Gasödemerkrankung (Geflügel)
Synonym: Gasödemkrankheit
Englisch: gas edema disease, gangrenous dermatitis, gangrenous cellulitis
Definition
Die Gasödemerkrankung ist eine durch Clostridien verursachte und häufig letal verlaufende Infektionskrankheit des Geflügels, die v. a. durch emphysematös-hämorrhagische Ödeme und Nekrosen in der Unterhaut und Skelettmuskulatur gekennzeichnet ist.
Ätiologie
Die Gasödemerkrankung wird durch unterschiedliche Clostridium-Arten verursacht. Häufige Auslöser sind Clostridium septicum und Clostridium perfringens Toxovar A. Deutlich seltener kann Clostridium chauvoei nachgewiesen werden.
Clostridien sind überwiegend grampositive, obligat anaerobe und meistens bewegliche Stäbchenbakterien, die ovale bis kugelförmige Sporen bilden. Sie sind 0,3 bis 2,0 x 1,5 bis 20,0 µm groß und weisen ausgeprägte proteolytische und/oder saccharolytische Eigenschaften ohne Katalasebildung auf. Ihre Virulenz beruht hauptsächlich auf der Bildung unterschiedlicher Toxine (Exotoxine).
Epidemiologie
Sowohl Clostridium septicum als auch Clostridium perfrigens sind in der Natur ubiquitär verbreitet. Klinisch manifeste Erkrankungen werden v. a. bei Hühnern und Puten, insbesondere bei Küken und Jungtieren, beobachtet. Nur in äußerst seltenen Fällen treten Erkrankungen bei anderen Nutzgeflügelarten auf.
Da die Sporen der Erreger extremen mikro- sowie makroklimatischen Witterungseinflüssen widerstehen können, sind sie über mehrere Jahre hinweg überlebensfähig, wodurch eine Verbreitung der Erkrankung begünstigt wird.
Pathogenese
Voraussetzungen für eine Infektion mit den genannten Clostridien-Arten sind geschädigte Gewebeabschnitte, in denen anaerobe Verhältnisse vorherrschen, weshalb auch das Redoxpotential deutlich vermindert ist. Als Eintrittspforten gelten neben einer bereits bestehenden Hautgangrän (z. B. Staphylokokken-Dermatitis) auch Verletzungen der äußeren Haut. Diese Verletzungen müssen nicht zwingend großflächig sein, da auch bereits makroskopisch kaum sichtbare Läsionen den Clostridien als Eintritt dienen.
Da es sich bei der Gasödemerkrankung um eine Faktorenkrankheit handelt, wirken sich insbesondere Immunsuppression (z. B. nach einer vorausgegangenen infektiösen Bursitis), Durchblutungsstörungen, exsudative Diathesen, fütterungsbedingte Mangelsituationen (z. B. Selenmangel) und eine hohe Erregerbelastung prädisponierend auf die Krankheitsentstehung aus.
Klinik
Die Erkrankung verläuft perakut bis akut. Betroffene Tiere leiden an blau-roten, emphysematös bis ödematösen Veränderungen der Haut, insbesondere am Rumpf und an den Extremitäten. Infolge einer sich entwickelnden Toxinämie kommt es zu einer rasch fortschreitenden Verschlechterung des Allgemeinbefindens, die binnen 24 Stunden mit dem Tod endet.
Innerhalb der Herde fällt ein plötzlicher Anstieg der Abgänge auf, der im Extremfall mit einer Gesamtmortalität von 50 % einhergeht.
Pathohistologie
Erkrankte Tiere zeigen entzündliche Ödeme und Emphyseme mit Blutungen und Nekrosen im Unterhautbindegewebe, der Skelett- und Herzmuskulatur sowie in den parenchymatösen Organen auf.
Histologisch zeigen sich hyalinschollige Degenerationen und Blutungen im Muskelgewebe. Zusätzlich kommt es zu granulozytären Infiltrationen im ödematös veränderten Bindegewebe sowie zu herdförmigen Koagulationsnekrosen in Leber, Milz, Nieren und anderen betroffenen Organen. In den betroffenen Geweben können die stäbchenförmigen Erreger meist in großer Anzahl angefärbt und nachgewiesen werden.
Differenzialdiagnosen
- Escherichia coli-assoziierte phlegmonöse Dermatitis
- Staphylokokken-Dermatitis
- Aeromonas-Septikämie
- Rhodotoruliasis
- Aspergillus-assoziierte Dermatitis
Diagnose
Sowohl die pathohistologischen Veränderungen, als auch die angefärbten Bakterien im Abklatschpräparat geben erste Hinweise auf eine mögliche Erkrankung mit Clostridien. Die Diagnose ist dann durch eine direkte Immunfluoreszenz, mittels MALDI-TOF-System oder mithilfe eines kulturellen Erregernachweises (unter anaeroben Bedingungen) abzusichern.
Therapie
Neben der Beseitigung sämtlicher prädisponierender Faktoren ist ein frühzeitiger Einsatz von geeigneten Antibiotika (nach vorausgegangenem Antibiogramm) indiziert.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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