Arrhythmogene Kardiomyopathie
Synonyme: arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, arrhythmogene linksventrikuläre Kardiomyopathie, arrhythmogene biventrikuläre Kardiomyopathie
Englisch: arrhythmogenic cardiomyopathy, arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy (ARVC), arrhythmogenic right ventricular dysplasia (ARVD), arrhythmogenic left ventricular cardiomyopathy (ALVC), arrhythmogenic biventricular cardiomyopathy
Definition
Die arrhythmogene Kardiomyopathie, kurz ACM, ist eine hereditäre Herzerkrankung, bei der das Kammermyokard progredient durch fibrös-fettiges Gewebe ersetzt wird. Klinisch ist sie durch lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien gekennzeichnet.
Nomenklatur
Ursprünglich wurde die Krankheit als Entwicklungsstörung des rechtsventrikulären Myokards betrachtet und daher als "Dysplasie" bezeichnet. Die Entdeckung von Mutationen in Genen, die für kardiale Desmosomen kodieren, führte zur Bezeichnung der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC). Als Folge der Identifizierung biventrikulärer und linksdominanter Varianten (ALVC) wurde schließlich die Bezeichnung arrhythmogene Kardiomyopathie eingeführt.
Einteilung
Je nach Beteiligung der Herzventrikel unterscheidet man zwischen:
- arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC): Klassische und häufigste Form mit vorwiegender Beteiligung des rechten Ventrikels.
- arrhythmogene linksventrikuläre Kardiomyopathie (ALVC): Seltenere Variante, bei der der linke Ventrikel dominierend betroffen ist und klinisch häufig eine dilatative Kardiomyopathie oder Myokarditis imitiert.
- arrhythmogene biventrikuläre Kardiomyopathie: Gleichzeitig ausgeprägte Beteiligung beider Ventrikel, häufig im Spätstadium der Erkrankung.
Diese Differenzierung ist diagnostisch relevant, da sich die Bildgebung, die EKG-Veränderungen und teilweise auch das Risikoprofil für maligne Arrhythmien zwischen den Subtypen unterscheiden.
Epidemiologie
Die Prävalenz der arrhythmogenen Kardiomyopathie wird auf 1:2.000 bis 1:5.000 geschätzt. In bestimmten Regionen, wie Teilen Italiens und Griechenlands, ist die Erkrankung endemisch gehäuft, was auf Gründermutationen in einzelnen Familien zurückgeführt wird.
Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, aber eine der häufigsten genetischen Ursachen für einen plötzlichen Herztod bei jungen Menschen und Sportlern. Männer sind 2,5 bis 3-mal häufiger betroffen. Typisches Alter bei Erstmanifestation ist das 15. bis 40. Lebensjahr. Die ACM tritt in etwa 30 bis 50 % der Fälle familiär gehäuft auf, dabei mit meist autosomal-dominantem Erbgang mit unterschiedlicher Penetranz. In seltenen Fällen können auch autosomal-rezessive Formen auftreten, beispielsweise im Rahmen der Naxos-Krankheit, bei der zusätzlich Haut- und Haarveränderungen bestehen.
Ätiopathogenese
Bei der arrhythmogenen Kardiomyopathie handelt es sich um eine genetisch determinierte Erkrankung, wobei krankheitserursachende Mutationen bei etwa 60 % der Patienten identifiziert werden können. Bisher wurden ca. 13 Gene identifiziert, wobei die meisten für Desmosomen der Kardiomyozyten kodieren. Durch Defekte in diesen Proteinen kommt es zu einer mechanischen Schwächung der Zell-Zell-Verbindungen und sekundär zu einer Störung der Gap Junctions, was eine fehlerhafte elektrische Signalübertragung im Myokard begünstigt. Unter mechanischem Stress, wie er insbesondere bei intensiver körperlicher Belastung auftritt, führt dies zu Mikroverletzungen und Zelltod. Die geschädigten Myokardareale werden im Verlauf durch Fett- und Bindegewebe ersetzt, was die elektrische Instabilität weiter verstärkt und ein Substrat für ventrikuläre Arrhythmien schafft.
