Griffelbeinfraktur (Pferd)
Synonym: Fraktur des Griffelbeins
Englisch: splint bone fracture, small metacarpal/metatarsal bone fracture
Definition
Als Griffelbeinfraktur bezeichnet man eine Fraktur des Griffelbeins beim Pferd.
Anatomie
Beim Pferd werden die Ossa metacarpalia II und IV bzw. Ossa metatarsalia II und IV als Griffelbeine bezeichnet. Sie liegen medial und lateral hinter den Ossa metacarpalia III bzw. metatarsalia III. Aufgrund ihrer Ausprägung und Lage übernehmen sie unterschiedlich wichtige statische Funktionen.
Die interossären Bänder (Ligamenta intermetatarsalia) sind unterschiedlich stark aufgebaut und unterscheiden sich auch innerhalb der Rassen in ihrer Festigkeit. Sie können sowohl aus kräftigem fibrösen Gewebe bestehen oder gar knochenähnliche Areale aufweisen. Im proximalen Abschnitt des Metakarpus überspannt eine dünne Faszie zusätzlich die Bänder zwischen den einzelnen Knochen. Am distalen Ende der medialen und lateralen Griffelbeine verlaufen bandähnliche Strukturen zu den medialen und lateralen Kondylen der dritten Metakarpal- und Metatarsalknochen, um zusätzlichen Halt zu gewährleisten.
Biomechanik
Die proximalen Abschnitte der Griffelbeine stehen gelenkig mit den Karpal- bzw. Tarsalknochen in Kontakt. Sie wirken als axiale Unterstützung während des Bewegungsvorganges. An der Vordergliedmaße nimmt das Os metacarpale II aufgrund der flachen Gelenkfläche deutlich mehr Gewicht auf als das Os metacarpale IV. Zusätzlich steht das mediale vordere Griffelbein mit dem zweiten und dritten Karpalknochen in Kontakt, wohingegen das laterale nur mit dem vierten Karpalknochen artikuliert. An der Hintergliedmaße besitzt das laterale Griffelbein nur eine kleine Kontaktfläche mit dem vierten Tarsalknochen, sodass hier kaum Belastung aufgenommen wird.
Vorkommen
Griffelbeinfrakturen kommen häufig vor. Sie treten bei allen Arten von Freizeit- und Sportpferden und in jedem Alter auf.
Ätiologie
Häufigste Ursachen einer Griffelbeinfraktur sind traumatische Einwirkungen von außen (z.B. Trittverletzungen durch Artgenossen). Zusätzlich kann es auch zu spontanen Frakturen während sportlicher Leistungen kommen.
Klinik
Leitsymptom einer Griffelbeinfraktur ist eine Lahmheit, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Die Schmerzen hängen dabei von der Art der Fraktur (offen oder geschlossen) und von der Lokalisation der Frakturlinie (proximal, mittig, distal) ab. Offene Frakturen gehen mit einer stärkeren Lahmheit einher als geschlossene. Distale Verletzungen werden oftmals besser toleriert als proximal liegende Frakturen.
Der betroffene Bereich ist oftmals geschwollen, druckdolent und höher temperiert. Lokale Reaktionen weisen hierbei auf eine Mitbeteiligung des umliegenden Gewebes hin. Offene, oftmals klaffende Wunden sind häufig die Folge von Trittverletzungen. Das klinische Bild hängt jedoch stark von dem Zeitintervall zwischen Verletzung und Vorstellung in einer Klinik ab. Bei chronischen Wunden lässt sich der bereits gebildete Kallus oftmals schon von außen palpieren.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sind aseptische Entzündungen des Fesselträgers und phlegmonöse Umfangsvermehrungen in diesem Bereich mittels Ultraschall auszuschließen.
Diagnose
Bei akut einsetzender Lahmheit bzw. bei Verdacht auf eine Fraktur sollten diagnostische Anästhesien möglichst vermieden werden, um weiteren Verletzungen vorzubeugen.
