Hämorrhagische Nephritis und Enteritis der Gänse (Geflügel)
Synonym: Hämorrhagische Gänse-Nephritis und Enteritis
Definition
Die hämorrhagische Nephritis und Enteritis der Gänse ist eine der bedeutsamsten Gänseerkrankungen in Europa, die durch Viren der Familie Polyomaviridae verursacht wird.
Ätiologie
Das Goose Haemorrhagic Polyomavirus (GHPV) gehört zur Gruppe der Avipolyomavirus (Avian Polyomavirus) innerhalb der Gattung Gammapolyomavirus. Es ist ein unbehülltes, ca. 50 nm großes und zirkuläres doppelsträngiges DNA-Virus (dsDNA), das neben Gänsen auch Enten infizieren kann, wobei diese keine klinisch manifeste Erkrankung entwickeln.
Epidemiologie
Das Goose Haemorrhagic Polyomavirus besitzt eine hohe Tenazität. Bei 4 °C bleibt es über mehrere Monate, bei 37 °C über mehrere Wochen hinweg erhalten. Eine Inaktivierung findet erst bei Temperaturen von 70 °C und mehr statt. Der Erreger ist zudem unempfindlich gegenüber Ether, 2%igem Phenol und 50%igem Ethanol.
Pathogenese
Polyomaviren gelten als hoch kontagiös. Ansteckungsquellen sind neben persistent infizierten Tieren v.a. Stall- und Federstaub. Die Virusübertragung erfolgt hauptsächlich horizontal, wobei auch eine vertikale Übertragung mit dem Brutei in Betracht gezogen werden muss.
Über den genauen Pathomechanismus ist noch wenig bekannt. Sowohl der akute als auch perakute Krankheitsverlauf deuten jedoch auf eine systemische Infektion mit Manifestation in zahlreichen Organen hin. Das Virus weist einen besonderen Tropismus für Endothelzellen der Blutgefäße auf, die durch den Erreger zerstört werden. In weiterer Folge kommt es zu Ödemen und Hämorrhagien in zahlreichen Organen. Gleichzeitig scheinen aber auch lymphoide Organe Zielzellen des Virus zu sein, was besonders bei inapparenten Verläufen zu einer B-Zelldepletion mit konsekutiver Immunsuppression führt.
Klinik
Die Inkubationszeit variiert mit dem Alter der betroffenen Tiere. Nach experimentellen Infektionen am 1. Lebenstag versterben die Küken binnen einer Woche.
Die Erkrankung betrifft besonders 4 bis 10 Wochen alte Gänseküken. Ältere Tiere (> 13 Lebenswochen) können zwar infiziert sein, entwickeln jedoch keine Symptome. Die Erkrankung verläuft entweder akut oder perakut, sodass die Tiere auch ohne klinische Symptome innerhalb weniger Stunden versterben können. Klinisch erkrankte Tiere hingegen leiden an schwankendem Gang, Bewegungsunlust, Atemnot und blutigem Durchfall mit übelriechendem Kot. Ältere Vögel können auch chronisch infiziert sein. Hier entwickeln sich durch Uratablagerungen in den Gelenken verschiedene Formen der Lahmheit.
Pathohistologie
Bei der Sektion fallen v.a. Unterhautödeme, petechiale Blutungen, Aszites, geschwollene Nieren mit grauen Herden und selten auch eine blutige Enteritis auf. Gelegentlich kommt es auch zu Schwellungen der Leber, Milz sowie Hydroperikard und Lungenödem.
Im histologischen Schnittbild zeigen sich im Darm ein abgelöstes und nekrotisches Zottenepithel, ein blutgefülltes Lumen sowie hämorrhagisch-pseudoepitheloide Entzündungserscheinungen. Die Nieren sind serös-hämorrhagisch entzündet und von einem interstitiellen Ödem begleitet. Es kommt zur Ablösung des Tubulusepithels von der Basalmembran sowie zu ausgeprägten Nekrosen. Auch die Leber ist entzündlich verändert. In zahlreichen weiteren Organen (v.a. Gehirn) sind ebenfalls kleine Blutungen nachweisbar.
Diagnose
Eine Verdachtsdiagnose ergibt sich aufgrund des klinischen Bildes - zusammen mit den pathohistologischen Befunden. Die Diagnose ist dann mittels Erregernachweis (PCR) abzusichern. Eine Virusanzucht ist zwar in Gänsenierenzellen möglich, jedoch schwierig.
Therapie
Eine Therapie sowie eine Impfung sind nicht verfügbar. Die Bekämpfung konzentriert sich auf die Unterbrechung der Infektionskette durch Ausmerzung (Euthanasie) inapparent infizierter Tiere und anschließender Reinigung mit Desinfektion der Stallungen.
Quellen
- Guerin JL, Gelfi J, Dubois L, Vuillaume A, Boucraut-Baralon C, Pingret JL. A novel polyomavirus (goose hemorrhagic polyomavirus) is the agent of hemorrhagic nephritis enteritis of geese. J Virol. 2000;74(10):4523-4529. doi:10.1128/jvi.74.10.4523-4529.2000
- Corrand L, Gelfi J, Albaric O, Etievant M, Pingret JL, Guerin JL. Pathological and epidemiological significance of goose haemorrhagic polyomavirus infection in ducks. Avian Pathol. 2011 Aug;40(4):355-60. doi: 10.1080/03079457.2011.582481
- Pingret JL, Boucraut-Baralon C, Guérin JL. Goose haemorrhagic polyomavirus infection in ducks. Vet Rec. 2008;162(5):164. doi: 10.1136/vr.162.5.164-a
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
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