Gabriele-De Vries-Syndrom
nach dem italienischen Genetiker Michele Gabriele und dem niederländischen Genetiker Bert de Vries
Synonyme: YY1-bezogenes Syndrom, YY1-Haploinsuffizienz-Syndrom
Englisch: Gabriele-de Vries syndrome, YY1 haploinsufficiency syndrome
Definition
Das Gabriele-de Vries-Syndrom, kurz GADEVS, ist eine seltene genetische Erkrankung, die durch Mutationen im YY1-Gen verursacht wird. Es ist charakterisiert durch Intelligenzminderung, Entwicklungsverzögerung und verschiedene dysmorphe Merkmale.
Epidemiologie
Ätiologie
Das Gabriele-de Vries-Syndrom wird durch Haploinsuffizienz des YY1-Gens (Genlokus 14q32.2) verursacht. Pathogene Varianten umfassen Nonsense-, Missense- und Frameshift-Mutationen sowie große Deletionen. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant, die meisten Fälle entstehen jedoch durch de-novo-Mutationen. Das Wiederholungsrisiko für Geschwister wird auf etwa 1 % geschätzt.
Pathogenese
Das YY1-Gen kodiert einen Zinkfingerdomänen-Transkriptionsfaktor, der eine wichtige Rolle bei der Chromatin- und Enhancer-Aktivierung spielt. Eine Haploinsuffizienz des YY1-Gens führt zu einer verminderten Bindung von YY1 an die DNA, was eine gestörte Genregulation und veränderte Histonmodifikationen (z.B. H3K27-Acetylierung) zur Folge hat. Dies resultiert in einer globalen Dysregulation von Transkriptionsnetzwerken, insbesondere im Rahmen der Neurogenese.
Klinik
Das Syndrom umfasst ein breites Spektrum von funktionellen und morphologischen Anomalien:
- Kraniofaziale Dysmorphien
- Gesichtsasymmetrie
- breite Stirn
- dicke Unterlippe
- Mikrogenie
- tief sitzende und nach hinten rotierte Ohren
- Gaumenspalte
- Neurologische Symptome
- Hypotonie
- Gangstörungen
- Entwicklungsverzögerungen
- Krampfanfälle
- Verhaltensauffälligkeiten
- Organanomalien
- Fehlbildungen an Herz, Nieren, Augen und Skelett
Diagnostik
Die Diagnose wird molekulargenetisch durch den Nachweis einer heterozygoten YY1-Mutation oder Deletion gestellt. Hierfür eignen sich Methoden wie die chromosomale Mikroarray-Analyse (CMA) oder die Exomsequenzierung.
Therapie
Es gibt keine kausale Therapie. Die Behandlung umfasst:
- Physiotherapie und Ergotherapie zur Förderung motorischer Fähigkeiten
- Logopädie bei Sprachentwicklungsstörungen
- Symptomatische Behandlung von Krampfanfällen und Verhaltensstörungen
- Multidisziplinäre Betreuung durch Neurologen, Kinderärzte und Psychologen
Prognose
Die Lebenserwartung ist derzeit unklar, da nur wenige Fälle beschrieben wurden. Eine fortlaufende Betreuung ist notwendig, um die Lebensqualität zu optimieren.
Quellen
- Gabriele-de Vries-Syndrom – Orpha.net, abgerufen am 21.01.2025
- Nabais et al., Gabriele-de Vries Syndrome, GeneReviews, 2019
- Gabriele et al., YY1 Haploinsufficiency Causes an Intellectual Disability Syndrome Featuring Transcriptional and Chromatin Dysfunction, Am J Hum Genet, 2017