Koronarperfusion
Synonym: Koronardurchblutung
Englisch: coronary blood flow
Definition
Unter der Koronarperfusion versteht man die Durchblutung der Koronararterien des Herzens.
Physiologie
Die Durchblutung der Koronararterien (Koronarfluss) beträgt beim ruhenden Menschen ca. 70-80 ml/min pro 100 g Gewebe. Dies entspricht ca. 5% des Herzzeitvolumens.
Die Füllung der Koronararterien findet größtenteils während der Diastole, zum kleineren Teil während der Systole statt. Während der Diastole werden die Abgänge der Koronararterien nicht durch die Taschen der Aortenklappe blockiert. Des Weiteren sind die systolischen Drücke der Herzkammern (speziell im linken Ventrikel) so hoch, dass die endokardnahen Gefäße komprimiert werden und die Durchblutung somit sinkt (systolische Flussabnahme). Diese Schwankungen sind im linken Ventrikel deutlich stärker ausgeprägt als im rechten, sodass die Durchblutung des linken Ventrikels hauptsächlich auf die Diastole beschränkt ist, die des rechten aber relativ konstant ist.
Die Sauerstoff-Extraktionsrate ist im Koronarsystem besonders hoch: Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz AVDO2 beträgt 140 ml O2/l Blut. Der myokardiale Sauerstoffverbrauch beträgt unter Ruhebedingungen ca. 10 ml O2/min pro 100 g Gewebe.
Bei körperlicher Belastung steigt der myokardiale Sauerstoffverbrauch auf das etwa 4-6 fache des Ruhewerts an. Da die Sauerstoffextraktion am Herzen bereits sehr hoch ist, kann die Anpassung des Sauerstoffangebots an den myokardialen Sauerstoffverbrauch fast nur über eine Steigerung der Koronarperfusion erfolgen. Entsprechend steigt der Koronarfluss weitestgehend proportional zum Sauerstoffverbrauch maximal um das 5-fache an. Die Differenz von maximal möglichem Koronarfluss und Koronarperfusion in Ruhe bezeichnet man als koronare Flussreserve (CFR). Sie wird i.d.R. als Quotient angegeben.
Regulation
An gesunden Koronargefäßen wird die Steigerung der Myokarddurchblutung durch eine Vielzahl von durchblutungsaktiven Faktoren (neuronal, humoral, metabolisch, parakrin) an den Sauerstoffverbrauch angepasst. Ausnahmen stellen Bedingungen dar, unter denen infolge genereller Vasodilatation (Abfall des peripheren Widerstandes) der Aortendruck so stark sinkt, dass der koronare Perfusionsdruck kritisch eingeschränkt wird.
Die Regulationsmechanismen können in übergeordnete und lokal wirkende Faktoren unterteilt werden. Dabei besitzen die lokale Faktoren den größten Einfluss auf die Koronarperfusion.
Lokale Faktoren
Die Kontrolle des Blutflusses unterliegt einer Autoregulation. Das bedeutet, dass die Koronarperfusion sich anhand der lokal anfallenden Stoffwechselprodukte sowie der Verfügbarkeit von Sauerstoff selbst reguliert. Ein erhöhter Metabolismus und Hypoxie führen hierdurch zu einer sehr potenten Vasodilatation, während die Reduzierung des Metabolismus und ein hohes Angebot an Sauerstoff zur Vasokonstriktion führen. Allerdings ist noch (2020) unklar, welche Faktoren im Einzelnen beteiligt sind. Vermutet werden lokale Veränderungen der Protonen- und Kaliumkonzentrationen sowie von pCO2, pO2, Stickstoffmonoxid (NO) und Adenosin.
Neben den genannten metabolischen Faktoren existieren endothelabhängige Mechanismen: Koronare Endothelzellen können nach Stimulation durch Acetylcholin, Noradrenalin, Histamin und ATP zur Freisetzung von NO angeregt werden, was vasodilatierend wirkt. Des Weiteren setzen Endothelzellen ebenfalls vasodilatierende Faktoren wie Prostazyklin und Adenosin frei.
Ein weiterer Mechanismus an den Koronargefäßen ist die reaktive Tonussteigerung bei Dehnung der Gefäßwand. Umgekehrt führt eine Reduktion der Gefäßwanddehnung zu einer Tonusreduktion. Diese Autoregulation gilt für einen Perfusionsdruck von 60-140 mmHg.
Neurohumorale Faktoren
Zu den neurohumoralen Faktoren zählen:
- Adrenalin (Nebennierenmark)
- Noradrenalin (Sympathikus, Nebennierenmark)
- Acetylcholin (Parasympathikus)
Adrenalin und Noradrenalin wirken über Alpha-Rezeptoren vasokonstriktiv und über Beta-2-Rezeptoren vasodilatierend. Noradrenalin hat dabei im Vergleich zu Adrenalin eine höhere Affinität zu Alpha-Rezeptoren. Da Adrenalin und Noradrenalin jedoch auch Beta-1-Rezeptoren des Myokards stimulieren und dadurch eine positiv inotrope Wirkung besitzen, führt der gesteigerte Sauerstoffverbrauch zur Freisetzung von metabolischen Faktoren. Daher bewirken sie konzentrationsabhängig eine Vasodilatation.
In den Koronargefäßen besteht nur eine geringe Innervation mit cholinergen parasympathischen Fasern. Eine Aktivierung des Nervus vagus mit Ausschüttung von Acetylcholin bewirkt eine Koronardilatation. Dieser Effekt wird jedoch primär über die Stimulation einer gesteigerten NO-Bildung im Endothel vermittelt. Bei geschädigtem Endothel bewirkt Acetylcholin hingegen eine direkte Vasokonstriktion.
Klinik
Bei einer verminderten Koronarperfusion (Ischämie) tritt ein Mechanismus in Kraft, der das Myokard vor einem Gewebeuntergang schützt. Er wird als myokardiale Hibernation bezeichnet.
Die Koronarperfusion wird klinisch mit Hilfe der Koronarangiografie erfasst und durch die TIMI-Klassifikation eingeordnet, wobei Grad 0 für eine fehlende, Grad 4 für eine vollständige Perfusion steht.
Literatur
- Schmidt, Lang. Physiologie des Menschen. 30. Auflage, Springer
- Klinke, Pape, Silbernagl. Physiologie. 5. Auflage, Thieme