Räude (Rind)
Synonyme: Krätze, Skabies
Englisch: mange, scabies
Definition
Als Räude bezeichnet man beim Rind den Befall mit Milben (Acari). Die Erkrankung gehört zur Gruppe der Ektoparasitosen.
Erreger
Zu den bedeutendsten Räude-Erreger beim Rind gehören:
Milben der Kohorte Astigmata sind zwischen 0,2 und 1,8 mm groß. Sie sind hellhäutig, ungepanzert und mit einem dünnen Scutum (Schild) ausgestattet. Die Mundwerkzeuge sind meist zu starken Klauen (Cheliceren) umgestaltet, um die parasitische Lebensweise zu ermöglichen. An den Vorderbeinen finden sich Prätarsen (Haftstiele) und glockenförmige Haftapparate, die anhand ihrer Ausprägung eine Identifizierung der Gattung ermöglichen.
Milben folgen einem komplexen Entwicklungszyklus, der an den jeweiligen Lebensraum angepasst ist. Folgende Stadien werden durchlaufen:
- Ei → Larve → 1. Nymphenstadium (Protonymphe) → 2. Nymphenstadium (Tritonymphe oder Deutonymphe) → Adultus
Epidemiologie
Psoroptes-Räude tritt beim Rind regional gehäuft auf. In Mitteleuropa wird die Parasitose v.a. durch den Tierhandel verbreitet. Zu Ausbrüchen kommt es jedoch hauptsächlich während der Wintermonate bei Mastbullen in Stallhaltung. Innerhalb großer Bestände kann die Räude oft mehrere Jahre lang unentdeckt endemisch auftreten. Milchkuhbestände sind deutlich seltener betroffen.
Die Chorioptes-Räude hingegen betrifft vorwiegend Milchkuhherden. Die Räudeprävalenz kann dabei saisonal stark schwanken. Prädisponierende Faktoren sind ein ungünstiges Stallklima (feuchte Wärme), Lichtmangel und eine hohe Besatzdichte. Im Gegensatz dazu tritt die Sarcoptes-Räude bei Rindern deutlich seltener auf.
Pathogenese
Räude-Milben werden hauptsächlich direkt (von Tier zu Tier) übertragen. Selten kommt es auch zu einer Infektion über unbelebte Vektoren (z.B. Rollbürsten). Als Ansteckungsquellen gelten oftmals inapparent infestierte Tiere aus dem eigenen oder aus einem fremden Bestand (z.B. durch Zukauf).
Räude-Milben verursachen initial eine oberflächliche perivaskuläre und exsudative Dermatitis, die histologisch einer allergischen Reaktion gleicht. Es kommt zu hochgradig ödematisierter Haut sowie Infiltration mit eosinophilen Granulozyten, Mastzellen und Plasmazellen. Die verschiedene immunpathologische Prozesse werden aufgrund einer Überempfindlichkeitsreaktion gegen Milbenallergene ausgelöst (Typ-I-Allergie). Folglich kommt es zu starken Entzündungsreaktionen, Verkrustungen und traumatischen Läsionen infolge des hochgradigen Juckreizes.
Neben den allergischen Prozessen spielen auch bakterielle Sekundärinfektionen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Räude. Zusätzlich kann es zu Alopezie, Erythemen, Schuppen, Krusten und Borken kommen.
Klinik
Die einzelnen Räude-Milben manifestieren sich an typischen Lokalisationen, sodass unterschiedliche Räudeformen beschrieben werden können:
- Körperräude: verursacht durch Psoroptes-Milben
- Steiß- oder Schwanzräude: verursacht durch Choriptes-Milben
- Kopfräude: verursacht durch Sarkoptes-Milben
Körperräude
Die Körperräude geht mit Papeln und Krusten an Widerrist, Nacken, Schwanzansatz sowie am Rücken und an den Flanken mit Tendenz zur Ausbreitung einher. Die Krusten und Haare lassen sich leicht und flächenhaft ablösen. Unterhalb der Läsionen befinden sich meist massenhaft Milben.
Durch den hochgradigen Juckreiz sind die Tiere äußerst unruhig und scheuern und lecken sich vermehrt. Durch Automutilation sind die Rinder geschwächt und verlieren an Gewicht. Bei schweren exsudativen Hautentzündungen kommt es regional auch zu Lymphadenopathie. Sind über 40 % der Hautoberfläche betroffen, können die Tiere auch plötzlich verenden.
Schwanz- oder Steißräude
Es kommt zu Veränderungen an der Schwanzwurzel, in der Steißgrube, am Euterspiegel sowie an der Innenseite der Hintergliedmaßen. Nachdem die Haare büschelweise ausfallen, bleiben kleieartige Beläge (Schuppen) sowie Krusten und Borken an den betroffenen Stellen zurück.
Die Tiere sind äußerst unruhig (besonders in der Nacht), zeigen ein gestörtes Verhalten und neigen zu Selbst- und Fremdtraumatisierung (Trittverletzungen, Quetschungen, Hämatome an Zitzen und am übrigen Euter).
Kopfräude
Obwohl ein Befall mit Sacroptes-Milben häufig als Kopfräude bezeichnet wird, werden Infestationen auch an anderen Körperstellen beobachtet.
Durch den Juckreiz kommt es zu schütterem Haarkleid, Schuppenbildung und Hautverdickung mit Faltenbildung, insbesondere am Kopf und am Hals. Gleichzeitig können aber auch die Schultern, der Euterspiegel, der Schwanzansatz und der Rücken betroffen sein.
Diagnose
Die typische Klinik ist nahezu pathognomonisch für einen Befall mit Räude-Milben. In Zweifelsfällen kann ein Hautgeschabsel durchgeführt und die entnommene Probe mit KOH-Lösung aufbearbeitet werden. Die Erregeridentifizierung erfolgt dann unter dem Mikroskop.
Therapie
Beim Rind können makrozyklische Laktone eingesetzt werden. Die Wirkstoffe sind anhand der betreffenden Räude-Milbe auszuwählen. Bei einem Befall mit Sarkoptes- oder Psoroptes-Milben kann Ivermectin (0,5 mg/kgKG als Pour-on) verwendet werden. Aufgrund einer unzureichenden Wirkung ist bei Chorioptes-Milben auf Eprinomectin (0,5 mg/kgKG als Pour-on) zurückzugreifen.
Bei der Wahl des Wirkstoffes sind auch die jeweiligen Zulassungs- und Wartezeitbestimmungen zu berücksichtigen. Ivermectin darf z.B. nicht bei milchliefernden Tieren verwendet werden, während Eprinomectin auch bei Mast- und Milchkühen indiziert ist.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- Klee W, Metzner M. 2016. Ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Inneren Medizin der Wiederkäuer Lehrmaterialien der Klinik für Wiederkäuer der LMU München (abgerufen am 18.03.2021)
- Eckert J, Friedhoff KT, Zahner H, Deplazes P. 2008. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1072-0
- CliniPharm CliniTox. Ivermectin CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 18.03.2021)
- CliniPharm CliniTox. Eprinomectin CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 18.03.2021)
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