EPEC
Synonyme: Enteropathogene Escherichia coli, Dyspepsie-Coli
Englisch: enteropathogenic E. coli
Definition
Enteropathogene Escherichia coli, kurz EPEC, sind humanpathogene Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli. Sie sind weltweit als Auslöser der sogenannten Säuglingsdiarrhoe bekannt, da vor allem Säuglinge und Kleinkinder erkranken.
ICD10-Codes
- A04.0: Darminfektion durch enteropathogene Escherichia coli
- A09.0: Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs
Erreger
Escherichia coli ist ein gramnegatives, peritrich beigeßeltes und daher bewegliches Stäbchen, das direkt oder indirekt über Nahrungsmittel und/oder Wasser fäkal-oral übertragen wird. Der Nachweis von E. coli in Trinkwasser, Lebensmitteln oder auf Gegenständen im Umfeld des Menschen weist immer auf eine Verunreinigung mit menschlichen oder tierischen Exkrementen hin.
siehe auch: Escherichia coli
Die ersten EPEC-Stämme wurden im Jahr 1945 durch den Pädiater John Bray in Großbritannien bei an Durchfall erkrankten Kindern nachgewiesen.
Klassifikation
Die Einteilung nach Serotyp stellt aufgrund der Komplexität der O- (Lipopolysaccharide der Zelloberfläche) und H-Antigene (Geißelprotein) bei der ersten Differenzierung von Escherichia coli die Methode der Wahl dar. In der Literatur werden die humanen EPEC-Serogruppen O26, O44, O55, O86, O111, O114, O119, O125, O126, O127, O128, O142 und O158 beschrieben (WHO 1987). Da allerdings z.B. Serovar O26:H11 zu unterschiedlichen Escherichia-coli-Subtypen (EPEC und EHEC) gehören kann, werden die verschiedenen Stämme in Abhängigkeit ihrer Pathogenitätsmechanismen in sog. Pathovare unterteilt. Daher steht heutzutage die Untersuchung der Virulenzfaktoren (Adhärenzfaktoren, Enterohämolysin, Verotoxin) im Vordergrund.
Pathomechanismus
Die besondere Fähigkeit von EPEC ist die Adhäsion an die Darmmukosazellen des unteren Dünndarms. Das gelingt dem Erreger mit Hilfe eines "EPEC-adherence factor" (EAF). Das EPEC-typische Adhärenzmuster einer Bakterien-zu-Bakterien-Anheftung beruht auf der Expression eines Plasmid-kodierten Proteins, dem bundle-forming-pilus (BFP), der die Anheftung zwischen den Bakterien ermöglicht.
Gleichzeitig wird das Adhäsin Intimin exprimiert und zur äußeren EPEC-Membran transportiert sowie das Typ-III-Sekretionssystem und die EspA-Filamente, die den ersten Kontakt mit dem Enterozyten-Zytoplasma aufnehmen und in die Zelle geschleust werden. Diese Pathogenitätsfaktoren für die Anheftung an die Enterozyten werden im Locus of enterocyte effacement (LEE) kodiert.
Zum einen bringt die Intimin-vermittelte Anheftung die Zerstörung der Mikrovilli der Darmwand mit sich, zum anderen beeinflussen die übrigen sezernierten toxischen Moleküle sowie das Toxin Enterohämolysin den Zellstoffwechsel. Dies führt zur Unterbrechung der Zellfunktionen, zu Elektrolytverlust und aktiver Wasser- und Ionenausscheidung, vermehrter intestinaler Permeabilität, Darmentzündung und schließlich zum Zelltod. Je nach Serotyp können EPEC-Stämme auch das Shiga-like-Toxin I oder II produzieren. Auch diese stören den Zellstoffwechsel in einer ähnlichen Weise wie Enterohämolysin.
Epidemiologie
Die Beziehung zwischen Alter und Durchfallerkrankung ist bei EPEC-Infektionen besonders zu berücksichtigen: Kinder unter zwei Jahren, insbesondere Kleinkinder unter sechs Monaten, sind am häufigsten betroffen. Gründe hierfür werden in einem altersabhängigen Verlust der spezifischen Rezeptoren für diese Bakterien am Darmepithel sowie in der Entwicklung des Immunsystems gesehen.
Erregerreservoir
Der Mensch ist, anders als bei EHEC-Erregern, einziges Erregerreservoir.
Übertragung
Der indirekte Übertragungsweg erfolgt vor allem alimentär durch die orale Aufnahme von verunreinigten Lebensmitteln (Milchprodukte, Fleisch, Fisch) oder Trinkwasser. Infizierte Patienten scheiden den Erreger in großen Mengen aus. Dies führt in Regionen mit mangelnder Wasser- und Lebensmittelhygiene zur Kontamination von Lebensmitteln.
Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich und erfolgt fäkal-oral, meist über verunreinigte Hände.
Klinik
Die Infektionsdosis beträgt beim Erwachsenen zwischen 108 und 1010 Bakterien insgesamt, bei Kindern ist sie wahrscheinlich niedriger.
Der klinische Verlauf ist sehr unterschiedlich. Asymptomatische Fälle sind möglich. Ansonsten führt EPEC nach einer Inkubationszeit von 2 bis 10 Tagen zu einer Escherichia-coli-Enteritis, die sich zunächst durch eine wässrige Diarrhö bemerkbar macht. Im weiteren Verlauf kann es zu einer hämorrhagischen Colitis mit blutigen Durchfällen und Bauchkrämpfen kommen. Als zusätzliche Symptome kommen Fieber und Erbrechen in Betracht.
Diagnostik
Die Proben aus dem Stuhl oder Dünndarmsekret können zur Erregeranzucht auf Differential- bzw. Selektivnährböden für Enterobacteriaceae (MacConkey-Agar) oder zur biochemischen Differenzierung und Serotypisierung mittels O-Antigen verwendet werden.
Alternativ kann das von EPEC gebildete Enterohämolysin durch eine Zellkultur oder immunologisch mit ELISA oder PCR nachgewiesen werden.
Therapie
Die Behandlung ist symptomatisch und konzentriert sich auf den Ausgleich des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalts durch orale Gabe von Elektrolytlösungen oder Infusionen. Bei Niereninsuffizienz kann die Dialyse zum Einsatz kommen.
Prävention
Eine Impfung ist nicht verfügbar, daher konzentriert sich die Prävention auf Hygiene und eine adäquate Lebensmittelzubereitung. Hier gilt die Regel: "Peel it, boil it, cook it - or forget it.". Die ausreichende Erhitzung der Nahrungsmittel vor dem Verzehr tötet Escherichia coli ab. Gemüse sollte ausreichend gewaschen und geschält werden, um die Keimanzahl deutlich zu reduzieren.
Meldepflicht
Labor
Eine Meldepflicht besteht nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bei jeglichem Nachweis von Escherichia coli oder sonstiger darmpathogener Stämme außer EHEC.
Arzt
Eine Meldepflicht besteht nach § 6 des IfSG bei einer akut infektiösen oder mikrobiell bedingten Gastroenteritis oder Lebensmittelintoxikation,
- wenn eine Beschäftigung im Lebensmittelverkehr bzw. in Küchen für Gemeinschaftseinrichtung vorliegt (§ 42)
- wenn 2 oder mehr Erkrankungen mit anzunehmendem epidemischen Zusammenhang auftreten
um diese Funktion zu nutzen.