Mechlorethamin
Handelsname: Mustargen®
Synonyme: Chlormethin, Chlormethinhydrochlorid, Chlormethini hydrochloridum, HN2
Englisch: mechlorethamine
Definition
Mechlorethamin ist ein zytostatisch wirkender Arzneistoff auf Stickstofflost-Basis. Er gehört zur Gruppe der Alkylantien und wird v.a. in der Chemotherapie des Morbus Hodgkin eingesetzt.
Geschichte
Die dem Arzneimittel zugrundeliegenden Stickstoffloste wurden bereits während des Ersten Weltkrieges als Giftgas eingesetzt. Mechlorethamin wurde in den 1930er Jahren als Hautkampfstoff entwickelt.[1] Erst später wurde die zytostatische Wirkung der Stickstoffloste entdeckt.[2] Aus militärischen Gründen wurden diese Erkenntnisse erst nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht. Die erste experimentelle Therapie mit Mechlorethamin wurde 1947 bei einem Patienten mit einem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) durchgeführt.[3]
Chemie
Mechlorethamin ist eines von drei Stickstofflosten. Das Grundgerüst besteht daher aus einem Stickstoffatom, das über Kohlenwasserstoffketten mit zwei Chloratomen verbunden ist. Der zentrale Stickstoff ist weiterhin mit einer Methylgruppe assoziiert. Die chemische Summenformel des Wirkstoffes lautet:
- C5H11Cl2N
Bei Zimmertemperatur liegt die Verbindung in flüssiger Form vor. Der Schmelzpunkt befindet sich bei rund -60 °C.
Wirkungsmechanismus
Als Alkylans entfaltet Mechlorethamin seine zytotoxische Wirkung in erster Linie durch den Einbau von Alkylgruppen in die DNA. Ist eine bestimmte Menge dieser Gruppen im Erbgut erreicht, wird dieses als beschädigt erkannt. Infolgedessen unterbleibt eine weitere Mitose der betroffenen Zelle. Hochdosiert vermögen Alkylantien auch die kovalenten Bindungen der DNA zu zerstören, Doppelstrangbrüche herbeizuführen und DNA-Stränge fehlerhaft miteinander zu verknüpfen. Die therapeutische Wirkung beruht auf einer Kombination dieser Mechanismen und tritt insbesondere bei Zellen mit hoher Mitoserate auf.
Pharmakologie
Der Wirkstoff wird kurz nach Aufnahme in den Organismus in einen hochwirksamen Metaboliten umgebaut. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren.
Indikationen
Mechlorethamin wird bei den folgenden Indikationen eingesetzt:
- Morbus Hodgkin (palliative Chemotherapie)
- Lymphosarkom
- Lungenkrebs
- Leukämie (Therapie zweiter Wahl)
- Mycosis fungoides (lokale Behandlung)
Darreichungsform
Zur Behandlung der onkologischen Erkrankungen wird Mechlorethamin intravenös als Infusion verabreicht. Gegen Mycosis fungoides wird der Wirkstoff als Salbe angewendet.
Nebenwirkungen
- Übelkeit
- Erbrechen
- Appetitlosigkeit
- Blutbildungsstörungen
- Schwäche
- Durchfall
- Schwerhörigkeit
- Haarausfall
- erhöhte Infektanfälligkeit durch immunsuppressive Wirkung
- sekundäre Amenorrhoe
Wechselwirkungen
Durch den immunsuppressiven Effekt von Mechlorethamin kann eine Lebendimpfung eine gefährliche Infektion auslösen.
Kontraindikationen
- Infektionen
- Anämie
- Leukopenie
- Thrombozytopenie
- bereits bestehende Knochenmarksdepression
- Schwangerschaft im ersten und zweiten Trimenon, da Mechlorethamin fetale Missbildungen hervorrufen kann
Weblink
- Vom Kampfgas zur Immuntherapie – eine kleine Geschichte des Kleinzellers. Dtsch Ärzteblatt 2024, abgerufen am 05.07.2024
Literatur
Quellen
- ↑ Ward K. The chlorinated ethylamines - a new type of vesicant. J Am Chem Soc 1935; 57 (5): 914–916.
- ↑ Berenblum I. Experimental inhibition of tumour induction by mustard gas and other compounds. J Pathol 1935; 40 (3): 549-558
- ↑ Karnofsky DA et al. The use of the nitrogen mustards in the palliative treatment of carcinoma: with particular reference to bronchogenic carcinoma. Cancer 1948; 1 (4): 634-656