Citratakkumulation
Synonym: Zitratakkumulation
Englisch: citrate accumulation
Definition
Die Citratakkumulation ist die pathologische Anhäufung von Citrat im Blut. Sie tritt vor allem im Rahmen von Massivtransfusionen oder bei der citratbasierten Antikoagulation während extrakorporaler Verfahren (insbesondere Nierenersatzverfahren) auf.
Hintergrund
Citrat ist ein Tricarbonsäure-Anion, das physiologisch eine zentrale Rolle im Citratzyklus des Energiestoffwechsels spielt. In der klinischen Praxis wird es vor allem als Antikoagulans eingesetzt, beispielsweise in Blutkonserven (Citrat-Phosphat-Dextrose-Lösung) oder bei extrakorporalen Zirkulationsverfahren wie Hämodialyse, Apherese oder ECMO. Seine antikoagulatorische Wirkung beruht auf der Fähigkeit, ionisiertes Calcium zu binden, das ein essenzieller Faktor der plasmatischen Gerinnung ist.
Pathophysiologie
Citrat wird in der Leber, Niere und Skelettmuskeln rasch zu Bikarbonat metabolisiert. Ist dieser Abbau gestört oder wird Citrat in zu großen Mengen zugeführt, kann es zu Elektrolytstörungen und Störungen des Säure-Basen-Haushalts kommen.
Die Akkumulation von Citrat führt primär zur Bindung von freiem Calcium. Folge ist eine Hypokalzämie. Klinisch äußert sich dies durch:
- neuromuskuläre Symptome wie Parästhesien, Tetanie oder Krampfanfälle
- kardiovaskuläre Komplikationen wie Hypotonie, QT-Verlängerung im EKG und Herzrhythmusstörungen
- Störungen der Blutgerinnung
Parallel bindet Citrat Magnesiumionen, was zu Hypomagnesiämie führt und die neuromuskulären und kardialen Störungen verstärken kann. Außerdem kann der Säure-Basen-Haushalt gestört sein: Ein unzureichender Citratabbau verursacht eine metabolische Azidose, während ein gesteigerter Abbau in Form von Bicarbonatbildung zu metabolischer Alkalose führt.
Problematisch wird Citrat insbesondere bei eingeschränktem Metabolismus, z.B. bei Leberfunktionsstörungen (Leberversagen, Schockleber), verminderter hepatischer Perfusion (Hypotonie, Hypoxie, Schock) und/oder hoher Citratzufuhr, wie sie bei Massivtransfusionen oder intensivierter Dialyse auftritt. Zusätzliche Faktoren wie Hypothermie können den Abbau weiter hemmen und das Risiko einer Akkumulation erhöhen.
Diagnostik
- Blutgasanalyse: pH-Wert, Bicarbonat, Laktat, Base Excess, pO₂, pCO₂
- Laborwerte: Gesamtcalcium, ionisiertes Calcium, Serum-Magnesium, Gerinnungsparameter
Zudem deutet ein Verhältnis von Gesamtcalcium zu ionisiertem Calcium von > 2,5 auf eine Akkumulation hin.
Therapie
Die Behandlung der Citratakkumulation richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad. Zunächst sollte die Zufuhr von Citrat reduziert oder die Antikoagulation entsprechend angepasst werden, um eine weitere Anhäufung zu verhindern. Zur Korrektur der durch Citratbindung ausgelösten Hypokalzämie wird in der Regel eine intravenöse Calcium-Substitution durchgeführt. Bei gleichzeitiger Hypomagnesiämie ist auch die Gabe von Magnesium erforderlich. Zusätzlich sollte die Leberperfusion optimiert und eine mögliche zugrunde liegende Leberfunktionsstörung oder Schädigung behandelt werden, um den Citratabbau wieder zu normalisieren.
Literatur
- Marx, G., Muhl, E., Zacharowski, K., & Zeuzem, S. (Hrsg.). (2024). Die Intensivmedizin (13. Aufl.). Springer-Verlag. ISBN 978-3-662-68698-0
- R.Jahn, H. Van Aken: Zusatzweiterbildung Intensivmedizin, Thieme-Verlag
- Oudemans-van Straaten HM, Ostermann M. Bench-to-bedside review: Citrate for continuous renal replacement therapy, from science to practice. Critical Care. 2011;16(202).
- Guder, W. G., & Nolte, J. (Hrsg.). (2009). Das Laborbuch für Klinik und Praxis (2. Aufl.). Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH. ISBN 978-3-437-23341-8.
- Oudemans-van Straaten HM, et al. Efficacy and safety of citrate-based anticoagulation compared to heparin in patients with acute kidney injury requiring continuous renal replacement therapy: a randomized controlled trial. Critical Care. 2015;19:202.
- Thanapongsatorn P, Chaijamorn W, et al. Citrate pharmacokinetics in critically ill liver failure patients receiving CRRT. Scientific Reports. 2022 Feb 2;12(1):1815. doi:10.1038/s41598-022-05867-8. PMID: 35110648.