Lungenemphysem (Wiederkäuer)
Synonym: Lungenüberblähung
Englisch: pulmonary emphysema
Definition
Als Lungenemphysem bezeichnet man einen unphysiologisch hohen Luftgehalt der Lunge distal der terminalen Bronchioli beim Wiederkäuer.
Epidemiologie
Lungenemphyseme treten bei Rindern vergleichsweise oft auf. Da die Lunge der Wiederkäuer einige prädisponierende Besonderheiten aufweist, leiden Rinder sowie Schafe und Ziegen an verschiedenen respiratorischen Erkrankungen.
Ätiologie
Lungenemphyseme können aufgrund unterschiedlicher Auslöser entstehen:
- Überanstrengung der Tiere (z.B. durch Hetzen, Schwergeburten)
- Allergische Reaktionen
- Kompensatorische übermäßige Ventilation bei Ausfall größerer Lungenbezirke aufgrund von Pneumonien
- Toxische Einwirkungen (Weideemphysem, Chlor, Raps, Zink)
Pathogenese
Hinsichtlich der Pathogenese existieren im wesentlichen zwei verschiedene Theorien: Die eine Theorie geht davon aus, dass jene Strukturen, welche die Alveolarwände unterstützen, zu schwach sind und daher kollabieren. Dieses Zusammenbrechen der Alveolen soll insbesondere beim Husten und bei verschärfter Atmung auftreten. Bei älteren Kühen treten daher gehäuft bei Kalbungen Emphyseme auf. Auch während des Todeskampfes (Agonie) oder der Schlachtung können sich Emphyseme entwickeln. Die andere Theorie geht davon aus, dass die Verengung der Bronchiolen durch Sekrete oder Bronchospasmus das zentrale Ereignis eines Emphysems ist.
Durch unterschiedliche Prozesse wird vermehrt Luft in den Alveolen gehalten (akutes, alveoläres Emphysem). Bleibt diese Überdehnung der Alveolen länger bestehen, platzen sie (bullöses Emphysem), wodurch die Luft auch ins Lungeninterstitium (interstitielles Emphysem) gelangt. Von dort aus kann die Luft auch in das Mediastinum (retroperitoneales und/oder subkutanes Emphysem) wandern.
Aufgrund des Emphysems ist die Kapazität der Lunge bei der passiven Kontraktion (wichtig bei der Exspiration) deutlich eingeschränkt. Das Residualvolumen ist vergrößert und die Ventilation insgesamt verringert. In weiterer Folge kommt es zu einem Absinken der Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (Hypoxämie). Durch das zusätzliche Kollabieren von Kapillaren vermindert sich der Unterdruck im Brustraum, sodass der Widerstand im Lungenkreislauf deutlich ansteigt. Durch das erhöhte Schlagaufkommen des Herzens entwickelt sich ein Cor pulmonale, das schließlich zum Versagen des rechten Herzens führt.
Klinik
Tiere, die an einem Lungenemphysem leiden, zeigen eine deutliche exspiratorische Dyspnoe mit abdominal verstärkter Exspiration und geringer Toleranz gegenüber Bewegung. Bei der Auskultation der Lunge sind Knack- und Knistergeräusche zu hören.
Bei einem interstitiellen Lungenemphysem kann sich die Luft zusätzlich bis unter die Haut und unter das Peritoneum ausdehnen. Das daraus resultierende Unterhautemphysem entwickelt sich meist im Bereich des Widerristes und kann sich in extremen Fällen bis über den größten Teil des Rumpfes erstrecken. Bei der Palpation ist das markante Knistern sowohl spür- als auch hörbar. Bei der Perkussion der Lunge fällt ein stark erweitertes Lungenperkussionsfeld auf.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Klinik und der Anamnese. Im Zuge der allgemeinen klinischen Untersuchung sind vor allem die exspiratorische Dyspnoe, das vergrößerte Lungenperkussionsfeld und die charakteristischen Knistergeräusche während der Auskultation wegweisend.
Therapie
Akute sowie lebensbedrohliche Lungenemphyseme sind eine Indikation für den versuchsweisen Einsatz von Antihistaminika (z.B. Tripelennamin) sowie Glukokortikoiden in hohen Dosen. Zusätzlich können Bronchospasmolytika (z.B. Bromhexin) verabreicht werden.
Prophylaxe
Durch das Vermeiden von Primärleiden kann die Ausbildung eines Lungenemphysems verhindert werden.
Literatur
- Herausgeber: W. Klee, M. Metzner. Rinderskript. ISSN 1617-4410
- Dirksen, Gerrit, Gründer, Hans-Dieter, Stöber, Matthaeus. Innere Medizin und Chirurgie des Rindes. 5., Auflage, unveränderter Nachdruck der 4. Auflage. Parey-Verlag, 2006.
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