Narkosestadien nach Guedel
nach dem US-amerikanischen Arzt Arthur Ernest Guedel (1883-1956)
Englisch: Guedel's classification
Definition
Die Narkosestadien nach Guedel sind ein historisches Klassifikationsschema zur klinischen Beurteilung der Narkosetiefe einer Ethernarkose. Auch wenn diese Form der Anästhesie in der heutigen Medizin nicht mehr angewendet wird, ist diese Einteilung teils auch auf die Narkose mit modernen volatilen Anästhetika übertragbar.
Hintergrund
Der US-amerikanische Anästhesist Arthur Ernest Guedel, der auch den Guedel-Tubus erfunden hat, beschrieb 1920 seine Beobachtung von vier Stadien der Narkosetiefe bei reinen Ethernarkosen. Da zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Vitalzeichenmonitoring im heutigen Sinne noch nicht möglich war, musste die Narkosetiefe anhand klinischer Zeichen eingeschätzt werden. Guedel schlug zu diesem Zweck die Untersuchung der Pupillen, der Atmung und bestimmter Reflexe vor.
Die Narkosestadien nach Guedel haben nur bei Narkosen mit Diethylether volle Gültigkeit. Insbesondere durch den Einsatz von Muskelrelaxanzien eignen sich die Kriterien, die sich auf die neuromuskuläre Funktion beziehen, heute nicht mehr. Allerdings treten bei der Verwendung moderner Inhalationsanästhetika weiterhin Parallelen auf. Insbesondere das Exzitationsstadium kann bei der Ausleitung der balancierten Anästhesie sowie bei der Narkoseeinleitung per inhalationem auftreten. Diese wird heutzutage z.B. noch bei Kindern praktiziert, welche die Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters nicht tolerieren.
Stadien
Die vier Narkosestadien sind, mit zunehmender Tiefe der Narkose aufsteigend:
- I: Stadium der Analgesie und Amnesie
- II: Stadium der Exzitation
- III: Stadium der chirurgischen Toleranz
- IV: Stadium der Paralyse und Asphyxie
Stadium I
Im Stadium I sind Bewusstsein, Atemantrieb und Reflexe erhalten, aber der Patient befindet sich in einer Art Rauschzustand. Das Schmerzempfinden ist herabgesetzt und eine anterograde Amnesie tritt auf.
Stadium II
Im Stadium II tritt ein Erregungszustand ein. Der Patient kann den äußeren Eindruck von Wachheit erwecken, kann aber auf Ansprache keine zielgerichtete Antwort mehr geben und setzt auch keine Aufforderungen mehr um. Die Pupillen weiten sich und es treten unkontrollierte Augenbewegungen auf. Reize werden übersteigert beantwortet und es kommt zur Hyperreflexie. Die Speichelproduktion ist gesteigert. Es kann zu Erbrechen, aber auch zu Atemstörungen wie Husten, Luftanhalten oder Laryngospasmus kommen. Da in diesem Stadium die Gefahr der Aspiration, der Hypoxie und des Herunterfallens des unruhigen Patienten vom OP-Tisch besteht, sollte das Exzitationsstadium bei der Narkoseeinleitung möglichst schnell überwunden werden und macht bei der Narkoseausleitung eine besondere Überwachung erforderlich.
Stadium III
Das Stadium III ist die angestrebte Tiefe einer Narkose für operative Eingriffe. Es wird weiter unterteilt in die Plana I-IV:
- Planum I reicht vom Eintritt eines regelmäßigen Atemmusters bis zum Sistieren der Augenbewegung.
- Planum II reicht vom Sistieren der Augenbewegung bis zum Beginn der Lähmung der Interkostalmuskulatur.
- Planum III reicht vom Beginn bis zur vollständigen Ausprägung der Lähmung der Interkostalmuskulatur. Bevor Muskelrelaxantien klinisch eingesetzt wurden, war dieses Planum das Ziel einer Narkose für abdominelle Eingriffe.
- Planum IV reicht von der vollständigen Lähmung der Interkostalmuskulatur bis zum Beginn der Zwerchfellähmung.
Zu Beginn des dritten Stadiums sind die Pupillen verengt und weiten sich mit zunehmender Narkosetiefe, bis sie im vierten Planum sehr weit und reaktionslos sind. Es kommt in diesem Stadium mit zunehmender Narkosetiefe zu einer peripheren Vasodilatation und dadurch zur fortschreitenden Abnahme des arteriellen Blutdrucks.
Stadium IV
Das Stadium IV ist durch eine vollständige Lähmung des Zwerchfells gekennzeichnet. Wenn keine künstliche Beatmung vorgenommen wird, führt es zum Tod durch Atemstillstand und Kreislaufversagen.
Literatur
- Anästhesie Intensivmedizin Notfallmedizin. Striebel H, Hrsg. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme
- Guedel AE. Inhalation anesthesia, Ed 2, New York, 1951, Macmillan
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