Herzrhythmusstörung (Pferd)
Synonym: Arrhythmie
Englisch: arrhythmia
Definition
Als equine Herzrhythmusstörungen bzw. Arrhythmien bezeichnet man Unregelmäßigkeiten in der Herzaktion beim Pferd.
Physiologie
Das Herz ist als autonomes Organ mit einem eigenständigen Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem ausgestattet. Dieses System wird hierarchisch vom Sinusknoten (Nodus sinuatrialis), dem Atrioventrikularknoten (Nodus atrioventricularis bzw. AV-Knoten), dem His-Bündel, den Tawara-Schenkeln und den Purkinje-Fasern gebildet. Bei diesen System handelt es sich histologisch um modifizierte Muskelzellen.
Unter physiologischen Bedingungen (gesundes Herz) stellt der Sinusknoten den primären Schrittmacher dar. Die Geschwindigkeit der spontanen Depolarisation ist im Vergleich mit den übrigen Komponenten des Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem am höchsten. Vom Sinusknoten ausgehend breitet sich die elektrische Erregung über das Myokard der beiden Vorhöfe aus. Aufgrund der elektrischen Isolation zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern (Ventrikel) kann die Erregung nur über den zentral liegenden AV-Knoten nach unten weiter geleitet werden. Nach einer kurzen Leitungsverzögerung gibt dieser die elektrischen Impulse an das His-Bündel, die Tawara-Schenkel und letztendlich an die Purkinje-Fasern weiter. Von hier aus gehen die Erregungen schnell durch die Ventrikel in die Kammermuskulatur bis an die Herzspitze.
Beim Pferd sind die Purkinje-Fasern besonders fein und zahlreich im Ventrikelmyokard verzweigt, weshalb eine effektive Depolarisation von verschiedenen Punkten des Myokards möglich ist.
Ätiologie
Die Auslöser von Herzrhythmusstörungen beim Pferd sind vielfältig und komplex und werden sowohl durch kardiale als auch nicht-kardiale Erkrankungen bzw. Störungen verursacht. Häufige Gründe für Arrhythmien sind:
- Herzklappenfehler
- kongenitale Herzerkrankungen
- Perikardiale Erkrankungen (z.B. mediastinale Neoplasien)
- Myokardiale Erkrankungen (z.B. Myokarditis)
- Elektrolytimbalancen
- Intoxikationen
- Medikamenten-assoziiert (z.B. Digoxin)
- Vagale Reize
- Störungen im Säure-Basen-Haushalt
- Sepsis
Die Rhythmusstörungen können jedoch auch physiologisch im Sinne von Normvarianten sein.
Einteilung
Herzrhythmusstörungen können unterschiedlich eingeteilt werden. Für den klinischen Alltag ist es sinnvoll, Arrhythmien anhand der Herzfrequenz (Bradyarrhythmie oder Tachyarrhythmie), anhand der Lokalisation des Ursprungs (supraventrikulär oder ventrikulär) oder anhand der Störungsursache (Reizbildungs- oder Erregungsleitungsstörung) einzuteilen.
...nach Herzfrequenz
Übergruppe | Arrhythmie |
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Bradyarrhythmie: | |
Tachyarrhythmie: |
...nach Lokalisation
Übergruppe | Arrhythmie |
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Supraventrikuläre Arrythmie: |
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Ventrikuläre Arrythmie: |
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...nach Störungsursache
Ursache | Arrhythmie |
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Reizbildungsstörung: |
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Erregungsleitungsstörung: |
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Klinik
Viele Arrhythmien treten beim Pferd aufgrund des hohen Vagotonus auf und lösen daher keine klinisch manifesten Symptome aus. Treten diese Arrhythmien unifokal auf, übersteigen eine gewisse Anzahl (pro Stunde) nicht und verschwinden unter Belastung (bei erhöhter Herzfrequenz), besitzen diese Rhythmusstörungen keinen Krankheitswert.
Andere Arrhythmien wiederum führen zu mittelgradigen bis hochgradigen Leistungseinbußungen, die Tiere drosseln ihre Leistung nach kurzer Zeit abrupt und sind sichtlich erschöpft (Dyspnoe oder Tachypnoe). Je nach Form und Art kommt es zum Kollaps und in ausgeprägten Fällen auch zum plötzlichen Tod.
Diagnose
Bei Verdacht einer Erkrankung des Herzens ist eine ausführliche Anamnese und gründliche klinische Untersuchung unbedingt erforderlich. Häufig können anhand der erhobenen Parameter schon erste Hinweise auf eine mögliche Erkrankung geschlossen werden (Verdachtsdiagnose).
Um die Arrhythmie weiter klassifizieren zu können, ist eine genaue Auskultation des Herzens inkl. Beurteilung der Pulsqualität notwendig. In den meisten Fällen kann hierbei schon zwischen einer relativen und absoluten Arrhythmie unterschieden werden. Anschließend ist eine Elektrokardiographie (EKG) durchzuführen. Je nach Verdacht ist ein Herz-Ultraschall und ein Langzeit-EKG (über 24 Stunden) indiziert. Bei komplexeren Arrhythmieformen kann das Blutbild (rotes und weißes Blutbild inkl. Elektrolyte) und ein Belastungs-EKG weitere Aufschlüsse über die vorliegende Arrhythmie sowie deren Auslöser geben.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der Form der Arrhythmie, den Auslösern und dem Verwendungszweck des erkrankten Pferdes (z.B. Sportpferd oder Weidepferd).
Einfache Arrhythmien (z.B. AV-Block 2. Grades) benötigen in der Regel keine therapeutische Intervention. Komplexe Rhythmusstörungen, die eine mögliche Beeinträchtigung der Leistung des Pferdes bedingen, müssen unbedingt genau abgeklärt und dann adäquat therapiert werden. Da viele Erkrankungen erst bei Höchstleistung Symptome hervorrufen, muss zwingend eine Therapie durchgeführt werden, da ansonsten aufgrund der möglichen Komplikationen ein absolutes Reitverbot (aufgrund potenzieller Gefahr für Tier und Reiter) verordnet werden muss.
Die genauen Therapien sind bei den entsprechenden Arrhythmien zu entnehmen.
Literatur
- Marr, CM. Cardiac murmurs: congenital heart disease. In: Marr CM, Bowen IM (Editors). 2010. Cardiology of the horse. Second edition. Saunders Elsevier Limited. 193-205. ISBN: 978-0-7020-2817-5
- Gehlen H, Hopster-Iversen C, Schmitz RR. Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 237-283. ISBN: 978-3-13-219621-6