Polychlorierte Biphenyle
Abkürzung: PCB
Synonyme: polychlorierte Diphenyle, Polychlorbiphenyl, Chlorbiphenyle
Englisch: polychlorinated biphenyl
Definition
Polychlorierte Biphenyle, kurz PCB, sind organische Chlorverbindungen, die sich durch Anzahl und Stellung der Chloratome am Biphenylgerüst unterscheiden. Bis in die 1980er Jahre wurden PCB in der Industrie verwendet. Heute ist ihr Einsatz aufgrund ihrer Toxizität und möglicher Kanzerogenität weltweit verboten.
Chemie
Die Verbindungsklasse der PCBs besteht aus mehr als 200 Vertretern, die alle ein Biphenylgrundgerüst besitzen, an dem ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Chloratome ersetzt sind. Die generalisierte Summenformel ist C12H10-xClx.
Bei Raumtemperatur sind die PCB farblose bis gelbe Flüssigkeiten mit mäßiger bis hoher Viskosität, extrem niedriger Leitfähigkeit und einer Dichte von 1,2 bis 1,6 g/ml. In den meisten organischen Flüssigkeiten sind sie gut, in Wasser bis 6 mg/l und in Glycerol und Glycolen nur gering löslich. Sie besitzen eine große chemische und thermische Stabilität und sind gegenüber Oxidationsmitteln sehr beständig. Mit Natronlauge (NaOH) reagieren sie nur unter extremen Bedingungen zu phenolischen Verbindungen. PCB werden in die Gefahrenklasse 9 eingestuft.
Herstellung
Die ersten Nachweise einer Synthese von PCB-Verbindungen reichen zurück bis in das 19. Jahrhundert. Die industrielle Herstellung begann schließlich im Jahr 1929. Seither wurden weltweit in etwa 2 Millionen Tonnen PCB produziert. In der Regel haben die Verbindungen einen Chlorgehalt von 30 bis 60% und bestehen aus einer Vielzahl an Isomeren. In Deutschland wurde die Produktion ab 1983 eingestellt.
PCB werden zur Gruppe der "persistenten organischen Schadstoffe" (POP) gezählt. Damit sind sie vom Stockholmer Übereinkommen aus dem Jahr 2004 erfasst, das weltweite, völkerrechtlich verbindliche Verbotsregelungen für POP festlegt.
Verwendung
PCB fanden u.a. in folgenden Bereichen Verwendung:
- als Isolier- und Kühlflüssigkeit in Kondensatoren
- als Wärmeaustauschflüssigkeit
- als Hydraulikflüssigkeit z.B. im Bergbau
- in Drucktinten
- in Dichtungen
- in Leuchtstoffröhren
- als Zusatz in Pestiziden
- als Zusatz in Nagellack und Textilien
- in Weichmachern
- in Spezialklebstoffen
- als Imprägnier- und Flammschutzmittel
- als Dispergier-, Schmier- und Stabilisierungsmittel
Vorkommen
Umwelt
PCB gehen in Luft und Wasser über und werden - oft auch als Aerosole - global verteilt. Aus diesem Grund sind sie in der Atmosphäre, Hydrosphäre, Pedosphäre und Biosphäre nachweisbar. In Folge des Herstellungsverbots und des damit verbundenen Emissionsrückgangs zeigte sich in den letzten Jahren eine Abnahme der PCB-Konzentration in der Umwelt. Aufgrund der hohen Stabilität gegen chemischen und biologischen Abbau verteilen sich die bereits vorhandenen PCB jedoch ubiquitär und reichern sich im Sinne einer Bioakkumulation in Böden und Gewässern an. Typische PCB-Konzentrationen sind bespielsweise:[1]
- Luft: 0,05 bis 5 ng/m3
- Ozeane: 0,2 ng/l
- Flusswasser: 10 bis 300 ng/l,
- Gewässersedimente 0,01 bis 1 mg/kg Trockensubstanz (TS)
- Böden bis 1 mg/kg
- Hausmüll und Klärschlamm 0,5 bis 10 mg/kg TS.
Vor allem Böden und Sedimente in den Gewässern sind einerseits Schadstoffspeicher, andererseits durch Remobilisierung die wesentlichen Quellen für den Übergang dieser Schadstoffe in die Nahrungskette.
Lebensmittel
Durch die beschriebene persistierende Umweltkontamination finden sich die PCB auch in Futter- und Lebensmitteln. Wegen ihrer hohen Lipidlöslichkeit treten sie über die Fettphasen in die menschliche Nahrungskette ein. Daher sind die Hauptquellen der PCB-Aufnahme Milchprodukte, Fischprodukte und Wurst- und Fleischwaren. In geringerem Umfang sind auch Mehlprodukte, sowie Gemüse und Obst kontaminiert. Zum Nachweis der Belastung von Lebensmitteln eignet sich die Detektion der PCB-Indikatorkongenere 138, 153 und 180.
Aufschluss über eine Hintergrundbelastung in der Bevölkerung gibt die Bestimmung von PCB in der Muttermilch, da sie das Ende der Nahrungskette und somit die Tendenz der Akkumulation abbildet.
