Hypersomatotropismus (Hund)
Synonym: Akromegalie
Englisch: acromegaly
Definition
Als Hypersomatotropismus oder Akromegalie bezeichnet man eine endokrinologische Erkrankung beim Hund, die durch eine gesteigerte Synthese und Sekretion von Somatotropin (STH) gekennzeichnet ist.
Epidemiologie
Ätiologie
Die Erkrankung entsteht in den meisten Fällen aufgrund einer gesteigerten STH-Sekretion, die vor allem durch Progesteron hervorgerufen wird (Diöstrus-assoziierter Hyposomatotropismus). Erkrankungen aufgrund eines STH-produzierenden Hypophysentumors treten beim Hund nur äußerst selten auf (Tumor-assoziierter Hyposomatotropismus).
Pathogenese
Das überschießende STH wird beim Diöstrus-assoziierten Hypersomatotropismus nicht (wie üblich) in der Hypophyse produziert, sondern wird in der Milchdrüse gebildet. Von dort aus gelangt es dann in den Blutkreislauf und kann sich so im gesamten Organismus verteilen.
Bei Hündinnen wird in der diöstrischen Phase (Metöstrus) durch den hohen Progesteronspiegel vermehrt STH in der Milchdrüse gebildet. Einen ähnlichen Effekt erhält man auch nach exogener Zufuhr von Progestagenen, die z.B. zur Läufigkeitsverhütung verwendet werden.
Pathophysiologie
STH besitzt sowohl eine anabole als auch katabole Wirkung:
- Die anabole Wirkung wird vorwiegend durch das in der Leber gebildete IGF-I vermittelt. Es kommt zum verstärkten Wachstum von Knochen, Knorpel, Bindegewebe, Muskulatur und Organen (Viszeromegalie).
- Der katabole Effekt hingegen steigert die Lipolyse und verursacht durch eine Insulin-antagonistische Wirkung eine Hyperglykämie.
Klinik
Klinisch manifeste Veränderungen entstehen meist nur sehr langsam und können nur selten in einen zeitlichen Zusammenhang mit Progestagen-Applikationen oder mit einer Läufigkeit gebracht werden.
Die Symptome hängen dabei von der anabolen und/oder katabolen STH-Wirkung ab. Es kommt zur Ausbildung von prominenten Hautfalten an Kopf und Hals, einer Breitenzunahme des Kopfes, Prognathia inferior, vergrößerten Interdentalspalten, inspiratorischem Stridor und einer Zunahme des Bauchumfangs. Der Körperbau erscheint verzerrt, es entwickeln sich Hypertrichose, Polyphagie, Lahmheiten, Viszeromegalie (v.a. Herz und Nieren) und eine Neigung zu Diabetes mellitus.
Labormedizin
Einige Hunde zeigen eine Erhöhung der ALP und des Phosphatspiegels. Zusätzlich können sämtliche Veränderungen eines Diabetes mellitus auftreten (Hyperglykämie, Glukosurie, erhöhtes ALT und ALP und Hypercholesterinämie).
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch kommen u.a. folgende Erkrankungen in Frage:
- Hypothyreose
- Hyperadrenokortizismus
- Diabetes mellitus anderer Genese
- respiratorische Erkrankungen
Diagnose
Die Diagnose kann mittels verschiedener Testverfahren gesichert werden:
- Messung des basalen STH-Plasmaspiegels: 3 bis 5 Blutproben in 10-minütigen Abständen
- dynamische Funktionstests:
- Glukosetoleranztest: 1 g/kgKG 50%ige Glukose i.v.
- Somatostatin-Test: Messung des basalen STH, Applikation von 10 µg/kgKG Somatostatin i.v., mehrfache Messung von STH (15, 30, 60 und 90 Minuten später)
- Messung des IGF-I-Spiegels
Therapie
Bei einer gesteigerten endogenen Progesteronsekretion sollte eine Kastration durchgeführt werden. Im Falle eines iatrogen induzierten Hypersomatotropismus ist umgehend die Therapie zu beenden. Parallel dazu kann ein Progesteronantagonist (Aglepriston) verabreicht werden.
Bei einem STH-produzierenden Hypophysenthumor ist oftmals nur mehr eine palliative Behandlung möglich (Strahlentherapie).
Literatur
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3