Mastzellleukämie
Synonyme: akute Mastzellleukämie, aleukämische Mastzellleukämie, MCL
Englisch: mast cell leukemia
Definition
Die Mastzellleukämie, kurz MCL, ist eine sehr seltene, hochmaligne Variante der systemischen Mastozytose. Sie gehört zur Gruppe der myeloischen Neoplasien und ist durch eine massive Infiltration von Mastzellen im Knochenmark sowie häufig auch in peripherem Blut und anderen Organen gekennzeichnet. Die Erkrankung kann de novo auftreten oder sekundär aus einer vorbestehenden systemischen Mastozytose hervorgehen.
Klassifikation
Die MCL wird gemäß der WHO-Klassifikation den myeloischen Neoplasien zugeordnet. Es werden zwei Formen unterschieden:
- Klassische MCL: > 10 % atypische Mastzellen im peripheren Blut
- Aleukämische MCL: < 10 % Mastzellen im Blut, Diagnose anhand von Knochenmarkbiopsien
Eine chronische Verlaufsform mit langsamer Progression ist möglich, stellt jedoch die Ausnahme dar.
Ätiologie
Pathogenese
Die klonale Expansion atypischer, teils unreifer Mastzellen führt zu einer Infiltration hämatopoetischer und nicht-hämatopoetischer Organe. Die massive Freisetzung von Mastzellmediatoren (z.B. Histamin, Tryptase) kann systemische Symptome hervorrufen. Zusätzlich kann die Organfunktion durch Zellinfiltration beeinträchtigt werden (z.B. Hepatomegalie, Splenomegalie, Knochenläsionen).
Symptome
Die Klinik ist variabel und umfasst:
- Allgemeinsymptome wie Fatigue, Fieber, Gewichtsverlust
- Hautveränderungen (selten bei MCL, da Haut selten betroffen)
- Organomegalie (v.a. Leber, Milz, Lymphknoten)
- Knochenmanifestationen (Schmerzen, pathologische Frakturen)
- Anaphylaktoide Reaktionen
- Zytopenien aufgrund Knochenmarkversagen
- Mediatorbedingte Symptome: Flush, Hypotonie, Durchfall, Übelkeit
Im Verlauf kann ein akutes Leukämiesyndrom mit rascher Progredienz und Multiorganversagen auftreten.
Diagnostik
Die Diagnose stützt sich auf folgende Kriterien:
- ≥ 20 % Mastzellen im Knochenmark
- ≥ 10 % Mastzellen im peripheren Blut
- Nachweis atypischer Mastzellen (spindelförmig, unreif)
- Immunphänotyp: CD117+, CD25+, häufig CD2+
- Molekulargenetischer Nachweis von KIT-Mutationen (v.a. D816V)
Zusätzlich erfolgt eine histologische Aufarbeitung des Knochenmarks (Biopsie und Zytologie), ergänzt durch molekulargenetische Analysen.
Therapie
Die Prognose ist sehr ungünstig, die mittlere Überlebenszeit liegt bei wenigen Monaten.
Bekannte Therapieoptionen sind z.B.:
- Polychemotherapie (z.B. AML-Protokolle): begrenzter Erfolg
- Midostaurin (Tyrosinkinase-Inhibitor): bei KIT-D816V-Mutation, Zulassung für fortgeschrittene systemische Mastozytose
- Avapritinib: gezielter KIT-D816V-Inhibitor, in Studien mit Wirksamkeit auch bei MCL
- Allogene Stammzelltransplantation: einzige potenziell kurative Therapie, nur bei ausgewählten Patienten durchführbar
Supportiv ist die Prophylaxe mastzellvermittelter Komplikationen entscheidend:
- Antihistaminika (H1- und H2-Blocker)
- Glukokortikoide
- Vermeidung bekannter Trigger
- Therapie von Anaphylaxien nach Standard
Prognose
Die MCL verläuft in der Regel rasch progredient. Die mediane Überlebenszeit beträgt etwa 6 Monate. Günstige Faktoren sind selten. Eine chronische Verlaufsform ist möglich, geht aber früher oder später in eine akute Form über.
Literatur
- Onkopedia: systemische Mastozytose, zuletzt geändert Januar 2024
- Orphanet: Mastzellleukämie, zuletzt geändert 2020