Die häufigste Mutation betrifft das Plakophilin-2 (PKP2), seltener sind z.B. Desmoglein-2 (DSG2), Desmoplakin (DSP), Desmocollin-2 (DSC2) oder Plakoglobin. Weitere mögliche Mutationen finden sich in TMEM43, Phospholamban, Desmin, Cadherin 2 und Filamin C.
Klinik
Die klinische Symptomatik der arrhythmogenen Kardiomyopathie ist sehr variabel und reicht von asymptomatischen Frühstadien bis hin zu lebensbedrohlichen ventrikulären Arrhythmien und fortgeschrittener Herzinsuffizienz.
Häufig manifestiert sich die Erkrankung erstmals bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, insbesondere im Zusammenhang mit intensiver körperlicher Belastung. Typische Frühsymptome sind unspezifisch und können Palpitationen, belastungsabhängigen Schwindel oder Synkopen umfassen. Im Verlauf kommt es bei vielen Patienten zu ventrikulären Tachyarrhythmien, die durch adrenerge Stimuli wie Sport oder Stress getriggert werden. Diese Arrhythmien äußern sich klinisch als plötzlicher Herzstillstand oder Kammerflimmern, was die ACM zu einer der häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztodes bei jungen Menschen und Leistungssportlern macht.
Mit fortschreitender Erkrankung kann eine rechts- oder biventrikuläre Herzinsuffizienz entstehen. Klinische Zeichen sind Leistungsknick, Belastungsdyspnoe, Jugularvenenstauung, Stauungsleber und periphere Ödeme. Während die rechtsventrikuläre Form (ARVC) initial meist durch Arrhythmien auffällt, wird die linksdominante Form (ALVC) klinisch häufig zunächst als dilatative Kardiomyopathie oder Myokarditis fehlinterpretiert, da Symptome der systolischen Dysfunktion dominieren. Besonders charakteristisch ist, dass bei manchen Patienten ein plötzlicher Herztod die erste und einzige klinische Manifestation sein kann. Dieses Risiko ist besonders hoch bei jungen Männern und bei Patienten mit nachgewiesenen Hochrisikomutationen oder familiärer Häufung von plötzlichen Todesfällen.
Diagnostik
Die Diagnose der arrhythmogenen Kardiomyopathie erfordert eine interdisziplinäre Abklärung, die klinische, radiologische, elektrophysiologische und genetische Befunde einbezieht. Für die endgültige Diagnosestellung sind die Padua-Kriterien maßgeblich.[1] Diese wurden 2020 entwickelt, um sowohl rechtsventrikuläre als auch linksventrikuläre und biventrikuläre Formen zuverlässig zu erfassen.
EKG
Im Frühstadium ist die Erkrankung oft schwer zu erkennen, da die morphologischen Veränderungen diskret sein können und die Symptomatik unspezifisch ist. Meist wird ein 12-Kanal-EKG und häufig auch eine Langzeit-EKG-Überwachung durchgeführt, um Repolarisations- und Depolarisations-spezifische Veränderungen sowie das Ausmaß ventrikulärer Extrasystolen und Tachykardien zu erfassen. Bei asymptomatischen Mutationsträgern können EKG-Veränderungen das erste klinische Zeichen der Erkrankung sein. Häufig besteht der erste Hinweis in Form von ventrikulären Arrhythmien, typischerweise mit Linksschenkelblock-Morphologie, die bei jungen Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung immer an eine ACM denken lassen sollten.
Typische RV-Befunde:
- Epsilon-Welle in V1 - V3: kleine zusätzliche Welle zwischen QRS-Komplex und T-Welle, pathognomonisch, jedoch nur in ca. 30 % der Fälle nachweisbar.
- T-Negativierungen in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1 - V3, ggf. bis V4) bei postpubertären Patienten ohne Rechtsschenkelblock.
