Embryonale Leberentwicklung
Synonym: Entwicklung des hepatobiliären Systems
Englisch: development of liver
Definition
Die embryonale Leberentwicklung ist ein mehrstufiger Prozess der Embryogenese und beschreibt die Bildung der Leber während der Embryogenese sowie im weiteren Sinn des gesamten hepatobiliären Systems (Leber, Gallenwege und Gallenblase).
Hintergrund
Die Leber, das Zentralorgan des gesamten Stoffwechsels, geht aus einer epithelialen Knospe hervor, die durch schrittweise Proliferation zum reifen Organ heranwächst und seine vielseitige Funktion aufnimmt. Die gesamte Entwicklung des hepatobiliären Systems kann grob in zwei Schritte unterteilt werden:
- Entwicklung des Parenchyms von Leber, Gallenwegen und Gallenblase
- Entwicklung des intrahepatischen Gefäßsystems
Parenchymentwicklung
Durch Aussprossung von Entodermzellen aus dem Darmrohr im Bereich des späteren Duodenums entsteht ab einem Embryonalstadium mit 7 Somiten die Leberanlage. Man bezeichnet diesen Bereich auch als hepatopankreatischen Ring. Die Leberanlage kann in zwei Abschnitte unterteilt werden:
- durch Abschnürungen gehen aus dem unteren Abschnitt Gallenblase, Ductus cysticus und die übrigen extrahepatischen Gallenwege hervor,
- der obere Abschnitt dient der Entwicklung des Leberparenchyms und der intrahepatischen Gallenwege.
Die Leberparenchym-bildenden Zellen wachsen zunächst in das Mesogastrium ventrale und das Septum transversum (eine der Zwerchfellanlagen) hinein. Dort ordnen sie sich zu Bälkchen und Platten an, die von weitläufigen blutgefüllten Sinus gesäumt werden.
Die Sinusendothelzellen, welche die Wände des Sinus bilden, entstammen ursprünglich aus dem Bindegewebe des Septum transversum. Außerdem gehen aus diesem auch Zellinseln von hämatopoetisch aktivem Gewebe und die Kupffer-Zellen hervor. Im 6.-7. Monat p.c. erreicht die Blutbildung in der Leber ihren Höhepunkt, wird danach bis zur Geburt jedoch fast vollständig zurückgebildet.
Entwicklung des intrahepatischen Gefäßssystems
Die Venae vitellinae (Dottervenen) spielen für die Entwicklung des intrahepatischen Gefäßsystems eine große Rolle. Sie nehmen einen Verlauf in unmittelbarer Nachbarschaft des Darmrohres auf und bilden dabei vor und hinter diesem Anastomosen.
Durch Umbauvorgänge entwickeln sich aus den Venae vitellinae und deren Anastomosen zu- und abführende Venen der Leber sowie die intrahepatischen Blutsinus. Das dabei aussprossende Leberparenchym umwächst die Dottervenen mit ihren Anastomosen, weshalb Sinusoide mit Anschluss an das venöse System entstehen.
Der kraniale Anteil des Gefäßnetzes bildet die Grundlage für das intrahepatische Stück der Vena cava inferior und die Venae efferentes. Aus den letzteren entwickeln sich im Verlauf die Venae hepaticae. Nachdem die linke Vena vitellina obliteriert, entsteht schlussendlich ein einheitlicher zuführender Venenstamm links vom Duodenum, der später als Vena portae hepatis bzw. eines ihrer Quellgefäße, die Vena mesenterica superior, bezeichnet wird.
Das sich entlang der entwickelnden Vena portae hepatis befindliche mesenchymale Bindegewebe durchläuft einen Proliferationsprozess (ab der 7. Woche) und breitet sich deshalb entlang der intrahepatischen Verzweigungen aus. In dieses Bindegewebslager dringen von außen kommend die Äste der Arteria hepatica vor und verzweigen sich entsprechend dem Verlauf der bindegewebigen Septen. Dieser Prozess schreitet - ausgehend von der Leberpforte - in das Innere der Leber fort. Dies ist auch der Grund, weshalb schon bei einem frühen Entwicklungszeitpunkt die charakteristische Trias von Arterien, Venen und intrahepatischen Gallenwegen entstehen.
Die jeweils rechts und links der Leberanlage verlaufenden Venae umbilicales führen Blut, das in der Plazenta arterialisiert wurde. Später erlangt die linke Vena umbilicalis einen Anschluss an das Sinussystem der Leber, wohingegen die rechte Umbilicalarterie zurückgebildet wird. Schlussendlich resultiert daraus, dass das gesamte arterialisierte Blut aus der Plazenta in die Leber überführt wird. Ein anschließender Umbau des intrahepatischen Gefäßsystems ermöglicht, dass dieses Blut unmittelbar in die rechten Venae efferentes hepatis und von dort über in die Vena cava in das Herz gelangt. Man bezeichnet diesen "Kurzschluss" auch als Ductus venosus hepatis. Postnatal obliterieren Vena umbilicalis und Ductus venosus zum Ligamentum teres hepatis bzw. Ligamentum venosum.
Überblick über die Entwicklung des intrahepatischen Gefäßsystems:
Embryonale Gefäße | Adulte Strukturen |
---|---|
Venae vitellinae › kranialer Anteil › Mitte › kaudaler Anteil |
› Vena cava inferior (intrahep. Anteil) › Lebersinusoide › Vena mesenterica superior, Vena portae hepatis |
Venae efferentes hepatis | Venae hepaticae |
Vena umbilicalis | Ligamentum teres hepatis |
Ductus venosus (Arantii) | Ligamentum venosum (Arantii) |
Literatur
- "Duale Reihe Anatomie" - Gerhard Aumüller et. al., Thieme-Verlag, 2. Auflage