Elektrischer Sturm
Englisch: electrical storm
Definition
Ein elektrischer Sturm bezeichnet das Auftreten von mindestens drei Episoden ventrikulärer Tachykardien (VT) oder Kammerflimmern (VF) innerhalb von 24 Stunden. Es erfordert eine sofortige medizinische Intervention.
Hintergrund
Der elektrische Sturm ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der vor allem bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung und implantiertem Kardioverter-Defibrillator (ICD) auftritt. Er spiegelt eine ausgeprägte elektrische Instabilität des Myokards wider, meist verursacht durch ischämische oder fibrotische Umbauvorgänge.
Dieser Zustand führt zu anhaltenden oder wiederkehrenden lebensbedrohlichen ventrikulären Arrhythmien. Neben der direkten Gefahr erhöhen die psychische Belastung und die kardiale Dekompensation durch häufige ICD-Schockabgaben die Mortalität zusätzlich. Das Risiko für Tod oder schwerwiegende Komplikationen liegt in Studien bei 33–54 % innerhalb eines Jahres.
Pathophysiologie
Der elektrische Sturm entsteht meist durch eine monomorphe ventrikuläre Tachykardie, die in Bereichen langsamer Erregungsleitung im Narbengewebe eines früheren Myokardinfarkts verankert ist. Selten liegt eine polymorphe VT vor, die i.d.R. im Zusammenhang mit akuter Myokardischämie auftritt. In diesem Fall verursachen eng aufeinanderfolgende Extrasystolen aus verletzten Purkinje-Fasern oder ischämischem Myokard das Kammerflimmern. Zur Abklärung reversibler Ursachen sind eine invasive Koronardiagnostik und Bildgebung (z.B. MRT oder PET bei Verdacht auf Myokarditis oder Sarkoidose) wichtig. Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie, Hypomagnesiämie oder Hyperkaliämie begünstigen die elektrische Instabilität. Der elektrische Sturm tritt überwiegend tagsüber auf, wenn die sympathische Aktivität erhöht ist.
Risikofaktoren
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Pulmonale Erkrankungen können durch Hypoxie, pulmonale Hypertonie und autonome Dysregulation die elektrische Instabilität des Herzens fördern.
- Ischämische Kardiomyopathie: Vor allem Patienten mit narbigen Umbauvorgängen im Myokard haben ein erhöhtes Risiko für Reentry-basierte ventrikuläre Tachykardien.
- Schwere Herzinsuffizienz: NYHA-Klasse III/IV korreliert mit erhöhter Arrhythmieneigung durch strukturelle und neurohumorale Veränderungen.
- Breiter QRS-Komplex (>120 ms): Zeichen für eine ventrikuläre Leitungsverzögerung, häufig assoziiert mit einem erhöhten Risiko für ventrikuläre Tachykardien.
- Erhöhte NT-pro-BNP-Werte: Marker für kardiale Belastung und Herzinsuffizienz, die mit Arrhythmierisiko korrelieren.
- Vermehrte rechtsventrikuläre Stimulation: Kann proarrhythmogen wirken, insbesondere bei Patienten mit ICD und bestehender Myokardschädigung.
Therapie
Die Behandlung des elektrischen Sturms ist interdisziplinär und umfasst:
Akuttherapie
- Kardioversion/Defibrillation: Sofortige elektrische Behandlung bei hämodynamischer Instabilität oder Kammerflimmern
Medikamentöse Therapie
- Antiarrhythmika: Amiodaron ist Mittel der Wahl zur Stabilisierung des Rhythmus
- Betablocker: Zur Reduktion der sympathischen Aktivierung
- Elektrolytkorrektur: Ausgleich von Kalium und Magnesium
Behandlung zugrundeliegender Ursachen
- Reperfusion bei Ischämie: PCI bei akutem Koronarsyndrom
- ICD-Anpassung: Programmierung zur Vermeidung unnötiger Schocks
In therapierefraktären Fällen kommen kardiochirurgische Optionen, z.B. eine bilaterale Sympathektomie, in Betracht,
Literatur
- AWMF S3-Leitlinie „Management ventrikulärer Tachykardien und Kammerflimmern“
- Ene et al. Akuttherapie ventrikulärer Arrhythmien mit Schwerpunkt elektrischer Sturm. Aktuelle Kardiologie. 2023;12(3):217–222. DOI: 10.1055/a-2036-8242
- Israel und Manegold. (2014). Elektrischer Sturm. Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie, 2(2), 217–222. https://doi.org/10.1055/a-2036-8242
- ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. European Heart Journal. 2015 Nov 1;36(41):2793–2867. DOI: 10.1093/eurheartj/ehv316