Bankart-Läsion
nach dem englischen Orthopäden Arthur Sydney Blundell Bankart (1879–1951),
Englisch: Bankart lesion
Definition
Als Bankart-Läsion bezeichnet man das vollständige Abreißen des anteroinferioren Labrum glenoidale vom angrenzenden Pfannenrand (Glenoid). Sie ist eine entscheidende Ursache für rezidivierende Schulterluxationen.
Terminologie
Die beschriebene kapsulolabrale Verletzung wird auch weiche oder fibröse Bankart-Läsion genannt. Wenn es im Rahmen des Traumas zu einem zusätzlichen Kortikalisfragments am anteroinferioren Glenoidrand kommt, so wird diese Verletzung als knöcherne Bankart-Läsion bezeichnet. Diese wird von der Bankart-Fraktur unterschieden, die bis zu einem Drittel der Gelenkfläche umfassen kann, wobei der Übergang fließend ist. Eine Bankart-Läsion kann sich bis in den Bizepsanker erstrecken und so zu einer semizirkulären Ablösung des Labrums führen (Andrews-Läsion).
Einen Abriss des posterioren Labrums bei hinterer Schulterluxation wird analog "reversed-Bankart-Läsion" genannt.
Epidemiologie
Die Bankart-Läsion tritt bei ca. 75 % der vorderen Schulterluxationen vor dem 40. Lebensjahr auf.
Ätiopathogenese
Eine Bankart-Läsion entsteht im Rahmen einer vorderen Schultergelenkluxation, wenn der Humeruskopf gegen das Labrum gepresst wird.
Die Totalruptur des anterioinferioren Labrums mit begleitend zerrisenem Periost der Scapula führt zu einem Abriss des Labrums vom anteroinferioren Glenoidrand. Die häufigste Lokalisation der Labrumläsion ist der Labrum-Knorpel-Übergang. Gleichzeitig liegt auch ein Abriss der Anheftung des vorderen Zügels des Ligamentum glenohumerale inferius (aIGHL) an der Gelenkkapsel vor. Das aIGHL verbleibt somit am Labrum, sodass der wichtigste vordere Stabilisator des Schultergelenks insuffizient ist. Dadurch kommt es zu rezidivierenden Luxationen.
Klinik
Hinweisend auf eine Bankart-Läsion sind neben Schulterschmerzen nach vorheriger vorderer Luxation mehrere klinische Tests:
- Vorderer Schubladentest: Der Patient sitzt und legt den Unterarm auf seinen Schoß. Der Humerus wird gegen das Glenoid und nach vorne gedrückt. Bei Verlagerung nach anterior ist der Test positiv.
- Sulcus-Test: Beim sitzenden Patienten wird ein axialer Zug nach unten auf den herabhängenden Oberarm ausgeübt. Bildet sich eine Rinne unterhalb des Akromions ist der Test positiv.
- anteriorer Apprehension-Test nach Rowe und Zarins: Der Untersucher führt mit der einen Hand den betroffenen Arm des Patienten passiv in eine 90°-Abduktion und maximale Außenrotation. Mit der anderen Hand wird von hinten oben Druck auf den Oberarmkopf ausgeübt. Dieser Vorgang wird in 60-, 90- und 120°-Abduktion wiederholt. Als positiv gilt der Test, wenn der Patient unwillkürlich die Schultermuskulatur anspannt, um eine Subluxation oder Luxation zu verhindern bzw. wenn der Patient ein subjektives Instabilitätsgefühl verspürt.
- Fulcrum-Test: Modifikation des Apprehension-Tests. Der Patient befindet sich in Rückenlage mit um 90° abduziertem und gestrecktem Arm, während die andere Hand unter der Schulter als Hebelpunkt wirkt.
Bildgebung
Konventionelles Röntgen
Im Röntgenbild können mit einer Bankart-Läsion assoziierten Knochenveränderungen (bipolare Knochenverletzungen) erkannt werden:
- Hill-Sachs-Impaktionsfraktur des posterolateralen superioren Humeruskopfs
- Knochenverlust bzw. Abflachung des anterioren Glenoids
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) kann im Weichteilfenster die Ablösung des anteroinferioren Labrums und des vorderen Zügels des IGHL dargestellt werden. In der CT-Arthrographie durchquert das Kontrastmittel das anteroinferiore Labrum und den angrenzenden Kapselansatz. Die Sensitivität beträgt 95 %.
Wie im Röntgenbild können ebenfalls assoziierte Knochenbefunde erkannt werden.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) ist die Ablösung des anteroinferioren Labrums sowie des anterioren Zügels des IGHL vom Glenoidrand gut darstellbar. Weiterhin kann das gerissene Periost der Scapula erkannt werden. Entscheidende diagnostische Hinweise sind ein hohes PDw- oder T2w-Signal sowie eine Verlagerung des anteroinferioren Labrums weg vom Glenoidrand. Die Läsion befindet sich in 3- bis 6-Uhr-Position. Entscheidend sind schräg axiale Schichten senkrecht zum anteroinferioren Labrum.
