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Somatoforme Störung

(Weitergeleitet von Somatisierung)

Synonyme: psychosomatisches Syndrom, vegetative Dystonie, Konversionshysterie
Englisch: somatization disorder

1. Definition

Als somatoforme Störung bezeichnet man körperliche Beschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden können.

ICD10-Code: F45.x

2. Epidemiologie

Somatoforme Störungen sind extrem weit verbreitet. Die Lebenszeitprävalenz in Deutschland wird auf ca. 80 % geschätzt, die Punktprävalenz von behandlungsbedürftigen somatoformen Störungen auf ca. 15 %, bei stationär aufgenommenen Patienten sind ca. 30 % von somatoformen Störungen betroffen (die aber häufig nicht erkannt werden und unbehandelt bleiben).

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass es sich häufig um eine Verlegenheitsdiagnose handelt.

3. Symptomatik

Zu häufigen Symptomen gehören Schmerzen (oft Kopfschmerzen, Rückenschmerzen), Müdigkeit und Erschöpfung, Beschwerden des Magen-Darm-Traktes (Colon irritabile, Obstipation, Diarrhö, Schluckstörung, Dyspepsie, Aerophagie), Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems (Herzneurose) und Störungen des Urogenitalsystems (sexuelle Funktionsstörungen wie erektile Dysfunktion und Harnwegsstörungen Dysurie, Pruritus, Dyspareunie). Die Symptome beginnen in der Regel vor dem 30. Lebensjahr.

Meist gehen die Symptome von selbst wieder vorbei, in rund 10 % verlaufen sie jedoch chronisch und beeinträchtigen den Patienten teils sehr stark im täglichen Leben.

Häufig wandeln sich die Symptome im Verlauf und betreffen unterschiedliche Organsysteme. Charakteristisch ist eine inkonsistente Schilderung der Symptome. Die Patienten haben oft sehr viele Arztbesuche und Arztwechsel hinter sich (Doctor-Hopping), ohne dass jemals eine organische Ursache für die Beschwerden gefunden wird.

Die Patienten bilden sich die Schmerzen und Beschwerden nicht ein, sie erzeugen die Symptomatik nicht absichtlich, sondern die Symptomatik besteht einfach ohne erkennbare körperliche Ursache.

Bei der Sonderform Hypochondrie interpretieren die Patienten allerdings ungewohnte oder auch gewöhnliche Körpersignale als Beweis einer ernsthaften Erkrankung. Die Überzeugung des Patienten kann in ihrer Intensität stark variieren, bis hin zum wahnhaften Erleben (Psychose) reichen.

Man unterscheidet verschiedene Formen von somatoformen Störungen. Die 4 wichtigsten Formen sind:

4. Ätiopathogenese

Man geht davon aus, dass die körperlichen Beschwerden bei somatoformen Störungen als unbewusster Lösungsversuch eines inneren (psychischen) Konflikts herausbilden. Zur Symptombildung führt dabei auch oft eine starke emotionale Erregung. Eine somatoforme Störung ist als ein interaktives Phänomen biologischer, sozialer und lebensgeschichtlicher Einflüsse zu verstehen. Da eine familiäre Häufung von somatoformen Störungen häufig ist, nimmt man an, dass lerntheoretisch das Lernen am Modell ein wichtiger Faktor ist.

5. Diagnostik

Eine Somatisierungsstörung liegt vor, wenn vielfältige körperliche Beschwerden mit mindestens 6 Symptomen aus 2 Organgruppen bestehen, nicht körperlich bedingt sind und über 2 Jahre bestehen. Differentialdiagnostisch ist es wichtig, depressive Störungen abzugrenzen, bei denen auch funktionelle Körperbeschwerden und Schmerzen ohne organische Ursache auftreten können.

Meist ist eine somatoforme Störung mit einer weiteren psychischen Störung vergesellschaftet. Komorbiditäten bestehen mit Depression, Suchterkrankungen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen. Die Hypochondrie weist eine häufige Komorbidität zu generalisierter Angststörung, Zwangsstörung, Panikstörung und depressiven Störungen auf.

6. Therapie

Eine somatoforme Störung ist mit einer psychotherapeutischen Behandlung anzugehen, bei der im Vordergrund steht, dem Patienten ein plausibles Krankheitsmodell zu vermitteln, das die Entwicklung einer ausreichenden Motivation für die Behandlung erlaubt. Erst wenn der Patient das Krankheitsmodell begriffen hat, kann im zweiten Schritt die Bearbeitung der zugrunde liegenden Mechanismen erfolgen.

Die große Schwierigkeit besteht darin, dass die Patienten mit einer primär auf die körperlichen Symptome bezogenen Motivation in die Behandlung kommen und nichts von psychischen Hintergründen wissen wollen. Zur Bearbeitung der psychischen Hintergründe der Beschwerden ist aber der schrittweise Aufbau einer weitergehenden Motivation nötig.

Alle geäußerten Beschwerden müssen vom Arzt ernst genommen werden (Vorhandensein der Beschwerden darf nicht angezweifelt werden!), damit sich der Patient ernst genommen fühlt. Nachsorge nach einer wirksamen Therapie ist sinnvoll, um die Umsetzung neu erlernter Verhaltensweisen und Erkenntnisgewinne zu prüfen.

7. Prognose

Unbehandelt kann es durch zahlreiche diagnostische Maßnahmen zur Überbewertung von Zufallsbefunden kommen. Übermäßige diagnostische und therapeutische Eingriffe helfen bei somatoformen Störungen nicht (z.B. ständige Röntgenuntersuchungen, Laparoskopie, etc.), sondern schaden dem Patienten nur! Bei adäquater und frühzeitiger psychotherapeutischer Behandlung ist die Prognose gut.

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