Fesselträger-Desmitis (Pferd)
Synonym: Desmitis des Fesselträgers
Englisch: suspensory ligament desmitis, SLD
Definition
Unter einer Fesselträger-Desmitis versteht man eine Verletzung und damit einhergehende Entzündung des Fesselträgers beim Pferd.
Anatomie
Als Fesselträger bezeichnet man den sehnigen Musculus interosseus medius, der palmar bzw. plantar am Metakarpus bzw. Metatarsus liegt. Er entspringt proximal am Röhrbein und zieht als kräftige Sehne zwischen beiden Griffelbeinen nach distal. Auf Höhe des distalen Drittels des Röhrbeins spaltet sich die Sehne in zwei Endsehnen auf, die einerseits an den Gleichbeinen, andererseits als Unterstützungsast nach dorsal zur gemeinsamen Strecksehne (Musculus extensor digitalis communis) ziehen.
Biomechanik
Aufgrund des Verlaufs und des sehnigen Charakters fixiert der Fesselträger als Teil des Fesseltrageapparats das Fesselgelenk in seiner Extensionsstellung. Gleichzeitig wirkt er bremsend auf eine darüber hinaus gehende Hyperextension und verhindert so Verletzungen im Gelenkbereich.
Einteilung
Anhand der Lokalisation der Läsion wird die Fesselträger-Desmitis in drei Gruppen unterteilt:
Klassifizierung | Synonym/Englisch | Lokalisation |
---|---|---|
Fesselträgerursprung-Desmitis | FTUD, proximal suspensory desmitis | Läsion im proximalen Drittel |
Fesselträgerkörper-Desmitis | FTKD, body lesion | Läsion im mittleren Drittel |
Fesselträgerschenkel-Desmitis | FTSD, branch lesion | Läsion im distalen Drittel |
Epidemiologie
Die Fesselträger-Desmitis ist eine häufig auftretende Verletzung beim Pferd. Sie kommt vorwiegend bei Sport- und Leistungspferden vor, kann aber bei allen Rassen und in jedem Alter auftreten.
- Fesselträgerursprung-Desmitis: Betrifft hauptsächlich Sportpferde und tritt vorwiegend an der Hintergliedmaße auf. Sie ist die häufigste Sehnenverletzung beim Pferd.
- Fesselträgerkörper-Desmitis: Tritt gehäuft bei Rennpferden auf und hat in Bezug auf die Rückkehr in den Sport die schlechteste Prognose.
- Fesselträgerschenkel-Desmitis: Kommt ebenfalls häufig bei Sport- und Rennpferden vor und ist meistens mit einer distalen Griffelbeinfraktur vergesellschaftet.
Ätiologie
Die Fesselträger-Desmitis ist häufig die Folge einer chronischen Überbelastung des Fesseltrageapparats, z.B. durch falsches Training oder Training auf weichem Untergrund. Der Fesselträger kann zudem direkt (Trauma) sowie indirekt (sekundär) durch andere Verletzungen (z.B. Griffelbeinfraktur) beeinträchtigt werden.
Pathogenese
Durch die chronische Überbelastung des Fesseltrageapparats und eine über längere Zeit wiederholende Hyperextension im Karpal- oder Tarsalgelenk entstehen innerhalb der Sehne Mikroverletzungen. Es entwickelt sich eine Entzündung und die Sehne wird zusätzlich beeinträchtigt. Bei anhaltender Schädigung kommt es letztendlich zum Zerreißen ganzer Bündel an Sehnenfasern.
Klinik
Das klinische Bild hängt vom Schweregrad der Schädigung und von der Lokalisation am Fesselträger ab.
