Retikulozytenzahl
Englisch: reticulocyte count
Definition
Die Retikulozytenzahl ist ein Laborparameter, der den relativen Anteil von unreifen Erythrozyten (Retikulozyten) an der Gesamtheit der roten Blutzellen bzw. die absolute Zahl der Retikulozyten im Blut angibt.
Methode
Die Bestimmung der Retikulozytenzahl erfolgt überwiegend durch automatisierte Zellzählung mittels Durchflusszytometrie aus EDTA-Blut. Dazu wird die Retikulozyten-RNA mit einem Fluoreszenzfarbstoff (z.B. Thiazolorange oder Auramin O) angefärbt und die Fluoreszenzintensität der Zellen mittels eines Lasers gemessen. Ein anderes Verfahren nutzt die Lichtabsorption und Streuung durch Präzipitation und Färbung der Retikulozyten-RNA nach Anfärbung mit Methylenblau.
Bei der maschinellen Zählung wird außerdem das Retikulozytenhämoglobin (CHr) und der Retikulozytenreifeindex gemessen.
Bei der manuellen Zählung wird EDTA-Blut mit einem Supravitalfarbstoff, z.B. Brillantkresylblau, versetzt, der die RNA-Reste als bläuliche Einschlüsse sichtbar macht. Anschließend wird ein Blutausstrich angefertigt und mikroskopiert. Die Retikulozytenzahl wird pro 1.000 Erythrozyten bestimmt, daher auch die ursprüngliche Einheit "pro Mille" (auf Tausend).
Referenzbereich
Der Referenzbereich für Retikulozyten liegt bei etwa
- 30 - 80 G/l oder
- 30.000 - 80.000/µl Blut
Bei Angabe eines relativen Wertes entspricht dies 5 - 15 Retikulozyten pro 1.000 Erythrozyten, d.h. bei 0,5 - 1,5 %.
Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.
Hintergrund
Der Normwert von ca. 1 % lässt sich anschaulich ableiten: Die Erythrozyten haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 120 Tagen. Die Retikulozytenreifung im Blut beträgt im Normalzustand (d.h. keine Anämie) 1 Tag. Es müssen immer knapp 1 % Retikulozyten vorhanden sein, um die Erythrozyten planmäßig zu ersetzen.
Die Verwendung von Absolutzahlen ist allerdings sinnvoller, da der Wert nicht durch die Erythrozytenzahl beeinflusst wird. Bei einer Anämie mit niedriger Erythrozytenzahl wird die Retikulozytenzahl bei der Verwendung von Prozentwerten systematisch zu hoch angegeben. Hämatologiegeräte messen ohnehin die Anzahl pro Volumeneinheit und rechnen den Wert dann auf die Erythrozytenzahl um.
Indikation
- Diagnostische Differenzierung von Anämien (hypo-, normo- oder hyperregeneratorische Anämie)
- Monitoring der Erythropoese im Knochenmark nach Chemotherapie
- Erfolgskontrolle einer Stammzelltransplantation
- Erfolgskontrolle einer Erythropoetin-Therapie
Die Retikulozytenzahl kann auch zur Plausibilitätskontrolle verwendet werden, wenn der Patient zum Beispiel berichtet, er habe häufiger eine Hämaturie oder Nasenbluten, dies zum Untersuchungszeitpunkt aber nicht bestätigt werden kann.
Interpretation
Die Retikulozytenzahl ist ein guter Indikator der Knochenmarkaktivität, da sie die Erythrozytenproduktion repräsentiert. Sie wird jedoch nicht isoliert, sondern immer gemeinsam mit anderen hämatologischen Laborparametern bewertet.
Da bei Anämie ein Anstieg der Retikulozytenzahl physiologisch ist, kann der Retikulozytenproduktionsindex zur Beurteilung einer adäquaten Erythropoese herangezogen werden. Eine weitere Möglichkeit, die Erythropoese-Kapazität des Knochenmarkes zu beurteilen, bietet der Retikulozytenreifeindex.
Erhöhte Retikulozytenzahl
- Regeneration nach Blutverlust bzw. Hämolyse
- bestimmte Formen von Doping
siehe auch: Retikulozytose
Erniedrigte Retikulozytenzahl
- Megaloblastäre Anämie (Vitamin B12- und Folsäuremangel)
- Eisenmangelanämie
- Aplastische Anämie
- Renale Anämie bzw. Niereninsuffizienz (Erythropoetinmangel)
- Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
- Zytostatikatherapie
- Strahlentherapie
- Panmyelopathie
- Hämolytische Transfusionsreaktion
- Virusinfekte (Parvovirus B19)
- Exposition gegenüber myelotoxischen Substanzen (Benzol)
siehe auch: Retikulozytopenie
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