Bacillus cereus
von latein: "bacillus" - Stäbchen; "cereus" - wächsern (Kulturmorphologie)
Definition
Bacillus cereus ist ein grampositives, flagelliertes, endosporenbildendes, fakultativ anaerobes Stäbchenbakterium, das zu den Bacillen gehört und zu Diarrhoe und Erbrechen führen kann.
Epidemiologie
Es wird geschätzt, dass 1,4 - 12 % aller weltweiten Lebensmittelintoxikationen bzw. -infektionen auf B. cereus zurückzuführen sind.[1]
Vorkommen und Übertragung
Bacillus cereus ist ubiquitär in der Natur vorhanden. Das Bakterium und vor allem seine Sporen finden sich in großer Menge in Böden und an Pflanzenwurzeln.
Da die Sporen eine enorme Umweltresistenz aufweisen – sie werden weder durch Aufkochen, Pasteurisierung noch Bestrahlung abgetötet – gelangen sie in eine Vielzahl von Lebensmitteln. Insbesondere Reis ist häufig kontaminiert. Bei einer Vermehrung auf eine Keimzahl von 105 bis 108 koloniebildende Einheiten pro Gramm Lebensmittel (KbE/g) kann es jedoch einerseits zum Auskeimen der Sporen mit Toxinbildung im Lebensmittel kommen, was zur Lebensmittelvergiftung führt. Andererseits kann es auch zur Sporeningestion mit Auskeimen im Dünndarm führen.[2] Da hohe Erregermengen mit einer Fermentation des Lebensmittels durch bakterielle Proteasen einhergehen, die einen unangenehmen Geschmack verursachen, werden derartige Lebensmittel häufig als verdorben erkannt.[3]
Selten kann Bacillus cereus auch durch direkte Erreger- oder Sporeneintragung über Augen, Wunden oder die Atemwege übertragen werden.
Pathogenese
Bacillus cereus kann entweder Lebensmittelintoxikationen oder Infektionen verursachen.
Bei Lebensmittelintoxikationen ist vor allem das im verdorbenen Lebensmittel gebildete, hitze- und proteasestabile Toxin Cereulid von Bedeutung. Dieses besitzt durch einen 5HT3-Agonismus eine emetogene Wirkung und gehört zu den Ionophoren.
Werden vitale Erreger oder größere Mengen Sporen übertragen, kann es zur Infektion kommen. Diese wird durch eine Vielzahl von Virulenzfaktoren veruracht (z.B. Hämolysine, Proteasen/Kollagenasen, Phospholipasen), die eine Gewebeinvasion des Erregers erleichtern.[4] Bei Darminfektionen spielen neben Cereulid auch einige hitzelabile Toxine (Zytotoxin K, hämolytische und nicht-hämolytische Enterotoxine) eine Rolle, die Diarrhoe verursachen können.[4]
Klinik
Beim klinischen Bild unterscheidet man:
- Lebensmittelvergiftung: ca. 1 bis 5 h nach Aufnahme kommt es zu starkem Erbrechen und gelegentlich auch zur Diarrhoe; selten können große Mengen Cereulid zur Leberschädigung führen
- infektiöse Gastroenteritis: nach etwa 6 bis 24 Stunden Inkubation stellen sich Bauchschmerzen und wässrige Diarrhoe ein
Weitere, eher seltene Infektionen durch den Erreger sind:
- rasch fortschreitende Endophthalmitis
- Wundinfektionen
- Endokarditis, Meningitis oder Meningoenzephalitis bei hämatogener Aussaat
Diagnostik
Die Enterotoxine können über immunologische Verfahren wie z.B. EIA oder lateral-flow-Immunchromatografie nachgewiesen werden. Da die Erkrankung oftmals blande verläuft, wird sie häufig nicht diagnostiziert.
Der Erreger kann durch kulturelle Anzucht mit anschließender Mikroskopie, MALDI-TOF oder PCR nachgewiesen werden (Erregernachweis). Kulturmorphologisch finden sich "wächserne", weißliche Kolonien mit Beta-Hämolyse. Mikroskopisch zeigen sich endosporenbildende, kettenartig angeordnete, grampositive Stäbchen, die morphologisch mit Bacillus anthracis, dem Milzbranderreger, zu verwechseln sind. Dieser zeigt jedoch auf Blutagar kein Hämolyseverhalten.
Therapie
Die Therapie von Lebensmittelintoxikationen und -infektionen erfolgt rein symptomatisch. Bei anderen Infektionen (z.B. Endophthalmitis) kann Ciprofloxacin eingesetzt werden. Gegen Penicilline oder Cephalosporine besteht aufgrund von beta-Laktamasenbildung oft eine Resistenz.[4]
Meldepflicht
Es besteht keine gesonderte Meldepflicht.
Nach IfSG §6 sind allgemein Lebensmittelvergiftungen und infektiöse Gastroenteritiden zu melden, wenn von den Betroffenen eine Tätigkeit in der Lebensmittelverarbeitung ausgeübt wird oder ein epidemischer Zusammenhang besteht.[5]
Prophylaxe
Der Verzehr von verdorbenen Speisen sollte vermieden werden. Eine gute Küchenhygiene kann ebenfalls Infektionen verbeugen.
Einzelnachweise
- ↑ Jovanovic, Ornelis , Madder, Rajkovic: "Bacillus cereus food intoxication and toxicoinfection". Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety, 2021.
- ↑ Bundesinstitut für Risikobewertung. Bacillus cereus. Abgerufen am 28.06.2023
- ↑ Hof, Schlüter, Dörries (Hrsg): "Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie". 7. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Suerbaum, Burchard, Kaufmann, Schulz (Hrsg.), Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag, 9. Auflage, 2020. S. 422
- ↑ Paragraph 6 des Infektionsschutzgesetzes, Stand 06/23
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