Toxikologie
Die lipophilen PCB werden im Gastrointestinaltrakt zu 75 bis 95% resorbiert. Eine Aufnahme über Hautkontakt ist ebenfalls möglich. Der Metabolismus besteht hauptsächlich aus einer Hydroxylierung und anschließender Konjugation der phenolischen Gruppe mit Glucuronsäure. Beim Abbau entstehen verschiedene schwefelhaltige Metaboliten. Höher chlorierte PCB scheinen langsamer ausgeschieden zu werden und reichern sich somit stärker im Fettgewebe an. Ferner sind höher chlorierte PCB starke Induktoren von Cytochrom-P450-Enzymen. Die biologische Halbwertszeit im menschlichen Organismus ist unterschiedlich und beträgt zwischen 2 und 10 Jahren.
Die meisten PCB besitzen eine geringe akute Toxizität. Die orale LD50 beträgt je nach Chlorierungsgrad bei Mäusen und Ratten zwischen 2 und 11 g pro kgKG und Tag. Beim Menschen wird die toxische Wirkung hauptsächlich über Aryl-Hydrocarbon-Rezeptoren vermittelt. Zusätzlich wird in der Literatur eine Wirkung über Östrogenrezeptoren beschrieben.
Bei langandauernder Gabe wurden bei Nagern Lebervergrößerungen, Lebertumoren, Fertilitätsstörungen und Missbildungen von Nachkommen beobachtet. Informationen zur chronischen Intoxikation mit PCB beim Menschen stammen u.a. aus Japan, wo 1968 mit PCB kontaminiertes Reisöl in den Umlauf kam. Anschließend wurde vermehrt ein fetales PCB-Syndrom mit unterschiedlichen Hautstörungen beschrieben. Ferner fanden sich vermehrt Totgeburten, Krebsfälle und Hinweise auf Störungen des Immunsystems. Zusätzlich gibt es den Verdacht auf eine Kanzerogenität.
Klinik
Die klinische Symptomatik tritt nach einer akuten Intoxikation verzögert auf und zeigt sich wie folgt:
Labordiagnostik
Bei Verdacht auf eine PCB-Belastung bzw. eine Intoxikation ist eine labormedizinische Bestimmung mittels Gaschromatographie möglich. Da nicht sämtliche 209 Kongenere erfasst werden können, erfolgt die Bestimmung von sechs Indikatorkongeneren, bestehend aus PCB 28, 52, 101, 138, 153 und 180. Die ersten drei Kongenere repräsentieren dabei überwiegend die inhalative und perkutane Belastung, die letzten drei Kongenere die Belastung über die Nahrung.
Material
Für die Untersuchung werden laborabhängig zwischen 10 und 20 ml EDTA-Blut oder Blutplasma benötigt. Die Blutabnahme und der Transport muss mit einem speziellen PCB-Glasröhrchen erfolgen.
Referenzwerte
Die Referenzwerte in ng/l für die Indikatorkongenere PCB 28, 52 und 101 sind folgend tabellarisch dargestellt:
PCB 28 | PCB 52 | PCB 101 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Blut | Plasma | Blut | Plasma | Blut | Plasma | |
Obergrenze | k.A. | < 200 | k.A. | < 200 | 100 | < 200 |
Hintergrundbelastung | < 10 | k.A. | < 10 | k.A. | 30-60 | k.A. |
Die Referenzwerte für die Indikatorkongenere PCB 138, 153 und 180 sind folgend tabellarisch dargestellt:
Alter | PCB 138 | PCB 153 | PCB 180 | |
---|---|---|---|---|
Plasma | ||||
Obergrenze | < 10 | < 0,8 µg/l | < 0,9 µg/l | < 0,5 µg/l |
11-20 | < 1,2 µg/l | < 1,5 µg/l | < 1,1 µg/l | |
21-30 | < 1,5 µg/l | < 1,9 µg/l | < 1,7 µg/l | |
31-40 | < 1,6 µg/l | < 2,3 µg/l | < 1,6 µg/l | |
41-50 | < 2,4 µg/l | < 3,2 µg/l | < 2,2 µg/l | |
51-60 | < 4,4 µg/l | < 5,0 µg/l | < 4,1 µg/l | |
Blut | ||||
Obergrenze | < 30 | 470 ng/l | 600 ng/l | 300 ng/l |
Hintergrundbelastung | 200-300 ng/l | 300-400 ng/l | 100-200 ng/l | |
Obergrenze | > 30 | 3,0 µg/l | 3,0 µg/l | k.A |
Hintergrundbelastung | < 1-2 µg/l | < 1-2 µg/l | k.A |
k.A: keine Angabe
Interpretation
Hohe Werte geben einen Hinweis auf eine mögliche PCB-Belastung.
Quellen
- ↑ RÖMPP-Redaktion, Geldsetzer F, polychlorierte Biphenyle, RD-16-03148 (2019) in Böckler F. et. al., RÖMPP [Online], Stuttgart, Georg Thieme Verlag
Literatur
- Laborlexikon.de, abgerufen am 20.04.2021
- Böhm S. (2012) Polyhalogenierte polyzyklische Kohlenwasserstoffe. In: Pharmakologie & Toxikologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg
um diese Funktion zu nutzen.