Shrapnellverletzung
Synonyme: Splitterverletzung, Schrapnellverletzung
Englisch: shrapnel injury, fragmentation injury
Definition
Eine Shrapnellverletzung ist eine penetrierende Verletzung durch Splitter (z.B. Granaten-, Minen- oder Bombensplitter). Sie führt aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Splitter häufig zu komplexen Weichteil‑, Knochen‑, Gefäß‑ und Organläsionen. Gleichzeitig besteht durch Kontamination ein erhebliches Infektions‑ und Komplikationsrisiko.
Ätiologie
Ursächlich sind Explosionen mit Freisetzung von Metall‑ oder anderen Fragmenten, etwa durch militärische Kampfmittel, improvisierte Sprengsätze (IED) oder industrielle Unfälle. Typische Lokalisationen sind exponierte Körperregionen wie Extremitäten, Thorax und Abdomen. Gleichzeitig können auch Hitze- und Schockwellenverletzungen auftreten.
Pathophysiologie
Shrapnellfragmente wirken als hochrasante Projektile und erzeugen einen Wundkanal sowie eine temporäre Kavitation mit zusätzlicher Gewebszerstörung. Die Kombination aus mechanischem Trauma, Kontamination (Erde, Kleidung, Metall) und möglicher Gefäß‑ bzw. Organbeteiligung bedingt eine hohe Rate an Infektionen, Nekrosen und anderen sekundären Komplikationen.
Klinik
Klinisch zeigen sich je nach Lokalisation stark schmerzende, oft zerfetzte Wunden mit unregelmäßigen Rändern, Hämatomen und möglicher Luxation oder Fraktur. Begleitend können akuter Blutverlust, Schockzeichen, neurologische Defizite (bei Nerven‑ oder Rückenmarkbeteiligung) und Symptome innerer Organverletzungen (z.B. Abwehrspannung, Dyspnoe, Hämaturie) auftreten.
Diagnostik
Die Erstbeurteilung erfolgt nach xABCDE-Schema mit konsequenter Blutungskontrolle und Schocktherapie. In der Militärmedizin wird zum Teil noch das SICK-Schema vorangestellt. Anschließend werden Wunde, Funktionsstatus der Extremitäten, periphere Pulse und neurologische Funktion systematisch untersucht, einschließlich Dokumentation von Eintritts‑ und ggf. Austrittswunden.
Zur Lokalisation der Splitter und Beurteilung knöcherner Verletzungen dient primär das konventionelle Röntgen in mindestens zwei Ebenen. Bei komplexen oder thorakalen/abdominellen Verletzungen ist die CT mit multiplanaren Rekonstruktionen Methode der Wahl, um Projektilbahn, Organ‑ und Gefäßbeteiligung sowie die exakte Lage von Fragmenten dreidimensional darzustellen.
Oberflächliche oder weichteilnahe Fragmente können ergänzend mittels Sonographie lokalisiert werden, während eine MRT wegen der Gefahr der Bewegung ferromagnetischer Metallteile nur nach strenger Indikationsstellung und Risikoabschätzung eingesetzt wird.
Therapie
Die Behandlung erfolgt nach den Grundsätzen der Traumaversorgung und des Damage‑Control‑Konzepts. Akut stehen die Sicherung der Vitalfunktionen, eine konsequente Blutstillung (ggf. Anlage eines Tourniquet), die Infektionsprophylaxe und Schmerztherapie im Vordergrund.
Operativ wird ein großzügiges, mehrzeitiges Débridement mit ausgiebiger Spülung durchgeführt. Die Entfernung von Fragmenten erfolgt abhängig von der Nutzen-Risiko-Abwägung, insbesondere bei intraartikulärer Lage oder Nähe zu Gefäßen beziehungsweise Nerven. Die definitive Frakturstabilisierung und plastische Weichteildeckung erfolgen je nach Allgemeinzustand der Patientin oder des Patienten entweder primär oder im Rahmen eines gestuften Vorgehens. Nicht störende, klinisch unauffällige Fragmente ohne funktionelle oder toxische Relevanz können in situ belassen werden.
Komplikationen
Mögliche Komplikationen sind Wundinfektionen, Osteomyelitis, verzögerte Knochenheilung, chronische Schmerzen, Narbenkontrakturen und bleibende neurologische Defizite. Im Körper verbleibende Fragmente können Spätreaktionen wie Metallunverträglichkeit, Synovitis, Gelenkzerstörung oder selten systemische Metalltoxizität verursachen.