PDw-FS-Sequenz
In der PDw-FS-Sequenz zeigt sich ein hohes Signal, das sich durch das anteroinferiore Labrum und den angrenzenden Kapselansatz erstreckt. Der Riss befindet sich meist am Übergang zwischen Labrum und Knorpel. Außerdem kann sich die Läsion bis zum anterosuperioren oder inferioren Labrum erstrecken. Ein weiteres Zeichen einer Bankart-Läsion ist die Verschiebung des anterioinferioren Labrums weg vom Glenoidrand.
In der Akutsituation treten Ödeme oder Hämatome entlang des anterioren Kapselrands und/oder ein Gelenkerguss auf. Bei chronischen Läsionen vernarbt das verschobene Labrum an der Kapsel. Dadurch wird das initial hohe Signal deutlich abgeschwächt. Weiterhin kann es auch zu einer Resorption des Labrums kommen.
Assoziierte Befunde sind eine Kontusion oder eine Impaktionsfraktur des posterolateralen superioren Humeruskopfs (Hill-Sachs-Delle). Auch ein Knochenverlust bzw. eine Abflachung des anterioren Glenoids kann auffallen.
Die Sensitivität beträgt ca. 70 %. Sie ist höher bei akuten Läsionen und niedriger bei chronischer Instabilität. Bei einer Feldstärke von 3 Tesla liegt die Sensitivität bei 90 %.
MRT-Protokoll
Bei optimale Wahl der Pulssequenz ist umstritten: Sequenzen mit kurzer Echozeit (TE) wie T2*-GRE- und PDw-Sequenzen weisen den Vorteil auf, dass mehr Bankart-Läsionen erkennbar sind. Aufgrund von myxoider Degeneration und einem Magic-Angle-Artefakt kann auch ein normales Labrum ein erhöhtes Signal aufweisen.
In T2w-Sequenzen ist ein hohes Signal im Labrum immer pathologisch. Die Sensitivität ist jedoch geringer, da sich einige Läsionen mit fibrovaskulärem Gewebe auffüllen und dadurch das T2w-Signal abnimmt.
Indirekte MR-Arthrographie
Bei der indirekten MR-Arthrographie wird Kontrastmittel intravenös appliziert und nach einer gewissen Latenz die MRT durchgeführt. Sie weist eine Sensitivität von über 90 % auf. Nachteilig ist, dass das normale Labrum Kontrastmittel aufnimmt.
Direkte MR-Arthrographie
Bei der direkten MR-Arthrographie wird Kontrastmittel intraartikulär injiziert und anschließend die MRT durchgeführt. Dabei erstreckt sich das Kontrastmittel zwischen das anteroinferiore Labrum und den angrenzenden Glenoidrand. Die Sensitivität beträgt 95 %.
Differerenzialdiagnosen
Mehrere ähnliche Verletzungen werden als sogenannte Bankart-Varianten zusammengefasst. Dazu zählen:
- partielle Bankart-Läsion: Das Labrum ist nicht komplett abgelöst. Das hohe Signal erstreckt sich nur teilweise in das anteroinferiore Labrum.
- Perthes-Läsion: nicht-dislozierte Avulsion des anterioren Labrums mit intaktem, von der Scapula abgehobenem Periostschlauch. IGHL verbleibt am Periost des Glenoids. Keine mediale Dislokation des Labrums.
- ALPSA-Läsion: Riss des anteroinferioren Labrums vom Glenoid. Das Labrum ist nach medial verlagert und nach inferior rotiert, aber durch das intakte, von der Scapula abgehobene Periost noch mit dem Glenoid verbunden. Bei chonischen Läsionen wird das Labrum von Synovialis bedeckt und vernarbt am medialen Skapulahals.
- GLAD-Läsion: anteriore glenoidale Knorpelläsion und oberflächlicher anteroinferiorer Labrumriss.
Weitere Differenzialdiagnosen sind:
- Ruptur des Ligamentum glenohumerale inferior: häufig bei älteren Patienten nach vorderer Schulterluxation
- HAGL-Läsion: isolierte knöcherne Avulsion des vorderen Zügels des IGHL vom Humerus. Keine Läsion am Glenoidrand. Bei einer HAGL- und gleichzeitigen Bankart-Läsion spricht man auch von einem "Floating IGHL".
- Normvarianten des anterosuperioren Labrums: Foramen sublabrale, Buford-Komplex
Ausgedehnte Labrumverletzungen > 180° können ebenfalls das anteroinferiore Labrum miteinbeziehen.
Therapie
Die konservative Therapie mit Patienten mit Bankart-Läsion umfasst die Anlage einer Armschlinge und die physiotherapeutische Stärkung der Rotatorenmanschette nach 3 Wochen.
Insbesondere bei jungen Patienten wird aufgrund der hohen Rezidivraten unter konservativer Therapie je nach MR-morphologischem Schadensausmaß eine arthroskopische oder seltener offene Bankart-Reparatur empfohlen. Sie umfasst eine kapsulolabrale Rekonstruktion und/oder eine Fixierung des Labrums am Glenoidrand. Knöcherne Bankart-Läsionen können mittels Schraubenosteosynthese fixiert werden.
Prognose
Die meisten Bankart-Läsionen heilen nicht aus. Sie führen in 50 % der Fälle zu rezidivierenden Schulterluxationen. 50 % dieser Patienten müssen operiert werden.
Peer-Review durch Bijan Fink |
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