Hepadnaviridae
Synonym: Hepadnaviren
Definition
Die Hepadnaviridae bzw. Hepadnaviren bilden eine Familie von DNA-Viren. Der Hauptvertreter dieser Virusfamilie ist das humanpathogene Hepatitis-B-Virus. Namensgebend vermehren sie sich überwiegend in Leberzellen.
Taxonomie
Derzeit (2019) werden die bekannten Hepadnaviren genotypisch in zwei Gattungen eingeteilt. Es existieren weitere Virusspezies, die noch nicht endgültig einer Gattung zugeordnet sind:[1]
Gattung | Art (Auswahl) |
---|---|
Orthohepadnavirus | Hepatitis-B-Virus (HBV) |
Erdhörnchen-Hepatitis-B-Virus (GSHV) | |
Waldmurmeltier-Hepatitis-B-Virus (WHV) | |
Avihepadnavirus | Enten-Hepatitis-B-Virus (DHBV) |
Reiher-Hepatitis-B-Virus (HHBV) | |
Papagei-Hepatitis-B-Virus (PHBV) | |
Unklassifiziert | White-Sucker-Hepatitis-B-Virus (WSHBV) |
Bluegill-Hepatitis-B-Virus (BGHBV) | |
Tibetan-Frog-Hepatitis-B-Virus (TFHBV) |
Aufbau
Morphologie
Die infektiösen Virionen von Hepadnaviren werden auch Dane-Partikel genannt und haben eine sphärische Gestalt mit einem Durchmesser von 42 bis 50 nm. Sie setzten sich zusammen aus einer Virushülle, einem ikosaedrischen Nukleokapsid (25 bis 25 nm im Durchmesser) und einer zirkulären, partiell doppelsträngigen DNA (pdsDNA).
Im Serum von infizierten Indiiduen finden sich außerdem nichtinfektiöse, subvirale Partikel mit einem Durchmesser von ca. 22 nm. Diese bestehen nur aus einer Hüllmembran ohne Kapsid oder Genom. Die genaue Funktion dieser Partikel ist nicht bekannt, evtl. fangen sie neutralisierende Antikörper ab.
Virusgenom
Das Virus verfügt ein sehr kleines Genom (ca. 3,2 kb), wobei nur der Negativstrang die komplette Genomlänge besitzt, der Plusstrang wird erst in der Wirtszelle ergänzt. Vom Genom werden verschieden lange RNA-Transkripte gebildet, die an unterschiedlichen Stellen beginnen, aber alle an der gleichen Polyadenylierungssequenz (PolyA) enden. Ausgehend von der RNA werden sieben Proteine translatiert:
In der Hüllmembran, die aus der Membran des endoplasmatischen Retikulums entsteht, sind drei unterschiedlich Formen des viralen Oberflächenproteins HBsAg (hepatitis B surface antigen) verankert. Sie unterscheiden sich durch unterschiedlich lange Sequenzfolgen an ihren N-terminalen Enden, während die C-terminalen Enden in allen drei Versionen identisch sind. Nach ihrer Größe werden sie bezeichnet als:
- LHBsAg (large)
- MHBsAg (medium)
- SHBsAg (small)
Weitere Proteine sind:
- Core-Protein (HBcAg)
- pre-Core-Protein (HBeAg): wird aus der Zelle sezerniert, spielt eine immunmodulatorische Funktion bei der T-Zellantwort und ist für die Etablierung einer Viruspersistenz wichtig
- virale Polymerase mit drei funktionellen Domänen:
- N-terminale Proteindomäne: Primer für die Minusstrangsynthese
- reverse Transkriptase: daher werden Hepadnaviren funktionell zu den Pararetroviren gezählt
- RNAse H: baut RNA in RNA-DNA-Heteroduplexen ab
- X-Protein (HBxAg): greift vermutlich in die Signaltransduktion und Genexpression der Wirtszelle einzugreifen und wird bei Avihepadnaviren meist nicht synthetisiert
Lebenszyklus
Hepadnaviren werden rezeptorvermittelt in die Wirtszelle aufgenommen. Dabei spielt die sogenannte prä-S1-Region von HBsAg eine wichtige Rolle. Anschließend folgt ein Uncoating des Kapsids und der Transport zur Kernpore. Dort wird das Genom freigesetzt.