Lokalisation | Symptome |
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Fesselträgerursprung-Desmitis |
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Fesselträgerkörper-Desmitis |
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Fesselträgerschenkel-Desmitis |
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Diagnose
Aufgrund der Lage und des Verlaufs der Sehne (direkt am Röhrbein, Überlagerung) gestaltet sich die Diagnosestellung schwierig. Neben der Anamnese sind vor allem die klinische und orthopädische Untersuchung hinweisend für eine Erkrankung des Fesselträgers. Mittels Leitungsanästhesien, Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen kann die Diagnose oftmals gesichert werden. Die Sensitivität der einzelnen Untersuchungsverfahren ist stark an die Lokalisation gebunden:
Lokalisation der Läsion | Diagnoseverfahren |
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Fesselträgerursprung-Desmitis |
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Fesselträgerkörper-Desmitis |
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Fesselträgerschenkel-Desmitis |
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Die Magnetresonanztomographie (MRT) stellt zwar den Goldstandard dar, ist aber aufgrund der hohen Kosten und der erschwerten Durchführbarkeit oft nicht anwendbar.
Therapie
Der Therapieplan ist abhängig vom Stadium der Erkrankung (akut vs. chronisch).
Akutes Stadium
Im akuten Stadium (ultrasonographisch und/oder röntgenologisch nachweisbare Läsion) müssen betroffene Tiere für mindestens zwei Monate Boxenruhe einhalten. Die betroffene Region ist regelmäßig zu kühlen (z.B. mit dem Wasserschlauch) und es können systemisch Antiphlogistika (z.B. Phenylbutazon) verabreicht werden. Wenn die Pferde im Schritt lahmfrei sind und die Läsion nicht größer als 50 % des Sehnenquerschnitts ("cross sectional area") ist, können die Tiere in den ersten vier Wochen zweimal täglich für 15 Minuten an der Hand im Schritt bewegt werden. In den darauf folgenden Wochen kann das Schrittprogramm auf 20 Minuten zweimal täglich gesteigert werden. Anschließend ist eine Ultraschallkontrolle durchzuführen.
Sollte sich die Lahmheit sowie die Läsion gebessert haben, kann nach acht Wochen mit dem Traben (an der Longe geführt) begonnen werden. Dieses Programm ist bis zur 16. Woche fortzuführen und dann erneut mittels Ultraschall zu überprüfen. Bei einer Besserung der Symptome darf das Training erneut gesteigert werden, wobei stets berücksichtigt werden muss, dass die vollständige Genesung bis zu einem Jahr benötigen kann.
Während der Heilungsphase sollte die betroffene Gliedmaße mit Bandagen unterstützt und intraläsional mit plättchenreichem Plasma (PRP) behandelt werden.
Chronisches Stadium
Bei einer chronischen Fesselträger-Desmitis sollte ebenfalls ein gezieltes Schrittprogramm für mehrere Wochen befolgt werden. Die Verletzung ist zusätzlich durch einen Spezialbeschlag (z.B. Denoix-Hufeisen) zu unterstützen.
Bei therapieresistenten Fesselträgerursprung-Desmitiden an der Hintergliedmaße hilft oftmals nur noch die Neurektomie des Ramus profundus des Nervus plantaris lateralis in Kombination mit einer Fasziotomie.
Prognose
Die Prognose hängt von der Lokalisation, vom Stadium und von der betroffenen Gliedmaße ab. Eine Fesselträgerursprung-Desmitis an der Vordergliedmaße weist bei konservativer Therapie eine gute Prognose auf (60 % Heilungschance). Die entsprechende Desmitis an der Hintergliedmaße hingegen zeigt bei konservativer Behandlung nur eine etwa 20%ige Chance auf Besserung.
Akute Erkrankungen weisen durchschnittlich eine bessere Prognose auf als chronisch-degenerative Desmititiden.
Literatur
- Baxter GM. 2011. Adams and Stashak's Lameness In Horses. Sixth edition. Wiley-Blackwell Publishing, Ltd. ISBN: 978-0-8138-1549-7/2011.
- Salomon FV, Geyer H, Gille U (Hrsg.). 2008. Anatomie für die Tiermedizin. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1075-1