- Verlängerte Terminal Activation Duration (TAD) > 55 ms (Ende der S-Zacke bis Ende des QRS-Komplexes).
- Ventrikuläre Tachykardien mit Linksschenkelblock-Morphologie und meist inferiorer Achse (RVOT-Muster).
- Häufige ventrikuläre Extrasystolen (> 500/24h).
Typische LV-Befunde:
- T-Negativierungen in linkspräkordialen Ableitungen (V4 - V6) bei Fehlen eines Linksschenkelblocks.
- Niedervoltage in den Extremitätenableitungen (QRS-Amplitude < 0,5 mV), sofern keine alternativen Ursachen wie Adipositas oder ein Perikarderguss vorliegen.
- Ventrikuläre Tachykardien mit Rechtsschenkelblock-Morphologie, typischerweise aus den subepikardialen Narbenarealen der LV-Wand.
Bildgebung
Die Bildgebung erfolgt primär mittels Echokardiographie und Kardio-MRT. Während die Echokardiographie frühe regionale Wandbewegungsstörungen oder Dilatationen aufzeigen kann, liefert die MRT zusätzliche Informationen zur Gewebecharakterisierung, insbesondere durch den Nachweis von fibrotischem oder fettigem Umbau mittels Late-Gadolinium-Enhancement (LGE).
Die Bildgebung spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik der arrhythmogenen Kardiomyopathie, da sie den strukturellen und funktionellen Umbau des Myokards sichtbar macht. Ziel ist die Darstellung typischer Wandbewegungsstörungen, die Quantifizierung der Ventrikelfunktion und die Gewebecharakterisierung. Die Kardio-MRT gilt als Referenzmethode, während die Echokardiographie ein etabliertes Screening-Verfahren bleibt.
Echokardiographie
Die Echokardiographie ist häufig die Erstuntersuchung, da sie breit verfügbar und nicht invasiv ist. Typische Befunde bei ARVC sind:
- Regionale Wandbewegungsstörungen des rechten Ventrikels (Akinesie, Dyskinesie oder Bulging).
- Dilatation des rechten Ventrikels mit reduzierter RV-EF im Verlauf.
- Aneurysmatische Ausbuchtungen der freien RV-Wand.
- Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (z.B. Trikuspidalinsuffizienz, vergrößerter rechter Vorhof).
Typische Befunde bei ALVC sind:
- Regionale Hypokinesien oder Akinesien, v.a. subepikardial betont in der freien LV-Wand und/oder im Septum.
- Globale LV-Dilatation mit reduzierter LV-EF in fortgeschrittenen Stadien.
- Der Befund stark einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM) ähneln.
Limitation der Echokardiographie: Besonders die RV-Darstellung ist durch die komplexe Geometrie und Patientenkonstitution eingeschränkt. Subtile LV-Veränderungen können im Frühstadium übersehen werden.
Kardio-MRT
Das Kardio-MRT ist der Goldstandard zur morphologischen und funktionellen Beurteilung. Es bietet eine exakte Quantifizierung von RV- und LV-Volumina sowie der Ejektionsfraktion und erlaubt die Gewebecharakterisierung. Typische RV-Befunde:
- Regionale Wandbewegungsstörungen (Akinesie, Dyskinesie, Aneurysmen), häufig im "Triangle of Dysplasia" (RV-Inlet, RVOT, RV-Apex).
- RV-Dilatation und reduzierte RV-EF.
- Streifiges, transmural betontes Late-Gadolinium-Enhancement (LGE) in den betroffenen Regionen als Zeichen fibrotischen Umbaus.
Typische LV-Befunde:
- Subepikardiales oder mid-myokardiales (nicht transmurales) LGE, typischerweise in der lateralen und inferolateralen LV-Wand oder im Septum.
- Regionale Hypokinesien/Akinesien mit oder ohne globale LV-Dilatation.
- Frühe linksdominante Formen können ein Muster zeigen, das einer Myokarditis oder DCM ähnelt.
Der Nachweis von Fettgewebe (v.a. bei ARVC) in T1-gewichteten Sequenzen ist heute diagnostisch weniger relevant.
