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Zentraler Lage- und Lagerungsschwindel

(Weitergeleitet von Zentraler Lagerungsschwindel)

Synonym: zentraler Lageschwindel
Englisch: central positional vertigo

1. Definition

Als zentralen Lage- und Lagerungsschwindel bezeichnet man einen Schwindel, der bei Einnahme (Lagerungsschwindel) oder Beibehalten (Lageschwindel) einer bestimmten Kopfposition auftritt und dessen Ursache im Hirnstamm oder Kleinhirn liegt.

2. Terminologie

In der Literatur wird der Begriff Lageschwindel (anhaltend in einer bestimmten Kopfposition)[1][2] selten präzise vom Lagerungsschwindel (nur vorübergehend nach Lageänderung)[2] unterschieden. Dies trifft insbesondere auf die englischsprachige Literatur zu und gilt auch für zentral verursachte Formen, die häufig unter dem Begriff "zentraler Lageschwindel" zusammengefasst werden.

3. Epidemiologie

Die Inzidenz des zentralen Lage- und Lagerungsschwindels sowie der Anteil, der durch zentrale Ursachen bedingt ist, sind derzeit (2025) nicht bekannt. In einer Studie an Patienten mit Lagerungs- bzw. Lagenystagmus, der häufig mit einem entsprechenden Schwindel vergesellschaftet ist, wurde der Anteil zentraler Läsionen auf 12 % geschätzt.[3]

4. Ätiopathogenese

Pathophysiologisch soll eine Störung der zentralen Verarbeitung von Informationen aus Bogengängen und Makulaorganen sowie eine verlängerte Speicherung von Geschwindigkeitsinformationen im Nodulus zugrunde liegen.[4]

Ursächliche Läsionen betreffen dementsprechend meist die Vestibulariskerne, das Zerebellum (v.a. den vestibulozerebellären Nodulus, aber auch Lingula und Hemisphären) oder pontomedulläre Verbindungsbahnen nahe des vierten Ventrikels.[1][4][5][6][7]

Auslöser solcher Läsionen können demyelinisierende (z.B. bei multipler Sklerose), infektiöse, degenerative, neoplastische oder vaskuläre (z.B. Infarkte, Blutungen, Dissektionen) Hirnerkrankungen sein.[1][3][4][6][7] Eine Ursache zentralen Lageschwindels ohne abgrenzbare Läsion ist die vestibuläre Migräne.[5][7]

5. Klinik

Klinisch zeigt sich ein lage- und/oder lagerungsabhängiger Dreh- oder Schwankschwindel, der bei bestimmten Kopfbewegungen bzw. -haltungen einsetzt. Häufig wird auch eine Gangunsicherheit als Hauptbeschwerde angegeben.[4]

In etwa 25 % der Fälle treten begleitend Übelkeit und Erbrechen auf, insbesondere bei bilateralen Läsionen. Ein begleitender Nystagmus kann zu lage-/lagerungsabhängigen Oszillopsien führen.[4]

Neben der Schwindelsymptomatik treten je nach Ätiologie häufig weitere neurologische Defizite auf, z.B. Okulomotorikstörungen, eine Hemiataxie oder eine Dysarthrie. Kopfschmerzen sind ebenfalls möglich.[4][5][6][7]

6. Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose wird bereits in der neurologischen Untersuchung gestellt. Hier ist in der Regel ein assoziierter Lagerungs- oder Lagenystagmus zu beobachten. Meist handelt es sich dabei um einen isolierten Downbeat-Nystagmus, es sind jedoch auch Upbeat-, horizontale (geotrop oder apogeotrop) oder multiplanare Schlagrichtungen möglich.[4][7] Bei Lagerungsmanövern tritt der Nystagmus im weitaus überwiegenden Teil der Fälle ohne zeitliche Latenz auf.[4][6][7] Zusätzlich zum Lage-/Lagerungsnystagmus kann auch ein lage-/lagerungsunabhängiger Blickfolgenystagmus auftreten.[4]

Neben der Nystagmusabklärung sollte eine gründliche Untersuchung auf weitere, eventuell auch subklinische neurologische Defizite erfolgen.

Zur Ursachenabklärung, insbesondere bei erstmaligem Verdacht auf zentralen Lage-/Lagerungsnystagmus, erfolgt eine MRT des Hinstamms.

7. Differentialdiagnostik

Der zentrale Lageschwindel ist die wichtigste Differentialdiagnose des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels (BPLS). Typische Befunde von BPLS und zentralem Schwindel sind in folgender Tabelle gegenübergestellt.[4][6][7]

Kriterium BPLS zentraler Lage-/Lagerungsschwindel
Nystagmuslatenz bei Lagerungsmanöver 3 bis 30 Sekunden fehlt typischerweise
Nystagmusdauer bei Lagerungsmanöver unter einer Minute (bei Cupulolithiasis teils etwas länger) über 30 Sekunden bzw. anhaltender Lagenystagmus
Verlaufsmuster Crescendo-Decrescendo Decrescendo oder anhaltender Lagenystagmus
Habituation bei mehrfachen Lagerungen ja nein
Schlagrichtung des Nystagmus je nach Kanal torsionell-vertikal oder horizontal-(apo-)geotrop

äußerst selten isolierter Downbeatnystagmus (Canalolithiasis im anterioren Bogengang)

häufig isolierter Downbeatnystagmus
zusätzlicher lageunabhängiger Nystagmus nein möglich
Übelkeit typischerweise sehr stark meist eher schwach
zusätzliche neurologische Defizite nein möglich

Keines dieser Kriterien erlaubt jedoch einen hundertprozentigen Ausschluss einer zentralen Genese, eine klinische Abgrenzung beider Erkrankungen kann teilweise unmöglich sein.[6] Im Zweifelsfall sollte – insbesondere bei untypischen Untersuchungsbefunden, assoziierten neurologischen Defiziten oder ausbleibender Besserung nach therapeutischen Lagerungsmanövern – eine Bildgebung erfolgen.[7]

Weiterhin abzugrenzen sind ein peripherer Lageschwindel, z.B. ein alkoholischer Lageschwindel oder andere Schwindelformen durch Auftriebseffekte an der Cupula (Glyzeroltest, Trinken schweren Wassers).[5]

8. Therapie

Bei zusätzlicher Übelkeit kann symptomatisch Dimenhydrinat verabreicht werden.[5] Die weitere Therapie richtet sich nach der Ursache.

9. Leitlinie

10. Literatur

11. Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 Urban et al., Lagerungsschwindel bei zerebellärem Nodulusinfarkt, Der Nervenarzt, 2009
  2. 2,0 2,1 Brandt, Positional and positioning vertigo and nystagmus, Journal of the Neurological Sciences, 1990.
  3. 3,0 3,1 Bertholon et al., Prospective Study of Positional Nystagmus in 100 Consecutive Patients, Annals of Otology, Rhinology, and Laryngology, 2006.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 De Schutter et al., Central positional vertigo: A clinical-imaging study. Progress in Brain Research, 2019.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 von Brevern, Zentraler Lageschwindel, In: Ernst, Basta (Hrsg.), Gleichgewichtsstörungen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2016
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Karatas, Central vertigo and dizziness: epidemiology, differential diagnosis, and common causes, The Neurologist, 2008.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 7,7 Joshi et al., Central mimics of benign paroxysmal positional vertigo: an illustrative case series, Neurological Sciences, 2019.

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