Das partiell doppelsträngige Genom wird durch die virale Polymerase zu einem kompletten Doppelstrang vervollständig, der anschließend ringförmig geschlossen wird (cccDNA). Die RNA-Polymerase der Wirtszelle transkribiert anschließend die mRNA für die viralen Proteine sowie eine prägenomische RNA (pgRNA). Anschließend werden die einzelnen Bestandteile des Nukleokapsid zusammengesetzt. Im Kapsid wandelt die virale Polymerase mit ihrer RNA-abhängigen-DNA-Polymeraseaktivität die pgRNA in pdsDNA um. Die RNAse H baut dann das pgRNA-Transkript ab. Die nun infektiösen Partikel werden über multivesikuläre Körperchen (MVB) sezerniert. Diesen Prozess nennt man Knospung (budding).
Resistenz
Hepadnaviren sind relativ stabil und bleiben bei ca. 30 °C mindestens 6 Monate, bei -15 °C mindestens 15 Jahre infektiös. Getrocknetes Blut ist mindestens 1 Woche lang infektiös.
Die Viren lassen sich durch Autoklavieren bei 121 °C für 20 Minuten, durch trockene Hitze bei 160 °C für 60 Min, durch 0,25 %iges Natriumhypochlorit für 3 Minuten sowie durch 70 %iges Isopropylalkohol oder 80 %iges Ethanol für 2 Minuten inaktivieren. Pasteurisieren ist nicht effektiv.
Klinik
Hepadnaviren spielen eine wichtige Rolle als Auslöser einer akuten oder chronischen Hepatitis beim Menschen bzw. beim Tier.
Beim Menschen finden sich weltweit etwa 350 Millionen Virusträger. Dabei wird es in 2/3 der Fällen sexuell, in den anderen Fällen parenteral oder perinatal übertragen.
Diagnostik
Der Nachweis von Infektionen an Tieren und Menschen erfolgt durch die Bestimmung der viralen Antigene HBsAg und HBeAG. Weiterhin können die gegen diese Proteine gerichteten Antikörper Anti-HBs, Anti-HBc und Anti-HBe nachgewiesen werden.
Mittels PCR lässt sich die virale DNA im Blut quantifizieren. Diese Viruslast korreliert mit der Infektiosität.
Therapie
Eine akute Hepatitis B wird normalerweise aufgrund einer hohen Spontanheilungsrate nicht antiviral behandelt. Bei einer chronischen Hepatitis B können pegyliertes Interferon-alpha, Nukleosidanaloga oder Nukleotidanaloga eingesetzt werden. Ziele sind eine dauerhafte Suppression der viralen DNA unter der Nachweisgrenze sowie eine Serokonversion von HBeAg zu Anti-HBe bzw. von HBsAg zu Anti-HBs.
Prophylaxe
Beim Menschen wird eine aktive Immunisierung gegen Hepatitis B mittels eines Sechsfachimpfstoffs im Rahmen der Grundimmunisierung empfohlen. Verwendet wird ein Totimpfstoff, der aus HBsAg besteht.
Die Grundimmunisierung sollte innerhalb des ersten Lebensjahres mit 4 Impfdosen im Alter von 2, 3, 4 und 11 bis 14 Monaten erfolgen. Weiterhin existieren Empfehlungen bzgl. einer Indikationsimpfung.
Literatur
- Susanne Modrow, Dietrich Falke, Uwe Truyen, Hermann Schätzl: Molekulare Virologie. 3. Auflage, Spektrum, 2010
- Suerbaum, Hahn, Burchard, Kaufmann, Schulz: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 7. Auflage, Springer, 2012
Quellen
- ↑ ICTV Report, abgerufen am 08.10.2019