Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt
Synonyme: TIPSS, Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt, TIPS
Englisch: transjugular intrahepatic portosystemic stent shunting, transjugular intrahepatic portosystemic shunt
Definition
Der transjuguläre intrahepatische portosystemische Stent-Shunt, kurz TIPSS, ist eine interventionell-radiologische Methode. Sie dient der Herstellung einer portosystemischen Kurzschlussverbindung (Shunt) zwischen der Lebervene (Vena hepatica) und der Pfortader (Vena portae). Ziel ist die Senkung des Pfortaderdrucks zur Behandlung oder Prävention von Komplikationen einer portalen Hypertension.
Hintergrund
Eine portale Hypertension führt zur Entwicklung schwerwiegender Komplikationen wie Ösophagusvarizen, Aszites, hepatischer Enzephalopathie oder hepatorenalem Syndrom. Durch den TIPSS wird ein großer Teil des Pfortaderblutes an der Leber vorbei direkt in den Systemkreislauf geleitet, wodurch der Druck im Pfortadersystem sinkt. Allerdings kann dieses Blut nicht mehr im Lebergewebe entgiftet werden.
Indikationen
Indikationen für die Anlage eines TIPSS sind vor allem die Komplikationen des Pfortaderhochdrucks. Dazu zählen:
- therapieresistenter Aszites: trotz Diuretika oder wiederholter Parazentese
- rezidivierende Varizenblutungen: trotz medikamentöser und endoskopischer Sekundärprophylaxe
- Salvage-TIPSS bei akuter Varizenblutung: Notfalltherapie beim Versagen der medikamentösen und endoskopischen Therapie. Wird auch als Rescue-TIPSS bezeichnet.
- Early-TIPSS bei Hochrisikopatienten: frühe elektive Shuntanlage innerhalb von 72 Stunden nach erfolgreicher Erstkontrolle einer akuten Varizenblutung bei Hochrisikopatienten (z.B. Child-Pugh-Stadium C 10 bis 13 ohne Multiorganversagen, Child-Pugh-Stadium B mit aktiver Blutung in der Endoskopie, hepatisch-venöser Druckgradient > 20 mmHg)[1]
- hepatorenales Syndrom: in bestimmten Fällen, insbesondere, um die Zeit bis zu einer Lebertransplantation zu überbrücken ("Bridging").
Darüber hinaus kann die Anlage eines TIPSS vor einer anstehenden Lebertransplantation erfolgen, um eine weitere Bildung von Kollateralen in der Leberstrombahn einzudämmen und so die Operabilität zu verbessern.
Weitere, seltenere Indikationen sind:
- Chylöser Aszites oder Pleuraerguss: bei erfolgloser konservativer Therapie
- Portal-hypertensive Gastropathie mit relevanter Blutung: wenn symptomatisch oder transfusionsbedürftig
- Budd-Chiari-Syndrom: wenn Antikoagulation oder Angioplastie nicht ausreichen
- Pfortaderthrombose: wenn eine Rekanalisierung im Einzelfall notwendig ist
- Hypersplenismus: in Ausnahmefällen
Technik
Die TIPSS-Anlage erfolgt meist durch ein interdisziplinäres Team aus einem interventionellen Radiologen und ggf. einem hepatologischen Intensivmediziner. Zunächst wird die (rechte) Vena jugularis interna punktiert und über eine F10-Schleuse ein F9-Führungskatheter in der Lebervene platziert. Von dort erfolgt die transhepatische Punktion des rechten oder linken Pfortaderasts. Diese kritische Phase des Eingriffs beinhaltet die transparenchymatöse Kanülierung der Portalvene unter Verwendung spezieller Nadelsysteme (meist 15G, z.B. Colapinto- oder Rösch-Nadel) und unter Kontrolle per Fluoroskopie und Sonographie. Die Lage des Katheters in der Vena portae wird durch Kontrastmittelgabe bestätigt. Anschließend erfolgt eine intravaskuläre Druckmessung.
Nach erfolgreicher Punktion und Drahtvorschub wird dieser Shunt-Kanal mit einem Ballon dilatiert. Anschließend wird ein selbstexpandierender, PTFE-beschichteter Stent (z.B. Viatorr®) implantiert. Die exakte Positionierung ist entscheidend für den Langzeiterfolg. Eine teilweise intrahepatische Überlappung mit der Vena hepatica ist wünschenswert. Im nächsten Schritt erfolgt eine Ballondilatation des Stents, um einen hepatisch-venösen Druckgradienten von < 12 mmHg oder eine Reduktion um > 20 % gegenüber dem Ausgangswert zu erreichen.
