Zusatzweiterbildung Notfallmedizin
Synonym: Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin
Definition
Die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin bildet Ärzte und Ärztinnen für die präklinische Notfallversorgung als Notarzt aus. Sie soll die erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zur Behandlung von Patienten in lebensbedrohlichen Notfallsituationen außerhalb der Klinik vermitteln und dient der Befähigung zur Durchführung der ärztlichen Tätigkeit im Rettungsdienst.
Der erfolgreiche Abschluss berechtigt zum Führen der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin.
Hintergrund
Der Notarztdienst in Deutschland entwickelte sich seit den 1960er-Jahren parallel mit dem Aufbau des modernen Rettungsdienstes. Mit der Einführung des Rendezvous-Systems und der Notarzteinsatzfahrzeuge entstand ein standardisiertes Modell, das die Qualität der präklinischen Notfallmedizin erheblich steigerte.
Heute ist die Zusatzweiterbildung fester Bestandteil der ärztlichen Notfallversorgung und bildet das Bindeglied zwischen Rettungsdienst und Klinik. Sie ist damit entscheidend für die Patientensicherheit, insbesondere bei Reanimation, schwerem Trauma oder akuten internistischen Notfällen.
Die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin ist eine der wenigen Weiterbildungen, die bereits vor Abschluss der Facharztausbildung absolviert werden können.
Weiterbildung
Die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin ist in der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer verankert.
Weiterbildungsvoraussetzung
Für die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin ist eine 24-monatige Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung im stationären Bereich unter Befugnis an einer anerkannten Weiterbildungsstätte vorgeschrieben.
Davon müssen mindestens 6 Monate in der Intensivmedizin, der Anästhesiologie oder einer interdisziplinären zentralen Notaufnahme absolviert werden, um die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Überwachung und Behandlung kritisch erkrankter Patienten zu erwerben.
Weiterbildungsablauf
Die Weiterbildung umfasst zusätzlich:
- 80 Stunden Kurs-Weiterbildung (Notarztkurs) nach Kursbuch der Bundesärztekammer
- praktische Weiterbildung mit 50 Einsätzen unter Anleitung eines erfahrenen Notarztes im Notarztdienst (Notarzteinsatzfahrzeug oder Rettungshubschrauber)
In einigen Bundesländern besteht die Möglichkeit, bis zu 25 dieser Einsätze durch Simulationstrainings zu ersetzen. Dadurch können unter realistischen Bedingungen auch seltene, aber kritische Notfallszenarien, wie z.B. die präklinische Geburt, pädiatrische Reanimation oder Polytrauma mit invasiven Maßnahmen gezielt trainiert werden. Eine strukturierte Nachbesprechung im Anschluss dient der Vertiefung und Effizienzsteigerung des Lernerfolgs.
Die Weiterbildung endet mit einer mündlichen Prüfung vor der zuständigen Ärztekammer.
Weiterbildungsinhalt
Vermittelt werden Kompetenzen in:
- Präklinische Diagnostik und Therapie bei internistischen, neurologischen, traumatologischen, pädiatrischen und geburtshilflichen Notfällen
- Erweiterte Reanimation einschließlich Atemwegssicherung, Defibrillation, Medikamentengabe und Behandlung spezieller Reanimationssituationen
- Schock- und Kreislauftherapie (z.B. Volumenmanagement, Katecholamintherapie)
- Atemwegs- und Beatmungsmanagement (inkl. invasiver Techniken)
- Traumaversorgung nach ATLS oder PHTLS-Prinzipien
- Einsatzorganisation und Taktik (Zusammenarbeit mit Rettungsfachpersonal, Feuerwehr, Polizei, Leitstellen; Sichtung bei MANV)
- Rechtliche und ethische Aspekte (Aufklärung in Notfallsituationen, Zwangsmaßnahmen, Patientenverfügung, Priorisierung im Massenanfall von Verletzten)
Abgrenzung
Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin
Die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin fokussiert sich auf die präklinische Tätigkeit im Notarztdienst. Demgegenüber ist die Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin (KLINAM) auf die innerklinische Erstversorgung, Notfalldiagnostik und Stabilisierung von Notfallpatienten in einer Zentralen Notaufnahme, Intensivstation oder in einem Schockraum ausgerichtet.
Fachkunde Rettungsdienst
Die Fachkunde Rettungsdienst kann in wenigen Bundesländern alternativ erworben werden, um als Notarzt tätig sein zu dürfen. Im Unterschied zur Zusatzweiterbildung fordert sie nur eine 18-monatige Weiterbildungszeit und bedarf keiner abschließenden Prüfung. Der Notarztkurs ist ebenfalls erforderlich. Dazu ist ein Praktikum im Notarztdienst notwendig, bei dem mindestens 10 lebensrettende Einsätze (NACA-Score IV-VI) unter Anleitung eines erfahrenen Notarztes absolviert werden. Darüber hinaus sind Einzelnachweise über 25 durchgeführte endotracheale Intubationen, 50 venöse und zentralvenöse Zugänge, 2 Thoraxdrainagen und 1 Reanimation nach Algorithmus am Phantom zu erbringen.
Die Fachkunde Rettungsdienst wird heute (2025) nur noch von der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Rheinland-Pfalz vergeben. Bisher erlangte Fachkunden behalten ihre Gültigkeit. Allerdings fordern viele Rettungsdienste bzw. ärztliche Leiter im Rettungsdienst mittlerweile den Erwerb der Zusatzbezeichnung als Voraussetzung zur Notarzt-Tätigkeit.
Literatur
- Landesärztekammer Hessen: Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen 2020 (WBO 2020)
- Landesärztekammer Bayern: Notfallmedizin, Stand 2025
- B. Driks : Die Notfallmedizin, Springer, 2. Aufl. 2013
- Uniklinik Heidelberg: Notarztkurs
- P. Meybohm, J. Scholz, B.Bein: Zusatzweiterbildung Notfallmedizin: Thieme
- Bundesärztekammer: Musterweiterbildungsordnung 2018 - Notfallmedizin
- Ärztekammer Westfalen-Lippe - Antrag auf Erteilung des Fachkundenachweises Rettungsdienst, zuletzt abgerufen am 29.08.2025