über längere Zeit entwickelnden Allgemeinstörungen. Die Haut im Kopfbereich erscheint vermehrt schuppig, ist eingefallen und bläulich verfärbt. Im finalen Krankheitsstadium entwickelt sich ein Ikterus, wobei auch plötzliche Todesfälle aufgrund einer Leber- oder Milzruptur möglich sind.
Histopathologie
Die generalisierte Tuberkulose geht mit multiplen stecknadelkopf- bis erbsengroßen, grauweiß-gelblich und zentral-käsigen Herden (Granulomen) in der Leber, Milz, Subserosa des Darms und im Knochenmark einher. Charakteristisch sind Fistelöffnungen ins Darmlumen, die von submukös liegenden Darmknoten ausgehen. Das Leber- und Milzgewebe erscheint zudem brüchig.
Histologisch zeigen die Knoten den typischen Aufbau eines Tuberkuloms. Sie weisen zentral verkäsende Nekroseherde auf, die zirkulär von epitheloiden Makrophagen und mehrkernigen Riesenzellen umgeben sind. In den äußeren Granulomrand sind Makrophagen, Lymphozyten und Granulozyten eingewandert. Die typischen säurefesten Bakterien befinden sich hingegen im Zentrum im Bereich der Riesenzellen.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen eine Coligranulomatose, Aspergillose und unterschiedliche Formen der Leukose in Frage.
Therapie
Eine Kausaltherapie der Geflügeltuberkulose ist nicht möglich. Trotz dem Einsatz von geeigneten Antibiotika ist eine Erregerelimination nicht möglich und daher nicht vertretbar. Erkrankte Herden müssen ausnahmslos gekeult werden. Anschließend sind umfangreiche Hygienemaßnahmen (Reinigung und Desinfektion mit Chlorkalk) zu treffen, wobei die Stallungen für mindestens ein Jahr nicht mehr benutzt werden dürfen.
Prophylaxe
Durch ein striktes "all-in/all-out"-Verfahren und den Zukauf aus tuberkulosefreien Beständen kann eine Erregerverbreitung unterbunden werden. Zusätzlich sind sämtliche Hygiene- und Managementmaßnahmen zu treffen, um einen Kontakt mit Wildvögeln zu verhindern.
Zoonotische Bedeutung
Neueren Untersuchungen zufolge ist das Zoonoserisiko gering. Mycobacterium avium kann zwar aus klinisch erkrankten Menschen isoliert werden, jedoch zeigen molekulargenetische Studien, dass sich diese Stämme im Vergleich zu anderen aus Vögeln isolierten Stämmen deutlich unterscheiden. Human-pathogene Stämme können daher nur unter besonderen Bedingungen auf Vögel übertragen werden.
Für immunsupprimierte Menschen besteht jedoch ein gewisses Restrisiko, weshalb sich diese nicht in die Nähe infizierter Tiere begeben sollten.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
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