Kardio-CT
Die Kardio-CT wird selten verwendet, ist jedoch hilfreich, wenn ein MRT nicht durchführbar ist (z.B. bei Patienten mit ICD). Sie dient dem Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit (KHK) bei unklarer linksventrikulärer Dysfunktion, der Darstellung intramuraler Fettdepots (v.a. bei ARVC) und der 3D-Darstellung der Ventrikelgeometrie.
Endomyokardbiopsie
Eine Endomyokardbiopsie wird heute nur in selektierten Fällen durchgeführt, da sie aufgrund der fleckigen Verteilung der Läsionen eine eingeschränkte Sensitivität aufweist. Sie wird vor allem dann erwogen, wenn die Bildgebung nicht eindeutig ist oder eine Differenzialdiagnose (z.B. Myokarditis, Sarkoidose) ausgeschlossen werden muss.
Histologische Hauptbefunde:
- Ersatz des Myokards durch fibröses Gewebe mit oder ohne Fettanteil.
- Bei ALVC häufig subepikardiale Fibroseanteile, die nur schwer zu erreichen sind.
- In manchen Fällen entzündliche Infiltrate: Abgrenzung zur Myokarditis erforderlich.
Molekulargenetische Untersuchung
Eine molekulargenetische Untersuchung (NGS-Panel) wird allen Patienten mit ACM empfohlen. Die Kosten werden in Deutschland i.d.R. von der GKV übernommen.
Padua-Kriterien
Rechtsventrikuläre Beteiligung
| Hauptkriterien | Nebenkriterien | |
|---|---|---|
| Morpho-funktionelle ventrikuläre Befunde (2D-Echokardiographie, Kardio-MRT oder Angiographie) | Regionale RV-Akinesie, Dyskinesie oder Bulging plus eines der folgenden Kriterien: | Regionale RV-Akinesie, Dyskinesie oder Aneurysma der rechtsventrikulären freien Wand |
| Strukturelle myokardiale Befunde |
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| Repolarisationsstörungen (EKG) | T-Inversion in rechts präkordialen Ableitungen (V1 bis V3) oder darüber hinaus bei postpubertären Personen und Fehlen eines kompletten Rechtsschenkelblocks |
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| Depolarisationsstörungen (EKG) |
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| Ventrikuläre Arrhythmien (EKG) | Häufige ventrikuläre Extrasystolen (> 500 pro 24 Stunden) oder nicht-anhaltende oder anhaltende ventrikuläre Tachykardien mit Linksschenkelblock-Morphologie | Häufige ventrikuläre Extrasystolen (> 500 pro 24 Stunden) oder nicht-anhaltende oder anhaltende ventrikuläre Tachykardien mit Linksschenkelblock-Morphologie und inferiorer Achse (RVOT-Muster) |
| Familienanamnese, Genetik |
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Linksventrikuläre Beteiligung
| Hauptkriterien | Nebenkriterien | |
|---|---|---|
| Morpho-funktionelle ventrikuläre Befunde (2D-Echokardiographie, Kardio-MRT oder Angiographie) | Globale systolische LV-Dysfunktion (reduzierte LV-EF oder reduziertes globales longitudinales Echo-Strain) mit/ohne LV-Dilatation (erhöhtes LV-EDV, indiziert auf Alter, Geschlecht und Körperoberfläche) | Regionale LV-Hypokinesie oder Akinesie der linksventrikulären freien Wand und/oder des Septums |
| Strukturelle myokardiale Befunde (Kardio-MRT) |
Streifiges Late-Gadolinium-Enhancement (LGE) in ≥ 1 LV-Segment (in zwei orthogonalen Ansichten) der freien Wand (subepikardial oder mid-myokardial) und/oder des Septums (exkl. septales junktionales LGE) |
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| Repolarisationsstörungen (EKG) | T-Inversion in links präkordialen Ableitungen (V4 bis V6) bei Fehlen eines vollständigen Linksschenkelblocks | |
| Depolarisationsstörungen (EKG) | Niedervoltage (maximale QRS-Amplitude < 0,5 mV) in Extremitätenableitungen (bei Fehlen von Fettleibigkeit, Emphysem oder Perikarderguss) | |
| Ventrikuläre Arrhythmien (EKG) | Häufige ventrikuläre Extrasystolen (> 500 pro 24 Stunden) oder nicht-anhaltende oder anhaltende ventrikuläre Tachykardien mit Rechtsschenkelblock-Morphologie (exkl. faszikuläre ventrikuläre Tachykardie) | |
| Familienanamnese, Genetik |
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Diagnostischer Algorithmus
Für die phänotypische Charakterisierung der ACM eignet sich folgendes Vorgehen:
- Schritt 1: ≥ 1 Haupt- oder Nebenkriterium aus der morphofunktionellen und/oder strukturellen Gruppe der RV-Beteiligung erfüllt?
