Arzneimittel für neuartige Therapien
Englisch: advanced therapy medicinal products, ATMP
Definition
Arzneimittel für neuartige Therapien, kurz ATMP, ist ein Gattungsbegriff für Arzneimittel, bei denen die modernsten Methoden aus Molekularbiologie, Genetik und Biomedizin zum Einsatz kommen. Die Gruppe der ATMPs wird in drei Klassen aufgeteilt:
Eine Besonderheit dieser Arzneimittel ist, dass es sich dabei meist um lebende Zellen oder Gewebe handelt. Die Herstellung dieser Arzneistoffe findet überwiegend in gentechnologischen bzw. biotechnologischen Laboratorien statt.
Somatische Zelltherapeutika
Bei somatischen Zelltherapeutika handelt es sich um Zellmaterial, dessen biologische oder strukturelle Merkmale oder physiologische Funktionen gentechnologisch substantiell verändert wurden. Nehmen die Zellen beim Empfänger eine andere Funktionen wahr als beim Spender, bezeichnet man das als "nicht-homologe" Verwendung.
Somatische Zelltherapeutika können der Therapie, der Diagnose oder der Prophylaxe von Erkrankungen dienen. Sie machen sich pharmakologische, metabolische, immunologische und sonstige Eigenschaften der eingepflanzten Zelle bzw. des Gewebes zu Nutze.
Beispiele für in Deutschland zugelassene somatische Zelltherapeutika sind Tabelecleucel, Darvadstrocel und allogene ABCB5-positive mesenchymale Stammzellen.
Gentherapeutika
Gentherapeutika enthalten rekombinante Nukleinsäuren, die dazu dienen, eine Gensequenz in Zellen zu ergänzen, zu regulieren, zu reparieren, zu ersetzen oder zu entfernen. Dabei kommen häufig Viren als Genfähren bzw. Vektoren zum Einsatz. Sie infizieren Körperzellen und schleusen auf diese Weise die therapeutisch wirksamen Nukleinsäuren ein. Die gewünschten pharmakologischen Effekte sind direkt auf die rekombinante Nukleinsäure zurückzuführen.
Eine Ausnahme bilden Impfungen gegen Infektionskrankheiten, die Nukleinsäuren verwenden (z.B. mRNA-Impfstoffe). Sie werden nicht als Gentherapeutikum klassifiziert.
Beispiele für in der EU zugelassene Gentherapeutika sind:
- Atidarsagen-Autotemcel (Libmeldy®) bei metachromatischer Leukodystrophie (MLD)
- Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®) zur Behandlung von Lymphomen
- βA-T87Q-Globin-HSC (Zynteglo®) bei Beta-Thalassämie
- Brexucabtagen-Autoleucel (Tecartus®) zur Behandlung des Mantelzelllymphoms und der ALL
- Ciltacabtagen-Autoleucel (Carvykti®) zur Therapie des multiplen Myeloms
- Eladocagen-Exuparvovec (Upstaza®) bei AADC-Mangel
- Etranacogen-Dezaparvovec (Hemgenix®) bei Hämophilie B
- Idecabtagen-Vicleucel (Abecma®) zur Therapie des multiplen Myeloms
- Lisocabtagen-Maraleucel (Breyanzi®) zur Behandlung von Lymphomen
- Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma®) bei spinaler Muskelatrophie
- Talimogen-Laherparepvec (Imlygic®) zur Krebsimmuntherapie des malignen Melanoms
- Tisagenlecleucel (Kymriah®) zur Behandlung von ALL und DLBCL
- Valoctocogen-Roxaparvovec (Roctavian®) bei Hämophilie A
- Voretigen-Neparvovec (Luxturna®) zur Behandlung der Leberschen kongenitalen Amaurose
Tissue-Engineering-Produkte
Tissue-Engineering-Produkte sind biologische Arzneimittel, die biotechnologisch bearbeitete Zellen oder Gewebe enthalten oder aus ihnen bestehen. Sie dienen der Regeneration, der Wiederherstellung oder dem Ersatz menschlichen Gewebes.
Beispiele für TEPs sind Verfahren, bei denen dem Patienten Keratinozyten, Chondrozyten oder andere Zelltypen entnommen und in einer Zellkultur vermehrt werden. Die gezüchteten Zellen werden anschließend implantiert. TEPs kommen unter anderem zur Therapie von Knorpeldefekten, Hornhautschäden und zum Hautersatz nach Verbrennungen zum Einsatz.