Endosulfan
Synonyme: Thiodan, Thionex, Benzoepin
Handelsnamen: Beosit®, Chlortiepin®, Cyclodan®, Devisulphan®, Endocel®
Definition
Endosulfan ist ein synthetisches Insektizid und Akarizid aus der Gruppe der Chlorkohlenwasserstoffe.
Chemie
Der IUPAC-Name von Endosulfan lautet:
- 6,7,8,9,10,10-hexachloro-1,5,5a,6,9,9a-hexahydro -6,9-methano-2,4,3-benzodioxathiepine-3-oxid
Die Summenformel der Verbindung ist C₉H₆Cl₆O₃S, ihre molare Masse beträgt 406,93 g/mol. Endosulfan gehört zur Gruppe der Cyclodien-Insektizide. Das technische Produkt besteht aus einer Mischung zweier stereoisomerer Formen: α-Endosulfan und β-Endosulfan.
Eigenschaften
Endosulfan liegt in Form brauner Kristalle mit einem stechenden Geruch vor. Es ist in Wasser nur gering löslich, zeigt jedoch eine gute Löslichkeit in vielen organischen Lösungsmitteln. Aufgrund ihrer Flüchtigkeit kann die Verbindung durch atmosphärische Prozesse über weite Distanzen verbreitet werden.
Ein charakteristisches Merkmal von Endosulfan ist seine Persistenz in der Umwelt. Die Halbwertszeit im Boden beträgt bis zu 120 Tage. Durch Anreicherung in Organismen kann es zur Bioakkulumation entlang der Nahrungskette kommen. Bei der Oxidation von Endosulfan entsteht unter anderem der Metabolit Endosulfansulfat, der sowohl toxischer als auch langlebiger ist, als die Ausgangsverbindung.
Aufgrund dieser Eigenschaften stellt Endosulfan eine ernsthafte Bedrohung für Ökosysteme dar.
Wirkmechanismus
Die insektizide Wirkung von Endosulfan beruht auf einem neurotoxischen Mechanismus. Die Substanz wirkt als nicht-kompetitiver Antagonist am GABA-Rezeptor im Nervensystem von Insekten und Wirbeltieren. Dies führt zu einer Blockade der inhibitorischen GABAergen Signalübertragung und in der Folge zu einer unkontrollierten neuronalen Erregung. Resultierende Symptome sind Muskelkrämpfe, Koordinationsstörungen, Krampfanfälle und Atemlähmung, die zum Tode führen können.
Da die GABA-vermittelte Signalübertragung auch im menschlichen Nervensystem eine zentrale Rolle spielt, kann Endosulfan auch beim Menschen schwere neurologischen Störungen hervorrufen. Der Wirkmechanismus wirkt nicht selektiv auf Zielorganismen wie Insekten, sondern auch auf zahlreiche andere Tiere wie Fische, Vögel und Säugetiere.
Resistenz
Trotz seiner Wirksamkeit wurden bei einigen Schädlingen Resistenzentwicklungen gegenüber Endosulfan beobachtet. Ein Beispiel ist die Weiße Fliege (Bemisia tabaci) in Marokko, die eine geringe Resistenz gegenüber Endosulfan zeigt.
Ökotoxikologie
Die ökotoxikologischen Auswirkungen von Endosulfan sind erheblich und betreffen insbesondere aquatische Ökosysteme. Bereits geringe Konzentrationen von 0,04 µg/L können für Krebstiere toxisch sein, während Konzentrationen ab 1 mg/L für die meisten Wasserorganismen tödlich sind. Endosulfan reichert sich zudem in Sedimenten an und führt durch Bioakkumulation in Nahrungsketten zu langfristigen Schäden in Ökosystemen.
Darüber hinaus wirkt Endosulfan als endokriner Disruptor und verursacht so bei verschiedenen Tierarten – insbesondere bei Fischen – Reproduktions- und Entwicklungsstörungen.
Nachdem die Substanz seit 1950 in der Landwirtschaft eingesetzt wurde, ist sie mittlerweile aufgrund ihrer Eigenschaften als persistent organic pollutant klassifiziert. Mit Ausnahme von China und Indien ist die Herstellung und Anwendung seit 2012 in den meisten Ländern der Welt verboten.
Humantoxikologie
Für Menschen stellt Endosulfan eine erhebliche Gesundheitsgefahr dar. Akute Intoxikationen treten durch direkten Kontakt oder Inhalation auf. Typische Symptome sind Übelkeit, Krampfanfälle und Atemlähmung.
Die mittlere letale Dosis (LD50) liegt für Ratten bei 18-355 mg/kg Körpergewicht. Ähnliche Werte werden auch für den Menschen angenommen.
Schwere Vergiftungen sind durch heftige Krampfanfälle gekennzeichnet, die 0,5 bis 3 Stunden nach der Exposition auftreten. Innerhalb weniger Stunden bis zu einem Tag tritt entweder der Tod oder eine beginnende Erholung ein. Auch noch bis zu 48 Stunden nach der Exposition können Krampfanfälle auftreten und sich über mehrere Tage hinweg wiederholen.
Therapie
Es ist kein spezifisches Antidot bekannt. Die Behandlung erfolgt symptomatisch und beinhaltet intensivmedizinische Maßnahmen zur Kontrolle von Krampfanfällen, Koma, Kreislaufstörungen und Atemdepression.
Bei Hautkontakt mit Endosulfan müssen kontaminierte Kleidungsstücke sofort entfernt und die betroffenen Hautstellen, einschließlich Haare und Nägel, gründlich mit Wasser und Seife gewaschen werden. Dabei ist der Eigenschutz für Rettungskräfte zu beachten, um eine Kontamination zu verhindern.
Literatur
- Bouharroud, R. et al.: PYRETHROIDS AND ENDOSULFAN RESISTANCE OF BEMISIA TABACI IN THE TOMATO GREENHOUSES OF THE SOUSS VALLEY OF MOROCCO. Acta Hortic, 2007
- https://www.coastalwiki.org/wiki/Endosulfan
- National Institute for Public Health and the Environment der Niederlande: Endosulfan. A closer look at the arguments against a worldwide phase out.
- INCHEM - International Peer Reviewed Cehmical Safety Information