Onasemnogen-Abeparvovec
Synonym: AVXS-101
Handelsname: Zolgensma®
Englisch: onasemnogene abeparvovec
Definition
Onasemnogen-Abeparvovec ist ein Gentherapeutikum zur Behandlung der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie (SMA).
ATC-Code
- M09AX09 - Andere Mittel gegen Störungen des Muskel- und Skelettsystems
Wirkmechanismus
Bei der spinalen Muskelatrophie kommt es durch einen Defekt des SMN1-Gens (SMN = "survival of motor neuron") zu einem progressiven Verlust von Motoneuronen. Onasemnogen-Abeparvovec ist eine Gentherapie, die einen rekombinanten AAV9-Vektor einsetzt, um eine gesunde Kopie des SMN1-Gens als doppelsträngige DNA in die betroffenen Nervenzellen einzuschleusen. Die DNA wird jedoch nicht in die chromosomale DNA des Patienten integriert, sondern getrennt von ihr als Episom im Zellkern abgelegt. Ein im Arzneimittel enthaltener konstitutiver Promotor bewirkt die Expression des therapeutischen Gens, sodass eine anhaltende, kontinuierliche Biosynthese des SMN-Proteins erfolgt.
Pharmakokinetik
Die üblichen pharmakokinetischen Untersuchungen sind bei Gentherapeutika nicht relevant. In-vitro-Studien an humanen Zellen, Geweben oder ähnlichen Materialien (humane Biomaterialien) wurden nicht durchgeführt. Die Verteilung der Vektor-DNA wurde an zwei Patienten untersucht, die 5,7 Monate bzw. 1,7 Monate nach der Infusion einer Dosis von 1,1 x 1014 vg/kg verstorben sind. Die höchste Konzentration der Vektor-DNA wurde in der Leber festgestellt. Weiterhin war Vektor-DNA in folgenden Organen nachweisbar: Milz, Herz, Pankreas, Leistenlymphknoten, Skelettmuskulatur, peripheres Nervensystem, Niere, Lunge, Darm, Keimdrüsen, Rückenmark, Gehirn und Thymus.
Die SMN-Genexpression konnte in spinalen Motoneuronen, Neuronen und Gliazellen des Gehirns sowie in Herz, Leber, Skelettmuskeln und anderen untersuchten Geweben verifiziert werden. Die Elimination findet vorwiegend mit den Fäzes statt. Der größte Teil der applizierten Dosis ist innerhalb von 30 Tagen nach der Applikation ausgeschieden.
Indikation
- Behandlung der spinalen Muskelatrophie mit biallelischer Mutation des SMN1-Gens bei pädiatrischen Patienten unter 2 Jahren[1]
Im Alter über 2 Jahren ist eine Wirksamkeit aufgrund der geringen Anzahl verbleibender Motoneurone unwahrscheinlich.
Darreichungsform
- Injektionsfläschchen mit Suspension für die intravenöse Infusion
Ein Injektionsfläschchen enthält 2.0 × 1013 Vektorgenome (vg) pro ml.
Prescreening
Vor der Beginn der Behandung sind folgende Laboruntersuchungen erforderlich:
- AAV9-Antikörpertestung
- Leberenzyme: ALT, AST, Gesamtbilirubin
- Kreatinin
- Großes Blutbild (einschließlich Hämoglobin und Thrombozytenzahl)
- Troponin-I
Dosierung
Die empfohlene Dosierung von Onasemnogen-Abeparvovec ist 1,1 × 1014 Vektorgenome pro kgKG als Einmalgabe. Onasemnogen-Abeparvovec wird als intravenöse Infusion über 60 Minuten verabreicht. Der Arzneistoff darf nicht als schnelle intravenöse Infusion oder Bolus appliziert werden.
Vor Beginn der Behandlung muss zur Immunmodulation eine systemische Therapie mit Glukokortikoiden begonnen werden, die über 30 Tage fortgesetzt wird. Dabei werden 1 mg Prednisonäquivalent pro kgKG pro Tag verabreicht.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Sehr häufige (≥ 1/10) und häufige (≥ 1/100, < 1/10) Nebenwirkungen von Onasemnogen-Abeparvovec sind:
- Thrombozytopenie
- Hepatotoxizität
- Fieber
- Erbrechen
- Veränderte Laborwerte
- Erhöhte Aminotransferasen
- Erhöhtes Troponin-I
Akutes Leberversagen
In einer nicht quantifizierten Anzahl von Fällen kann es durch die Immunreaktion auf den AAV-Vektor zu einer akuten Leberschädigung bis hin zum akuten Leberversagen kommen. Es sind zwei Todesfälle durch akutes Leberversagen bei Patienten mit SMA im Alter von 4 bzw. 28 Monaten bekannt (Stand 2023), die mit einer Onasemnogen-Abeparvovec-Infusion behandelt wurden.[2] Die Leberschädigung manifestierte sich initial durch eine asymptomatische Erhöhung der Aminotransferasen innerhalb der ersten ein bis zwei Wochen nach der Infusion, die mit einer erhöhten Prednisolon-Dosis behandelt wurde.
Danach kam es zum Erbrechen, allgemeiner Schwäche und einem zweiten Anstieg der Aminotransferasen zwischen fünf und sechs Wochen nach der Infusion und etwa ein bis zwei Wochen nach Beginn des Ausschleichens von Prednisolon. Es folgte eine rasche Verschlechterung der Leberfunktion mit hepatischer Enzephalopathie und Multiorganversagen. Der Tod trat sechs bis sieben Wochen nach der Infusion ein, also in der Zeit, in der die Kortikosteroid-Dosis ausgeschlichen wurde.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels
- positive Serologie gegen AAV9 (Unwirksamkeit)
Bei eingeschränkter Leberfunktion sollte die Nutzen-Risiko-Relation sorgfältig abgewogen werden.
Zulassung
Onasemnogen-Abeparvovec wurde im Juni 2019 von der FDA in den USA zugelassen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Zulassungsbehörde hat im März 2020 eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen.[3] Hersteller ist AveXis, ein Tochterunternehmen von Novartis.
Im August 2019 wurde von der FDA mitgeteilt, dass ein Teil der Daten, die von Novartis zur Zulassung eingereicht worden waren, Inkonsistenzen aufweist.[4] Obwohl diese Inkonsistenzen AveXis bzw. Novartis bekannt waren, wurden sie nicht rechtzeitig an die FDA weitergegeben. Nach Einschätzung der FDA ist dadurch jedoch nicht die Wirkung von Onasemnogen-Abeparvovec in Frage gestellt.
Kosten
Die Kosten für die einmalige Behandlung mit Onasemnogen-Abeparvovec betragen rund 2,1 Millionen US-$.
Quellen
- ↑ FDA: Zolgensma Prescribing Information, abgerufen am 7.6.2019
- ↑ Zolgensma® (Onasemnogen-Abeparvovec) – Tödliche Fälle von akutem Leberversagen. RHB Novartis 16.02.2023
- ↑ EMA, abgerufen am 31.03.2020
- ↑ Statement on data accuracy issues with recently approved gene therapy, FDA, August 06, 2019
Weblinks
- Zolgensma 2 × 1013 Vektorgenome/ml Infusionslösung. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels EMA
- Onasemnogen-Abeparvovec - Zolgensma™. Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe 42|2020
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