- nein: Hauptkriterium der strukturellen Gruppe der LV-Beteiligung + (mutmaßlich) pathogene Genmutation → ALVC
- ja → Schritt 2
- Schritt 2: ≥ 1 Haupt- oder Nebenkriterium aus der morphofunktionellen und/oder strukturellen Gruppe der LV-Beteiligung erfüllt?
- nein → Schritt 3 (biventrikuläre ACM)
- ja → Schritt 4 (ARVC)
- Schritt 3: Anwendung der RV- und LV-Kriterien
- 2 Nebenkriterien: mögliche biventrikuläre ACM
- 1 Hauptkriterien + 2 Nebenkriterien oder 3 Nebenkriterien: Borderline biventrikuläre ACM
- 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium + 2 Nebenkriterien oder 4 Nebenkriterien: sichere biventrikuläre ACM
- Schritt 4: Anwendung der RV- und LV-Kriterien
- 2 Nebenkriterien: mögliche ARVC
- 1 Hauptkriterien + 2 Nebenkriterien oder 3 Nebenkriterien: Borderline ARVC
- 2 Hauptkriterien oder 1 Hauptkriterium + 2 Nebenkriterien oder 4 Nebenkriterien: sichere ARVC
Differenzialdiagnosen
Die arrhythmogene Kardiomyopathie kann klinisch und bildgebend mehrere andere Erkrankungen imitieren. Eine sorgfältige Abgrenzung ist entscheidend, da sich Therapie und Prognose deutlich unterscheiden. Mögliche Differenzialdiagnosen sind:
- Myokarditis: Akuter Beginn, oft nach Infekt; in der MRT subepikardiales LGE, jedoch meist keine typischen RV-Aneurysmen; Histologie entzündlich dominiert
- Dilatative Kardiomyopathie: Global dilatierte LV mit systolischer Dysfunktion ohne charakteristische regionale Wandbewegungsstörungen oder typisches LGE-Muster
- Kardiale Sarkoidose: In der MRT fleckige, nicht-segmentale LGE-Muster; im PET-CT aktive Entzündung; oft systemische Manifestationen (Lymphknoten, Lunge)
- RVOT-VT: idiopathische, gutartige ventrikuläre Tachykardie aus dem RVOT, keine strukturellen Veränderungen im MRT
- Brugada-Syndrom: EKG mit typischem Brugada-Muster; keine morphologischen Veränderungen
- KHK: Ischämietypisches, transmural betontes LGE; pathologische (CT-)Koronarangiographie
Therapie
Die Therapie der ACM zielt auf Verhinderung des plötzlichen Herztods, Kontrolle ventrikulärer Arrhythmien und Behandlung der Herzinsuffizienz. Sie richtet sich nach Phänotyp, Arrhythmierisiko und Ausmaß der Ventrikelfunktionsstörung.