Untersuchungsmethode der Wahl sind vergleichende Röntgenbilder der betroffenen Region. Die Fraktur lässt sich dabei radiologisch meist eindeutig nachweisen. Um zusätzliche Verletzungen nicht zu übersehen, sind stets vier Strahlengänge vorzunehmen: lateral, dorsopalmar bzw. dorsoplantar, dorsomedial-plantarolateral-oblique (DMPLO) und dorsolateral-plantaromedial-oblique (DLPMO). Am Röntgenbild sollten auch immer die proximalen Gelenke abgebildet sein.
Zusätzlich können mithilfe einer Ultraschalluntersuchung die Fraktur und mögliche Bandverletzungen dargestellt werden. Eine Computertomographie der distalen Gliedmaße bietet zusätzlich noch weitere diagnostische Vorteile (Osteomyelitis, Sequester u.ä.).
Therapie
Die Therapie hängt vom Grad (akut oder chronisch) und von der Art der Fraktur (proximal, mittig oder distal) sowie vom beteiligten Griffelbein (medial oder lateral bzw. vorne oder hinten) ab. Grundsätzlich ist zwischen einer konservativen und einer chirurgischen Vorgehensweise auszuwägen.
Proximale Fraktur
Proximale Griffelbeinfrakturen sind schwierig zu behandeln. Es können sowohl konservative als auch chirurgische Methoden angewendet werden, die individuell entschieden werden müssen.
Trümmerfrakturen sollten aufgrund der anatomischen Lage konservativ therapiert werden. Offene Wunden sind am stehend sedierten Pferd zu reinigen (Wunddebridement) und mittels Stützverband zu schützen. Betroffene Tiere müssen sowohl antiphlogistisch als auch antibiotisch abgedeckt und engmaschig röntgenologisch kontrolliert werden. Anschließend ist eine 1 bis 2-monatige Boxenruhe mit darauf folgendem kontrollierten Aufbautraining einzuhalten. Je nach Situation kann auch das distal der Fraktur liegende Segment operativ reseziert werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nie mehr als 2/3 des gesamten Knochens entfernt werden darf, da sonst Instabilitäten entstehen. Eine vollständige Resektion kann nur am lateralen Griffelbein der Hintergliedmaße ohne weitere Komplikationen durchgeführt werden.
In manchen Fällen empfiehlt sich auch eine interne Fixation mittels schmaler Osteosyntheseplatte. In der Literatur ist auch die Möglichkeit einer segmentalen Ostektomie beschrieben.
Mittige Fraktur
Mittig liegende Frakturen können sowohl konservativ als auch chirurgisch behandelt werden. Die Wahl der Therapie hängt dabei von der Art der Verletzung und vom finanziellen Rahmen ab.
Die konservative Therapie wird bei kostenlimitierten Patienten und bei Pferden mit chronischen Frakturen durchgeführt (mit nur leichter Kallusbildung). Akute und nicht-dislozierte Frakturen können ebenfalls konservativ behandelt werden. Aufgrund der Komplikationsrate (Instabilität der Frakturenden, verzögerte Heilung und überschießende Kallusbildung) wird eine chirurgische Behandlung jedoch angeraten. Hierzu kann eine partielle Osteotomie proximal der Fraktur mit Resektion der Frakturstücke sowie des distalen Griffelbeins erfolgen.
Distale Fraktur
Distale Frakturen befinden sich oftmals an der schmalsten Stelle des Knochens oder distal der Ansatzstelle des interossären Bandes. Nicht-dislozierte Frakturen lassen sich daher meistens konservativ behandeln.
Stark dislozierte oder schlecht heilende Frakturen sind chirurgisch zu versorgen. Hierzu kann sowohl am liegenden als auch am stehend sedierten Pferd das frakturierte Fragment reseziert werden.
Literatur
- Auer JA, Kümmerle JM. Section XII Musculoskeletal System. In: Auer JA, Stick JA, Kümmerle JM, Prange T. 2019. Equine Surgery. Fifth edition. St. Lous: Elsevier, Inc. 1220-1830. ISBN: 978-0-323-48420-6
- Brehm W, Burk J, Delling U, Hagen J, Köhler M, Litzke LF, Nowak M, Rijkenhuizen A, Schusser GF, Tietje S, Troillet A. Krankheiten des Bewegungsapparats. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 849-1148. ISBN: 978-3-13-219621-6
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