Renpenning-Syndrom
nach dem kanadischen Augenarzt und Pädiater Hans Jacob Renpenning (1929–2006)
Synonym: X-chromosomale Intelligenzminderung mit PQBP1-Genmutation
Definition
Das Renpenning-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die X-chromosomal-rezessiv vererbt wird und unter anderem durch geistige Retardierung, Mikrozephalie und Kleinwuchs gekennzeichnet ist. Es existieren verschiedene phänotypische Variationen, die teilweise unter eigenen Bezeichnungen aufgeführt werden.
Einteilung
Das Renpenning-Syndrom wird der Gruppe der Syndrome mit X-chromosomaler geistiger Retardierung (XLMR) zugeordnet.
Epidemiologie
Das Renpenning-Syndrom ist eine seltene Erkrankung. Es sind 60 Fälle bekannt, die in etwa 15 Familien identifiziert worden sind.[1]
Genetik
Die Vererbung des Renpenning-Syndroms erfolgt X-chromosomal-rezessiv. Aufgrund des Vererbungsmodus ist nur das männliche Geschlecht von den klinischen Symptomen betroffen. Die weiblichen Patientinnen mit dem Renpenning-Syndrom sind ausschließlich Konduktorinnen.
Ursächlich für das Renpenning-Syndrom sind Mutationen im PQBP1-Gen auf dem X-Chromosom an Genlokus Xp11.23. Das PQBP1-Gen kodiert für das Polyglutamin-bindende Protein 1 (PQBP1-Protein). Es sind insgesamt rund sieben Mutationen bekannt, von denen der Großteil Nonsense-Mutationen sind.[2]
Pathophysiologie
Das PQBP1-Protein spielt bei der Regulation des Splicens der prä-mRNA und der Transkription eine wichtige Rolle. Es befindet sich unter anderem in Neuronen, in sogenannten RNA-Granula. Man geht davon aus, dass das PQBP1-Protein die Genexpression in den Neuronen steuert und somit an der normalen Entwicklung des Gehirns beteiligt ist.[1]
Durch die Mutationen des PQBP1-Gens entsteht ein abnormal kurzes PQBP1-Protein. Dieses hat vermutlich eine gestörte Genexpression in den Neuronen zur Folge und führt somit zu einer abnormalen Entwicklung des Gehirns und den Symptomen des Renpenning-Syndroms.
Klinik
Das Renpenning-Syndrom ist durch eine moderate bis schwere geistige Retardierung, Mikrozephalie, Kleinwuchs und Magerkeit gekennzeichnet. Die verringerte Größe des Gehirns fällt meist bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt auf. Die betroffenen Kinder weisen eine verzögerte motorische und sprachliche Entwicklung auf.[1]
Zudem ist eine Muskelatrophie zu beobachten, die insbesondere im Bereich der Wirbelsäule und des Rückens auftritt. Diese führt unter anderem zu einer hängenden Haltung des Kopfes sowie zu einem Verlust der normalen Biegung des Rückens und erweckt den Eindruck einer Scapula alata.
Des Weiteren weisen einige Patienten eine Atrophie der Handmuskeln sowie eine Ankylose des Metacarpophalangealgelenkes des Daumens auf. Darüber hinaus kann bei manchen Patienten ein reduziertes Hodenvolumen (unter 15 ml) nachgewiesen werden.
Bei etwa 20 % der Patienten sind typische kraniofaziale Dysmorphien zu beobachten:[1][2]
- Langes, dreieckiges Gesicht
- Lidspalten verlaufen schräg nach oben außen
- Zur Hälfte haarlose Augenbrauen
- Kolbenförmige Nase mit überhängendem Nasensteg
- Löffelförmige, abstehende Ohren
- Verkürztes Philtrum
Seltene Symptome, die im Rahmen des Renpenning-Syndroms auftreten können, sind:[2]
Phänotypische Varianten
Bestimmte Kombinationen von Symptomen, die gehäuft auftreten, werden zum Teil auch unter eigenen Bezeichnungen aufgeführt. Alle diese Syndrome haben jedoch dieselbe genetische Ursache und werden unter dem Begriff Renpenning-Syndrom zusammengefasst.[1]
- Golabi-Ito-Hall-Syndrom: Schwere geistige Retardierung, ausgeprägte faziale Dysmorphie, gehäuftes Auftreten eines Vorhofseptumdefektes, stark eingeschränktes Wachstum, kein reduziertes Hodenvolumen[3]
- Zerebro-palato-kardiales Syndrom Typ Hamel: Schwerste phänotypische Variante, ausgeprägte faziale Dysmorphie, gehäuftes Auftreten eines Ventrikelseptumdefektes und einer Gaumenspalte[4]
- Porteous-Syndrom: Milde bis moderate geistige Retardierung, keinen verringerten Kopfumfang, keine verkleinerten Hoden, kurzen schlanken Körperbau, faziale Dysmorphien[5]
- MRX55
- Sutherland-Haan-Syndrom
Diagnostik
Ein Hinweis für das Vorliegen eines Renpenning-Syndroms ist der Nachweis der Vererbung der Symptome innerhalb einer Familie. Gesichert wird die Diagnose durch eine molekulargenetische Untersuchung. Trotz der Mikrozephalie ist im MRT des Gehirns keine verminderte Anzahl der Gyri nachweisbar.
Differentialdiagnose
Mögliche Differentialdiagnosen des Renpennings-Syndroms sind beispielsweise:[2]
Therapie
Es existiert keine kausale Therapie des Renpennings-Syndroms. Die Behandlung ist rein symptomatisch. Pädagogische Maßnahmen sowie spezielle Förderkurse in der Schule werden empfohlen.
Prognose
Die Lebenserwartung ist in der Regel nicht verkürzt.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 MedlinePlus - Renpenning syndrome, abgerufen am 10.03.2022
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Orphanet - Renpenning-Syndrom, abgerufen am 10.03.2022
- ↑ Orphanet - Golabi-Ito-Hall-Syndrom, abgerufen am 10.03.2022
- ↑ Orphanet - Zerebro-palato-kardiales Syndrom Hamel, abgerufen am 10.03.2022
- ↑ Erickson et al. Epstein's Inborn Errors of Development: The Molecular Basis of Clinical Disorders of Morphogenesis, third Edition, Oxford University Press, 2016
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