Nipocalimab
Handelsnamen: Imaavy®
Synonym: M-281
Englisch: nipocalimab-aahu
Definition
Nipocalimab ist ein Hemmstoff des neonatalen Fc-Rezeptors zirkulierender Immunglobulin-G-Antikörper (IgG), der zur Behandlung der generalisierten Myasthenia gravis eingesetzt wird.
Chemie
Nipocalimab ist ein monoklonaler rekombinanter humanisierter Immunglobulin G1 lambda (IgG1λ)-Antikörper, der in einer gentechnisch veränderten CHO-Zellen exprimiert wird. Er hat eine aglykosylierte Fc-Region, sodass er keine Effektor-Funktionen besitzt. Die Summenformel ist C6266H9722N1670O1992S46. Die molare Masse beträgt 142 kDa. Die CAS-Nummer lautet 2211985-36-1.[1]
Wirkmechanismus
Der neonatale FC-Rezeptor (FcRn) hat einen wesentlichen Einfluss auf die Plasmahalbwertzeit zirkulierender IgG-Antikörper.[2] Ein Mangel an FcRn führt zu einer deutlich verkürzten Halbwertzeit der IgG-Antikörper.
Ein Nipocalimab bindet mit hoher Affinität an den neonatalen FC-Rezeptor (FcRn). Bei Patienten mit positiven AChR- und MuSK-Autoantikörpern bewirkt Nipocalimab einen Rückgang der AChR- und MuSK-Autoantikörper auf basale Werte.[1]
Pharmakokinetik
Das Verteilungsvolumen beträgt 2,67 Liter (ca. 0,04 l/kgKG). Die Biotransformation erfolgt durch proteolytischen Abbau zu Peptiden und Aminosäuren. Die Elimination ist dosisabhängig. Nach Applikation von 15 mg/kgKG beträgt die Eliminationshalbwertszeit 29 Stunden.[1]
Indikationen
Nipocalimab ist indiziert für die Behandlung der generalisierten Myasthenia gravis (gMG) bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 12 Jahren, die Antikörper gegen den Acetylcholin-Rezeptor (AChR) oder die muskel-spezifische Tyrosinkinase (MuSK) aufweisen.
Klinische Studien
Bei Myasthenia-gravis-Patienten mit positivem Antikörperbefund (Anti-AChR+, Anti-MuSK+, Anti-LRP4+) konnte in einer Phase-3-Studie (Vivacity-MG) eine Überlegenheit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (MG-ADLa) gegenüber Placebo nachgewiesen werden.[3][4]
Darüber hinaus laufen Studien zu maternal-fetalen Erkrankungen wie der hämolytischen Erkrankung des Fetus und des Neugeborenen (HDFN), einer Erkrankung, die durch eine Inkompatibilität der mütterlichen Blutgruppe mit der fetalen Blutgruppe verursacht wird.
Nipocalimab wird auch für die Behandlung des Sjögren-Syndroms (SjD), der autoimmunhämolytische Anämie mit Wärmeantikörpern (wAIHA), der fetalen und neonatalen Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) und der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP) untersucht.
Darreichungsform
Nipocalimab wird als intravenöse Infusion verabreicht.
Dosierung
- Initialdosis: Infusion von 30 mg/kgKG über 30 min
- Erhaltungsdosis: Infusion von 15 mg/kgKG über 15 min zwei Wochen nach der Initialdosis und weiter im Abstand von zwei Wochen[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Nipocalimab sind:[1]
Unter der Behandlung besteht eine erhöhte Infektionsgefahr. Wenn eine schwere Infektion auftritt, muss die Verabreichung von Nipocalimab unterbrochen werden, bis die Infektion abgeklungen ist.
Unter der Behandlung kann es zu infusionsbedingten Reaktionen und Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Urtikaria, Exanthem, Angioödem, Anaphylaxie) kommen.
Wechselwirkungen
Zu Interaktionen kann es mit Wirkstoffen kommen, die ebenfalls an den humanen neonatalen Fc-Rezeptor binden.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Nipocalimab oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft und Stillzeit
Monoklonale Antikörper passieren die Plazenta, wobei die größte Menge im dritten Trimester übertreten. Es wird vermutet, dass die FcRn-Hemmung auch das Eindringen von Alloantikörpern in den Fötus während der Schwangerschaft verhindert, so dass auch eine Wirkung bei pränatalen Erkrankungen möglich erscheint.
In tierexperimentellen Untersuchungen wurden keine Störungen der fetalen Entwicklung durch Nipocalimab festgestellt. Es kam aber durch Ischämie der Plazenta zum Verlust der Feten. Bei neugeborenen Versuchstieren waren die IgG-Spiegel erniedrigt, normalisierten sich aber innerhalb von 6 Monaten. Es ergaben sich keine Hinweise auf manifeste Immundefekte.[1]
Bei einer Untersuchung von während der Schwangerschaft behandelten Frauen wurde ein Übertritt von Nipocalimab in die Muttermilch festgestellt.[1]
Über eine Behandlung mit Nipocalimab in der Schwangerschaft und in der Stillzeit ist im Einzelfall zu entscheiden.
Toxizität
Es liegen aktuell (2025) keine Erfahrungen zur Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Nipocalimab vor. Ein spezifisches Antidot steht bisher nicht zur Verfügung. Antikörper und Antigen-Antikörper-Komplexe lassen sich durch Plasmapherese oder Austauschtransfusion entfernen.
Zulassung
Nipocalimab wurde im April 2025 durch die FDA zugelassen.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Full Prescribing Information Imaavy, FDA Revised 4/2025, abgerufen am 13.05.2025
- ↑ Pyzik, M., Kozicky, L.K., Gandhi, A.K. et al. The therapeutic age of the neonatal Fc receptor. Nat Rev Immunol 23, 415–432 (2023). https://doi.org/10.1038/s41577-022-00821-1
- ↑ A Study of Nipocalimab Administered to Adults With Generalized Myasthenia Gravis. NCT04951622, abgerufen am 02.10.2024
- ↑ Krause T. Nipocalimab verbessert Symptomatik. Psychopharmakotherapie 2024 - Referat der Studie, abgerufen am 02.10.2024
Weblinks
- Drugbank - Nipocalimab, abgerufen am 13.05.2025
- PubChem 505850122
- Pharmazeutische Zeitung – Gute Daten zu Nipocalimab vorgestellt, abgerufen am 24.07.2024
- Johnson&Johnson – Nipocalimab pivotal Phase 3 trial demonstrates longest sustained disease control in FcRn class, abgerufen am 24.07.2024
- Johnson&Johnson – Johnson & Johnson reports positive topline results for nipocalimab from a Phase 3 pivotal study in generalized myasthenia gravis (gMG) and a Phase 2 study in Sjögren’s Disease (SjD), abgerufen am 24.07.2024
- Pharmacy Times – FDA Grants Breakthrough Therapy Designation to Nipocalimab for the Treatment of Rare Disease in Pregnancy, abgerufen am 24.07.2024