Allgemeine Maßnahmen umfassen:
- Strikte Vermeidung intensiver körperlicher Belastung, insbesondere Leistungssport, da mechanischer Stress das Fortschreiten der Erkrankung beschleunigt. Intensive und wettkampforientierte Belastungen erhöhen das Risiko ventrikulärer Arrhythmien und des plötzlichen Herztodes um das Fünffache. Niedrigintensive Aktivitäten (z.B. leichtes Joggen, Wandern, Yoga) sind in der Regel möglich, sollten jedoch individuell kardiologisch abgestimmt werden.
- Regelmäßige klinische und bildgebende Verlaufskontrollen, auch bei asymptomatischen Mutationsträgern.
Medikamentöse Therapie:
- Betablocker zur Reduktion adrenerger Trigger ventrikulärer Arrhythmien.
- Antiarrhythmika wie Flecainid oder Amiodaron bei unzureichender Kontrolle unter Betablockern. Flecainid ist insbesondere bei PKP2-Mutationen günstig. Sotalol allenfalls zweite Wahl.
- Standardtherapie der Herzinsuffizienz bei reduzierter LV- oder RV-Funktion (ACE-Hemmer, ARNI, Diuretika).
Zur Primärprävention bei hohem Arrhythmierisiko sowie zur Sekundärprävention nach überlebtem Herzstillstand oder anhaltender ventrikulärer Tachykardie werden implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) eingesetzt. Zusätzlich kann zur Kontrolle therapierefraktärer ventrikulärer Tachykardien eine Katheterablation sinnvoll sein.
Bei terminaler Herzinsuffizienz oder biventrikulärem Versagen stellt die Herztransplantation die Ultima Ratio dar.
Prävention
Bei nachgewiesener pathogener Variante ist ein Familienscreening im Kaskadenprinzip indiziert (Verwandte 1. Grades zuerst, mit prä-/posttestischer Beratung).
Prognose
Die Prognose der arrhythmogenen Kardiomyopathie ist stark abhängig vom Phänotyp, dem Ausmaß der Ventrikelbeteiligung sowie der Prävention ventrikulärer Arrhythmien. Unbehandelt besteht ein hohes Risiko für plötzlichen Herztod, insbesondere bei jungen Patienten und Leistungssportlern. Bei etwa 10 - 20 % der Patienten ist der plötzliche Herztod die erste (und letzte) klinische Manifestation. Zur Beurteilung des individuellen Risikos für plötzlichen Herztod stehen Risikokalkulatoren zur Verfügung, z.B. der ARVC Risk Calculator, der Faktoren wie Alter, VT-Episoden, Synkopen und ventrikuläre Dysfunktion berücksichtigt.
Durch konsequente Diagnostik, Sportverbot und den frühzeitigen Einsatz eines ICD konnte die Mortalität in den letzten Jahren deutlich gesenkt werden. Dennoch bleibt die Erkrankung chronisch progredient, da der Myokardumbau fortschreitet. Patienten mit rein rechtsventrikulärer Form haben oft über Jahre eine stabile Funktion. Bei linksdominanter oder biventrikulärer Form ist die Prognose schlechter, da früher eine systolische Dysfunktion und Herzinsuffizienz auftreten.
Langzeitrisiken sind:
- Rezidivierende ventrikuläre Tachykardien trotz ICD und Antiarrhythmika.
- Entwicklung einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz mit Bedarf an Herztransplantation im Spätstadium.
Quellen
- ↑ Graziano F, Zorzi A, Cipriani A, et al. The 2020 "Padua Criteria" for Diagnosis and Phenotype Characterization of Arrhythmogenic Cardiomyopathy in Clinical Practice. J Clin Med. 2022
Literatur
- Pilichou K, Thiene G, Bauce B, et al. Arrhythmogenic cardiomyopathy. Orphanet J Rare Dis. 2016
- Marcus FI, McKenna WJ, Sherrill D, et al. Diagnosis of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia: proposed modification of the task force criteria. Circulation. 2010
- Corrado D, Basso C, Thiene G. Arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy: diagnosis, prognosis, and treatment. Heart. 2000
- Basso C, Corrado D, Marcus FI, Nava A, Thiene G. Arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy. Lancet. 2009