Hartnup-Syndrom
Synonym: Hartnup-Krankheit
Englisch: Hartnup disease
Definition
Das Hartnup-Syndrom ist eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselstörung, die auf einem gestörten Aminosäurentransport durch die Zellmembran basiert.
Epidemiologie
Die Prävalenz des Hartnup-Syndroms beträgt ca. 1/24.000 - 1/30.000.
Ätiologie
Beim Hartnup-Syndrom liegt eine Funktionsstörung des neutralen Aminosäuretransporters B(0)AT1 vor. Dieser Transporter wird auf Zellen des proximalen Nierentubulus und auf Enterozyten des Dünndarms nur in Anwesenheit von Collectrin bzw. Angiotensin Converting Enzyme 2 exprimiert. Das mutierte Gen ist SLC6A19 auf Chromosom 5 (Genlokus 5p15.33). Derzeit (2020) sind über 20 Mutationen bekannt.
Pathophysiologie
Durch die gestörte Funktion des Aminosäuretransporters entsteht eine Azidurie durch neutrale oder aromatische Aminosäuren. Die Mengen der Aminosäuren Alanin, Serin, Threonin, Valin, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan, Glutamin, Asparagin und Histidin sind im Urin fünf- bis zehnfach erhöht. Außerdem ist die intestinale Aufnahme dieser Aminosäuren ungenügend.
Die essenzielle Aminosäure Tryptophan wird für die Umwandlung in Niacin (Vitamin B3) benötigt. Der Mangel an Tryptophan, Niacin und Serotonin führt zu klinischen Manifestationen, die denen einer Pellagra ähneln.
Symptomatik
Das Krankheitsbild weist Schübe mit dermatologischen, gastrointestinalen und neurologischen Manifestationen auf. Fieber, Sonnenlicht, Stress und Einnahme von Sulfonamiden wirken als Triggerfaktoren. Zu den Symptomen zählen unter anderem:
- Haut
- Photosensitivität
- lupoide Ekzeme
- hypo- oder hyperpigmentierte Hautareale
- Gastrointestinaltrakt
- ZNS
- Infektanfälligkeit
Der Grad der Ausprägung ist jedoch sehr heterogen. Bei asymptomatischen Patienten spricht man auch von einer Hartnup-Funktionsstörung. In schweren Fällen kommt es zu progressiver Neurodegeneration in der Kindheit und Tod in der Adoleszenz.
Diagnose
Die Diagnose des Hartnup-Syndroms wird durch den Nachweis der Aminoazidurie gestellt. Außerdem wird im Urin eine vermehrte Indikan- und eine verminderte 1-Methylnicotinamid-Ausscheidung festgestellt. Indikan entsteht aus dem im Stuhl aus Tryptophan gebildeten Indol. 1-Methylnicotinamid ist ein Metabolit von Niacin.
Ein diätetisch bedingter Niacinmangel muss ausgeschlossen werden.
Therapie
Die Therapie des Hartnup-Syndroms umfasst eine Substitution von Niacin (50-250 mg/d) und eine proteinreiche Diät.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Schomacher T, Schmidt H. Hartnup-Krankheit. In: Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage. ABW Wissenschaftsverlag; 2016.
- Böhles H. Hartnup-Erkrankung. In: Böhles H, Hrsg. Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2016
- Kerbl R, Kurz R, Roos R et al. Hartnup-Syndrom. In: Kerbl R, Kurz R, Lange B et al., Hrsg. Checkliste Pädiatrie. 5., vollständig aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015
- Brich J, Harloff A. Hartnup-Syndrom. In: Hufschmidt A, Lücking C, Rauer S et al., Hrsg. Neurologie compact. 8. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b-007-170972
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