Morbus Krabbe
nach dem dänischen Neurologen Knud Haraldsen Krabbe (1885-1965)
Synonyme: Krabbe-Krankheit, Globoidzellleukodystrophie, Globoidzell-Leukodystrophie
Englisch: Krabbe disease
Definition
Der Morbus Krabbe ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Speicherkrankheit, die zu den Sphingolipidosen zählt. Die Erkrankung führt zu einer Leukodystrophie und geht unter anderem mit Entwicklungsverzögerungen, motorischen Symptomen und einer Optikusatrophie einher.
Geschichte
Der dänische Arzt Knud Krabbe entdeckte die Erkrankung im Jahr 1916 und ist der Namensgeber der Erkrankung.
Epidemiologie
Morbus Krabbe ist eine sehr selten vorkommende Erkrankung. Die Inzidenz liegt bei etwa 1:100.000.
Klassifikation
Klinisch unterscheidet man zwei Verlaufsformen des Morbus Krabbe:
- infantile Verlaufsform: 95% der Fälle
- spät einsetzende Verlaufsform (late-onset): selten
Genetik
Der Morbus Krabbe wird autosomal-rezessiv vererbt. Der Erkrankung liegt eine Mutation im Gen der beta-Galactocerebrosidase (GALC) zugrunde. Dieses Enzym ist für die Abspaltung von Galactose aus Galactocerebrosiden verantwortlich. Das Gen ist auf Chromosom 14 an Genlokus 14q3.1 lokalisiert.
Pathophysiologie
Die Enzymaktivität der beta-Galactocerebrosidase spielt eine wichtige Rolle im Abbau und bei der Wiederverwertung von Myelin. Durch die reduzierte Aktivität der Galactocerebrosidase ist einerseits die Remyelinisierung vermindert, andererseits kommt es zur Akkumulation von toxischen Abbauprodukten des Myelinstoffwechsels – v.a. von Psychosin und Galaktosylceramid. Im Rahmen dieser Abbauvorgänge entstehen mehrkernige Speicherzellen, die sogenannten Globoidzellen. Myelinbildende Gliazellen und Oligodendrozyten verschwinden hingegen, woraus eine Demyelinisierung der Neurone resultiert. Die entgleisten Stoffwechselvorgänge setzen darüber hinaus eine Entzündungsreaktion in Gang, die sich u.a. als Gliose manifestiert.
Auch die peripheren Nerven sind von der Erkrankung betroffen.
Klinik
Infantile Form
Die Patienten zeigen bereits in den ersten 6 Lebensmonaten erste Symptome, u.a.:
- Fieber
- Entwicklungsverzögerung
- vermehrtes Weinen
- generalisierte Erhöhung des Muskeltonus, später Opisthotonus
- Spastik
- Schluckbeschwerden, häufiges Erbrechen
- Kachexie
- Optikusatrophie und Erblindung
- Ausbleiben der Muskeleigenreflexe
- Polyneuropathie
Late-onset-Form
Die Late-onset-Form kann sich in unterschiedlichen Lebensphasen manifestieren:
- spät-infantile Form: Symptombeginn zwischen ein paar Monaten bis 4 Jahren
- juvenile Form: Symptombeginn zwischen 4 und 19 Jahren
- adulte Form: Symptombeginn nach dem 20ten Lebensjahr
Das klinische Bild ist vielfältig und reicht von der Optikusatrophie bis zur spastischen Tetraparese. Weitere mögliche Symptome sind Polyneuropathie, Demenz sowie spinozerebelläre Symptome.
Diagnostik
- Bestimmung der Galaktozerebrosidase-Aktivität in Leukozyten und Fibroblasten
- Magnetresonanztomographie (MRT): Atrophie, T2-Hyperintensität der weißen Substanz (parietookzipital und zerebellär), der Pyramidenbahn und des Corpus callosum
- Liquoruntersuchung: erhöhte Eiweißkonzentration
- Evoziertes Potenzial: verlängerte Latenzen
- Elektroneurographie (ENG): verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit
Die definitive Diagnosestellung erfolgt durch Nachweis des Gendefekts mit Hilfe der molekularbiologischen Diagnostik.
Therapie
Es ist lediglich eine symptomatische palliative Behandlung mit Spasmolytika möglich. Stammzelltransplantationen bei präsymptomatischen Patienten können die Krankheit verlangsamen, aber nicht heilen.