Nach dem Eingriff ist eine engmaschige klinische Überwachung wichtig. Dopplersonographische Verlaufskontrollen sind in den ersten Tagen sowie regelmäßig im Langzeitverlauf notwendig. Über eine antithrombotische Prophylaxe wird individuell entschieden.
Komplikationen
Die TIPSS-Anlage ist trotz ihres therapeutischen Nutzens mit einer Reihe möglicher Komplikationen verbunden. Bei bis zu 30 - 40 % der Patienten kommt es zur Entwicklung oder Exazerbation einer hepatischen Enzephalopathie. Diese kann medikamentös (z.B. Lactulose, Rifaximin) behandelt werden, jedoch bei therapierefraktärem Verlauf zu einer Indikation für eine TIPSS-Reduktion oder -Okklusion führen.
Shunt-Dysfunktionen wie Stentthrombosen oder -stenosen treten bei unbeschichteten Stents häufiger auf, sind jedoch auch bei modernen PTFE-beschichteten Systemen möglich. Die klinische Präsentation reicht von asymptomatischen Veränderungen bis hin zur Reblutung oder zunehmendem Aszites. Eine Revision durch Reintervention, Angioplastie oder Stentverlängerung ist oftmals erfolgreich.
Kardiopulmonale Dekompensationen (z.B. Rechtsherzbelastung, pulmonale Hypertonie) sind vor allem bei präexistierender Herzinsuffizienz zu erwarten. Vor dem Eingriff sind zur Risikostratifizierung eine Echokardiographie und ggf. eine invasive hämodynamische Diagnostik sinnvoll.
Infektionen, insbesondere durch Bakteriämien oder Leberabszesse, sind selten, aber schwerwiegend. Eine periinterventionelle Antibiose wird daher häufig prophylaktisch empfohlen.
Die Letalität einer TIPSS-Prozedur variiert je nach Patientenkollektiv und Indikation. In Notfallsituationen wie bei Salvage-TIPSS liegt die 30-Tage-Mortalität bei bis zu 30 %, während sie bei elektiver Indikation und guter Leberfunktion deutlich unter 10 % liegt.
Kontraindikationen
Die Entscheidung gegen eine TIPSS-Anlage basiert auf einer Vielzahl klinischer Faktoren. Absolute oder relative Kontraindikationen umfassen:
- Schwere hepatische Enzephalopathie (Grad III/IV)
- MELD-Score > 25 oder Child-Pugh-Score > 14
- Dekompensierte Herzinsuffizienz oder signifikante pulmonale Hypertonie (mittlerer pulmonalarterieller Druck > 45 mmHg)
- Aktive Infektion oder Sepsis
- Unkorrigierbare Koagulopathie (z. B. INR > 2,5; Thrombozyten < 30.000/µl)
TIPSS-Reduktion
In bestimmten klinischen Situationen kann es notwendig sein, einen bereits angelegten TIPSS funktionell zu reduzieren oder vollständig zu verschließen. Hauptindikation hierfür ist die Entwicklung einer therapierefraktären hepatischen Enzephalopathie, insbesondere bei Patienten mit grenzwertiger Leberfunktion. Bei ihnen wird durch den Shunt-Effekt des TIPSS die hepatische Metabolisierung toxischer Substanzen weiter reduziert. Auch eine kardiale Dekompensation oder andere systemische Komplikationen können eine Reduktion notwendig machen.
Die gängigste Methode zur Reduktion besteht in der Implantation eines sogenannten Reduktionsstents innerhalb des vorhandenen TIPSS. Dabei handelt es sich meist um einen selbstexpandierenden Stent mit reduziertem Durchmesser (z.B. 5 - 6 mm), der konzentrisch im ursprünglichen Shunt platziert wird. Dadurch wird der effektive Lumenquerschnitt verkleinert und der portale Blutfluss über die Leber partiell wiederhergestellt. Die Druckverhältnisse im Pfortadersystem müssen dabei engmaschig kontrolliert werden, um eine erneute Varizenbildung oder Aszites zu verhindern.
Ist eine Reduktion nicht ausreichend oder medizinisch kontraindiziert, kann in Einzelfällen auch eine vollständige TIPSS-Okklusion notwendig werden. Dies erfolgt in der Regel durch das Einbringen von Gefäßverschlusssystemen und/oder Coils.
Peer-Review
Quellen
- ↑ Tripathi D et al. Study protocol for a Randomised controlled trial of EArly transjugular intrahepatiC porTosystemic stent-shunt in Acute Variceal Bleeding (REACT-AVB trial). BMJ Open Gastroenterol. 2024