Oligodendrogliom
Synonym: Oligodendrogliom IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert
Englisch: Oligodendroglioma
Definition
Ein Oligodendrogliom, kurz OG, ist ein primärer, diffus infiltrierender Hirntumor, der aus Oligodendrozyten oder deren Vorläuferzellen hervorgeht. Es gehört zur Gruppe der diffusen Gliome und ist durch eine 1p/19q-Kodeletion sowie eine IDH1- oder IDH2-Mutation charakterisiert.
Klassifikation
Nach der WHO-Klassifikation der ZNS-Tumore werden Oligodendrogliome wie folgt eingeteilt:
- Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert, WHO-Grad 2
- Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert, WHO-Grad 3
Die Unterscheidung zwischen WHO-Grad 2 und 3 erfolgt nach pathohistologischen Kriterien, wie z.B. einer erhöhten Mitoseaktivität, pathologischen Gefäßproliferaten und Nekrosen. Der Terminus "anaplastisches Oligodendrogliom" wird nicht mehr empfohlen.[1]
Ätiologie
Ursprung eines Oligodendroglioms können sowohl oligodendrogliale als auch astrozytische oder neuronale Vorläuferzellen sein. Als auslösender Mechanismus gilt mittlerweile die IDH-Mutation.
Epidemiologie
Aufgrund der Änderungen in der WHO-Klassifikation mit Fokus auf molekulargenetische Differenzierungen liegen keine aktuellen belastbaren epidemiologischen Daten vor (Stand 2025).
In älteren Untersuchungen machen Oligodendrogliome etwa 10 % aller Gliome aus. Männer und Frauen erkranken demnach gleich häufig. Die größte Inzidenz ist zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr zu finden, prinzipiell kann der Tumor jedoch in jeder Altersgruppe gefunden werden.
Pathophysiologie und Symptomatik
Die Symptomatik kommt vor allem durch Kompression, seltener durch direkte Infiltration benachbarter Strukturen zustande, es resultieren fokale Ausfälle oder allgemeine Hirndruckzeichen. Typisch für Oligodendrogliome sind epileptische Anfälle und eine Schlaganfallsymptomatik, da die Tumoren zum Einbluten neigen. Je maligner der Tumor, desto ausgeprägter ist die Reaktion des umgebenden Parenchyms in Form eines perifokalen Ödems, das ausgeprägt raumfordernd wirkt. Bei Verlegung des Liquorabflusses können noch Symptome eines Hydrozephalus hinzukommen.
Lokalisation
Bevorzugte Lokalisation sind die Großhirnhemisphären, mit einer Präferenz für den Frontallappen. Die Tumoren wachsen von der weißen Substanz heraus und infiltrieren den Cortex. Prinzipiell können jedoch alle Strukturen im Gehirn befallen sein. Selten sieht man Oligodendrogliome im Kleinhirn oder Hirnstamm.[2]
Diagnostik
Im CT ist der Tumor isodens bis hypodens, frische Einblutungen können bereits 6 Stunden nach dem Ereignis dargestellt werden, zudem werden hyperdense Kalzifikationen (Verkalkungen) sichtbar. Sie treten in 70 bis 90 % der Oligodendrogliome auf und können peripher, zentral oder schleifenartig angeordnet auftreten.
Die Bildgebung der Wahl ist jedoch das MRT. In der T2-Wichtung stellen sich Oligodendrogliome als heterogene hyperintense Raumforderungen dar. In der T1-Sequenz erscheinen OGs als hypointense Raumforderung mit hyperintensen Arealen, die Einblutungen entsprechen, und intensitätsarmen Zysten. Kontrastmittel wird inhomogen aufgenommen, High-Grade-Tumoren reichen es deutlicher an als Low-Grade-Tumoren.
Aufgrund der Lokalisation, der radiologischen Besonderheiten und des Erkrankungsalters lässt sich häufig bereits eine Verdachtsdiagnose stellen. Die Diagnose kann entweder durch eine Biopsie oder durch eine histopathologische und molekularbiologische Untersuchung des während der Tumorexstirpation gewonnenen Gewebes abgesichert werden.
Histopathologie
Makroskopisch imponiert ein gelatinöser, grau-rötlicher, oft zystisch durchsetzter Tumor. Histologisch zeigen sich sogenannte "Spiegeleizellen", die einen runden, mittigen Zellkern und eine Halo aus nur spärlich mit Organellen besetztem Zytoplasma aufweisen. Zwischen den Zellen befinden sich zahlreiche englumige Kapillaren, die in Form eines Maschendrahtzaunes angeordnet sind.
An der Tumorgrenze wachsen die Tumorzellen pfeilartig in die weiße Substanz ein und umzingeln die Neurone wie Satelliten in der grauen Substanz. 80% der Oligodendrogliome sind verkalkt. Grad 3 Oligodendrogliome (ehemals anaplastische Oligodendrogliome) zeichnen sich durch erhöhte Zelldichte, erhöhte Mitoserate, mikrovaskuläre Proliferationen und Nekrosen aus. Immunhistochemisch lassen sich GFAP und S100 nachweisen.
Therapie
Die Therapie eines Oligodendroglioms erfolgt primär neurochirurgisch per Resektion. Therapieziel ist die vollständige Entfernung des Tumors (R0-Resektion) unter größtmöglicher Schonung funktionell notwendigen Hirngewebes. Lässt sich eine R0-Resektion nicht umsetzen, kann alternativ ein Debulking der Tumormasse erfolgen. Die Ergebnisse des chirurgischen Eingriffs können durch eine intraoperative Bildgebung verbessert werden. Auch die Fluoreszenz-Markierung des Tumorgewebes mit 5-Aminolävulinsäure ist hilfreich.[3]
Adjuvant kommen Radiotherapie oder Chemotherapie bzw. ihre Kombination (Radiochemotherapie) zum Einsatz. Mögliche Chemotherapeutika sind Temzolomid oder eine Kombination aus Procarbazin, Lomustin und Vincristin (PCV). In bestimmten Fällen wird die Therapie durch VEGF-Inhibitoren wie Bevacizumab ergänzt.
Zur Reduktion des perifokalen Ödems eignen sich Mannitol und Steroide.
Prognose
Die Prognose ist abhängig vom WHO-Grad, dem Exstirpationsgrad sowie der Lage des Tumors. Die Prognose ist relativ "besser" als bei den Astrozytomen. Die 5-Jahres-Überlebensrate wird in der Literatur etwa zwischen 50 und 80 % angegeben. Mit höherem WHO-Grad nimmt sie allerdings deutlich ab.
Rezidive können vor allem bei den höhergradigen Oligodendogliomen in seltenen Fällen auch spät postoperativ auftreten.
Quellen
- ↑ Weller et al.: Die WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems 2021 - Neuerungen zur Diagnostik diffuser Gliome und deren Bedeutung für die klinische Praxis. Onkologe, 2022
- ↑ Jörg-Christian Tonn, Manfred; Westphal, J. T.; Rutka, S.A. Grossman: Neuro-Oncology of CNS Tumors
- ↑ Tork CA, Hall WA, Atkinson C. Oligodendroglioma. [Updated 2025 Apr 3]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2025 Jan